Gründerseminar der TU Darmstadt: Brutkasten für Start-ups
Im Seminar von Professorin Carolin Bock wagen Studenten erste Schritte in die Selbstständigkeit. Daraus sind schon einige Unternehmen hervorgegangen.
Von Marina Speer
Auch wenn es im Seminar noch eine Testsituation ist, wollen die Studenten die Experten von ihrer Idee überzeugen.
(Foto: Torsten Boor)
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DARMSTADT - Gleich soll die fünfköpfige Studentengruppe um Jan Schmid ihre Idee für ein Start-up vor einer ganzen Reihe erfahrener Unternehmer, Gründer und Business Angels präsentieren. Doch der Beamer will einfach nicht. Nach einigen Minuten werden die Experten unruhig. Was in einer realen Situation vor potenziellen Investoren wohl dazu führen würde, dass niemand Geld geben würde, ist hier nur halb so schlimm. Denn es handelt sich nur um ein Seminar der Technischen Universität Darmstadt (TU), in dem es um die Gründung und das Management eines Start-ups geht. Im Gegensatz zu dem TV-Format „Die Höhle der Löwen“ geht es hier nicht ums Geld, sondern um eine möglichst gute Idee. Kritik müssen die potenziellen Jung-Unternehmer dennoch einstecken.
Zum achten Mal bietet das Fachgebiet Entrepreneurship an der TU das Seminar „Start-up Community Darmstadt“ für Masterstudenten aller Fachrichtungen an. Die zwischen 25 und 30 Plätze sind jedes Semester schnell ausgebucht. „Wir sind fast immer überbucht“, sagt Carolin Bock, Professorin und Leiterin des Fachgebiets. Sie hatte damals gemeinsam mit Andreas Schindler, der bei Merck den Bereich Business Intelligence und Innovation Scouting verantwortet, die Idee dazu entwickelt. „Wir wollten den Studenten eine risikofreie Möglichkeit geben, herauszufinden, ob sie sich dazu eignen, ein Unternehmen zu gründen“, sagt Schindler. Denn im Gegensatz zu jungen Unternehmen, die bereits gegründet haben und sich nun am Markt beweisen müssen, befinden sich die Studenten hier in einer geschützten Umgebung, in der sie nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen haben.
Aus dem diesjährigen Kurs sind fünf Gruppen mit völlig unterschiedlichen Ideen entstanden: Von einem Express-Kurierdienst, bei dem private Kuriere Pakete an Privatpersonen übermitteln, über eine Software für Projektarbeit und Personalentwicklung bis hin zu einer analogen Version von Ebay-Kleinanzeigen ist alles dabei. Bewertet werden die Ideen nach ihrer Kreativität, der Motivation dahinter, aber auch ob sie auch umsetzbar sind, einen Kundennutzen erfüllen und ein funktionierendes Geschäftsmodell dahinter steht.
DIE TU ALS GRÜNDER-UNI
Die Technische Universität Darmstadt ist eine von deutschlandweit 22 Gründungshochschulen. Auf ihrer Internetseite zum Highest Gründerzentrum zählt die TU sechs Start-ups, die sich 2019 im Umfeld der Universität gegründet haben. In 2018 waren es elf, 2017 zwölf.
Einige bekanntere Jung-Unternehmen aus den vergangenen Jahren sind Nanowired, Wingcopter oder IT-Seal. Aber auch die inzwischen an der Börse notierten Unternehmen Isra Vision und Brain haben ihren Ursprung an der TU. (masp)
Aus den vergangenen Jahren sind sechs Projekte auch über das Seminar hinaus vorangetrieben worden. „Das ist eines unserer Ziele des Seminars“, sagt Bock. Aus dem vergangenen Jahr sind zwei Start-ups hervorgegangen, darunter Nakt, ein waschbares und antibakterielles Abschminktuch aus Stoff. „Wir sind in das Seminar eigentlich mit einer anderen Gründungsidee gestartet“, erzählt Mitgründerin Katharina Rückert. „Die haben die Experten aber richtig zerfetzt.“ Heute kann sie darüber lachen. Gerade bewirbt sich das vierköpfige Team für das Exist-Stipendium. Damit könnten sie drei Vollzeitarbeitsplätze finanzieren. Auch das Lieferanten- und Partnernetzwerk wird stetig größer. Erste Bestellungen sind bereits eingegangen. „Die Zeit im Seminar für das Finden einer guten Idee war Gold wert“, sagt Rückert. „Es war zwar die intensivste Uni-Veranstaltung im ganzen Studium – aber es hat sich gelohnt.“
Ein Großteil der Studenten im Seminar sind angehende Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker, aber auch Mathematiker und Maschinenbauer sind darunter. Auf dem Arbeitsmarkt werden sie alle mit ihrem Abschluss gute Chancen haben. Dennoch haben manche von ihnen bei dem Gründungsseminar Blut geleckt.
„Wenn unsere Idee bei der Präsentation gut ankommt, dann wollen wir unbedingt auch über das Seminar hinaus daran weiterarbeiten“, sagt Jan Schmid. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Serhan Civelek, Safak Gökduman, Andreas Manninen und Gramoz Govori hat er ein digitales Stempelkartensystem „Free11“ entwickelt. Statt mehrerer Karten von Bäcker, Apotheke oder Tankstelle gibt es eine einzige App zum Sammeln der Punkte. Der Nutzer kann sich so Rabatte erarbeiten; die Unternehmen können neue Kunden werben und alte Kunden binden. „Ich sehe extrem viel Potenzial in der Idee“, bewertet Andreas Schindler nach der Präsentation. „Warum sollten Restaurants dabei mitmachen?“, will Unternehmerin Manuela Engel-Dahan stattdessen wissen. Markus Winkler, der selbst mehrere Unternehmen gegründet hat und auch in Start-ups investiert, sieht die Idee deutlich kritischer: „Ich sehe nicht, wie ihr damit wirklich Geld verdienen wollt.“ Doch obwohl es teilweise deutliche Kritik gab, sind die Studenten nicht entmutigt: „Mein Eindruck war, dass das Feedback trotz Kritik eher positiv war“, sagt Civelek. Einer der Experten sei danach nochmal auf sie zugekommen, um sie zu bestärken. „Wir glauben fest an unsere Idee.“