Ein Jahr Innovationszentrum Weiterstadt: Ein fester Zusammenhalt
Vor einem Jahr hat Ingenieur Christoph Möller im Stadtteil Schneppenhausen ein Gründerzentrum aufgebaut. Sechs Firmen arbeiten unter einem Dach - und haben eines gemeinsam.
Von Anja Ingelmann
Reporterin Wirtschaft Südhessen
Ein Stück Handarbeit für den Teilchenbeschleuniger: Christoph Möller und eines der Bauteile aus seiner Werkstatt. Foto: Torsten Boor
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WEITERSTADT - Ein Innovationszentrum in Schneppenhausen? Dass sich im kleinen Stadtteil von Weiterstadt mit etwas mehr als 2000 Einwohnern Firmengründer niedergelassen haben, dürfte nur den wenigsten bekannt sein. Das Gewerbegebiet Wolfskaute liegt umgeben von Reihen- und Einfamilienhäusern und mit dem Auto ist man innerhalb von Sekunden vom einen Ende bis zum anderen gefahren. Die Hausnummer 6 in der Egerländer Straße ist seit über einem Jahr eine besondere Adresse: Hier sind mittlerweile sechs Ingenieur-Firmen ansässig. Die meisten haben hier in Schneppenhausen den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Die Initiative geht auf Dr. Christoph Möller (42) zurück, der sein Ingenieurbüro, die ICM-Composites GmbH & Co. KG, schon vor fünf Jahren als Spin-off der Technischen Universität Darmstadt gegründet hat. Gemeinsam mit Dr. Daniela Feldten und einem weiteren Kollegen, der aber zwischenzeitlich weitergezogen ist, suchte Möller damals geeignete Räume, in denen die drei Ingenieure mit ihren Firmen unterkommen konnten.
Das Thema ganzheitlich abdecken
Schwerpunkt war das Thema Faserverbund - das Arbeiten mit Werkstoffen, die beispielsweise aus Glas- oder Kohlenstofffasern und Klebemitteln zusammengesetzt sind. Die Verbundwerkstoffe zeichnen sich durch besondere Eigenschaften wie eine große Festigkeit aus. Von Anfang an hatte Möller ein Ziel vor Augen: "Ich wollte das Thema Faserverbund ganzheitlich abdecken", sagt er. Vor fünf Jahren begann das Team mit zwei Büros und einer Werkstatt auf 100 Quadratmetern. Möller arbeitet vor allem für Unternehmen, konstruiert, fertigt und prüft einzelne Teile für Hersteller von Windkraftanlagen, Maschinenbauer und auch für den Teilchenbeschleuniger "Fair", den das GSI Helmholtzzentrum gerade in Darmstadt baut. "Die Kunden bekommen alles aus einer Hand", sagt Möller. Mittlerweile beschäftigt er mit ICM-Composites drei Ingenieure und kommt auf einen Jahresumsatz zwischen 300 000 und 500 000 Euro. Die Projekte des kleinen Unternehmen sind über die Jahre gewachsen - auch dank eines Netzwerks von rund 20 Ingenieuren, das Möller aufgebaut hat.
Das Kernteam sitzt in Schneppenhausen, so auch Jana Schumacher, die hier mit ihrem Ingenieurbüro ihren Sitz hat. Sie konzentriert sich vor allem auf Berechnungen und ergänzt damit das Team. Aus den 100 Quadratmetern sind inzwischen über 1000 geworden. Denn vor eineinhalb Jahren wurde die große Halle hinter dem Bürogebäude frei, in der früher die Firma Carglass ihre Autoscheiben gelagert hatte. "Damals durften wir den Lastenaufzug von Carglass nutzen, um etwas in unsere Werkstatt im ersten Stock zu transportieren", berichtet Möller. Die Befürchtung war, dass der Nachmieter den Zugang nicht mehr so bereitwillig ermöglichen würde. Daraufhin sprach Möller gezielt einige möglichen Mitstreiter als Untermieter an - und das Innovationszentrum war auf den Weg gebracht. Über das Ingenieurbüro, in dem Möller vor seiner Selbstständigkeit als Geschäftsführer tätig war, kam der Kontakt zur Adaptive Balancing Power GmbH zustande. Die TU-Gründer haben einen Schwungmassespeicher entwickelt, der in kurzer Zeit große Mengen an Energie abgeben und etwa Schwankungen im Stromnetz ausgleichen kann. Büroräume nutzen sie bei Entega, doch eine Werkstatt suchten sie noch. Als nächstes zog die Carbon-Drive GmbH ein, die Motorspindeln aus Kohlenstofffasern entwickelt. Als drittes Start-up kam die Kargon GmbH dazu, eine Manufaktur für Lastenfahrräder in Handarbeit.
WAS IST FASERVERBUND?
Die Ingenieure im Innovationszentrum Weiterstadt-Schneppenhausen haben eines gemeinsam: Sie beschäftigen sich alle mit Faserverbund-Werkstoffen.
Diese setzen sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammen: den verstärkenden Fasern und einem Füll- oder Klebstoff zwischen den Fasern. Durch gegenseitige Wechselwirkungen verfügt der Werkstoff als Ganzes gesehen über höherwertige Eigenschaften als sie die Komponenten alleine haben.
Häufig werden Glas- oder Kohlenstofffasern verwendet. Diese sind sehr fein und haben einen Durchmesser von weniger als 20 Mikrometern. Ein menschliches Haar kommt auf 100 Mikrometer. (ain)
Das Fazit der Gründer nach einem gemeinsamen Jahr ist positiv. "Man hilft sich gegenseitig und tauscht sich zu neuen Ideen aus", sag t beispielsweise Alexander Brechtel von Carbon-Drive. Neben der Zusammenarbeit entwickeln sich auch die Geschäfte gut. So hat Kargon vor einem Jahr die ersten Räder auf den Markt gebracht und rechnet für 2019 mit rund 150 Bestellungen. Die Resonanz bei den Händlern sei "sehr gut", so Mit-Gründer Andreas Muth-Hegener. Der feste Zusammenhalt ist offenbar typisch fürs Innovationszentrum Weiterstadt - und gilt nicht nur für Werkstoffe.