Auf einem Aussiedlerhof produzieren die Mikrobrauer Tobias Daub und Marc Windisch ihr obergäriges „Mauze Ale“. Die ersten Brauversuche machten sie in der WG-Küche.
Von Alexandra Welsch
Mitarbeiterin Lokalredaktion Darmstadt
Inhaber Marc Windisch testet das frische Ale. Angefangen haben die Brauer in der früheren WG-Küche.
(Foto: Vollformat/Marc Schüler)
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BÜTTELBORN - Der Kühlkeller misst nicht mal acht Quadratmeter, aber er brummt wie ein großer. Auf vier Grad kühlt das lautstarke Aggregat den aus Spanholz zusammengeschraubten Bretterverschlag. Er liegt abgeschieden im Keller einer Scheune auf einem Aussiedlerhof zwischen Feldern bei Büttelborn-Worfelden, aber an diesem Samstag hat Kundschaft hierher gefunden.
Tobias Daub und Marc Windisch wuchten Bierkästen heraus. Genau fünf Stück. „Mehr gibt’s nicht mehr“, sagt Tobias Daub und lacht. Nur ein paar Fässer sind noch im Lager. Aber an denen hat Patrick Meinhardt vom Weiterstädter Tannenhof kein Interesse. Er möchte die hübschen Flaschen mit dem handgebrauten „Mauze Ale“ der beiden jungen Männer in seinem Hofladen verkaufen. „Weil’s schmeckt“, befindet er schlicht. Probiert hat er es auf dem Weiterstädter Wochenmarkt, wo die Mikrobrauer seit Neuestem anzutreffen sind.
Es begann 2013 aus einer Bierlaune in der Darmstädter Wohngemeinschaft, in der Daub und Windisch als Studenten zusammengelebt haben. „Wir hatten die Nase voll von dem Einheitsbier“, erzählt Daub (35). Also probierten sie sich durch eine Reihe gekaufter Ales und Craft-Biere kleinerer Brauereien, wie sie bereits länger in den USA im Trend liegen. „Es war erstaunlich, was es da für eine Bandbreite gibt“, stellt Marc Windisch (37) fest. Ein Schlüsselerlebnis sei das gewesen. Und so lautete die Losung: „Lass uns das doch auch mal ausprobieren.“
Inhaber Marc Windisch testet das frische Ale. Angefangen haben die Brauer in der früheren WG-Küche. Foto: Vollformat/Marc Schüler
Inhaber Marc Windisch testet das frische Ale. Angefangen haben die Brauer in der früheren WG-Küche. Foto: Vollformat/Marc Schüler
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Im Internet wurde ein Rezept gesucht und „16 Stunden rumhantiert, gekocht auf dem Herd, gefiltert im Küchenhandtuch“, berichten sie. „Der ganze Prozess war maximal chaotisch“, sagt Daub. „Wir dachten, das können wir wegkippen.“ Doch als sie zwei Monate später ihr WG-Gebräu probierten, war die Überraschung groß: „Das war extrem lecker.“
Also hieß es für sie, am Bier bleiben. Sie brauten und probierten immer neue Varianten. Und 2015 dann wollten sie das Ganze auf professionellere Beine stellen. Über Ebay-Kleinanzeigen stießen sie auf den Aussiedlerhof, wo sie ein ehemaliges Schlachthaus nutzen können. „Und dann ging’s erst richtig los mit dem ganzen Trouble“, erzählt Tobi Daub grinsend. Viel Lehrgeld zahlten die Existenzgründer zwischen Nutzungsänderungsanträgen, Hygienevorschriften oder Lagerungsstatuten. So mussten sie beispielsweise die ersten Etiketten einstampfen, weil die Schriftgröße darauf 3,9 Millimeter groß war, die Verpackungsverordnung aber mindestens vier Millimeter vorschreibt.
DIE SERIE
Sie bestehen häufig seit Jahrzehnten und das nicht selten in Familientradition: Kleinunternehmen unserer Region. Abseits der mittelständischen Firmen und großen Konzerne werden sie oft nur unterschwellig wahrgenommen. Das soll sich durch die Serie „Die kleine Wirtschaft“ ändern. (red)
Die Serie
Sie bestehen häufig seit Jahrzehnten und das nicht selten in Familientradition: Kleinunternehmen unserer Region. Abseits der mittelständischen Firmen und großen Konzerne werden sie oft nur unterschwellig wahrgenommen. Das soll sich durch die Serie „Die kleine Wirtschaft“ ändern. (red)
Und das Bierbrauen an sich ist auch kein Kinderspiel: „Bier ist ein sehr komplexes Produkt“, sagt Windisch. „Bei der Gärung kann viel schief gehen.“ So müsse die Würze die ersten sieben Tage auf exakt 19 Grad Temperatur gehalten werden. Ihr junges Brauerleben erleichtert hat da, dass sie auf einer Messe in München günstig einen Profi-Gärtank erwerben konnten. Beim Kochen hingegen sei noch „viel improvisiert“. Gekocht wird in riesigen Töpfen auf einem Paella-Gasbrenner. Zurzeit fertigen sie alle sechs Wochen circa 250 bis 300 Liter ihrer beiden Sorten obergäriges Pale Ale und Blond Ale. Dafür treffen sie sich an Wochenenden, denn Tobi Daub lebt inzwischen in Hamburg und Marc Windisch in Karlsruhe. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie als Software-Entwickler, denn bislang hat ihre Mikrobrauerei deutlich mehr gekostet als eingebracht. „Fokus Nummer eins ist, dass sich der Laden jetzt erstmal trägt“, sagt Windisch. Nachdem sie für ihr Bier in der Gastronomie einige Interessenten gefunden hätten, darunter etwa die Gaststätten „Luise“ oder „Collins“ in Darmstadt, wollen sie nun mehr auf Direktvermarktung setzen.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn laut aktuellen Zahlen der Braubranche ist der Absatz der konventionellen Brauereien trotz des langen Sommers 2018 nur gering um 0,6 Prozent gestiegen und im Vergleich zu früheren Zeiten rückläufig. Zugleich aber sind die Mikrobrauereien stark im Kommen, besonders in Hessen. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Brauereien im Land voriges Jahr um 7,3 Prozent gestiegen auf 88, darunter größtenteils Kleinbetriebe.
Die Worfelder Brauer sehen diese Entwicklung positiv. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, finden sie. Und ihr Produkt bringt schon mit dem Namen ein Alleinstellungsmerkmal mit: „Mauze“ hieß der Nachbarskater in ihrer WG – bei ihnen gibt’s also einen hübschen Kater zum Bier dazu.