Angeblich soll Glasfaserkabel verlegt werden, man wolle nur kurz den Hausanschluss prüfen. Wenn ein Mitarbeiter im Telekom-Outfit mit diesen Worten vor der Tür steht, ist Vorsicht geboten.
Von Anja Ingelmann
Reporterin Wirtschaft Südhessen
"Und jetzt bitte unterschreiben": In den eigenen vier Wänden besser nicht, raten Verbraucherschützer.Foto: Gaj Rudolf/AdobeStock
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DARMSTADT/SÜDHESSEN - Die meisten Verbraucher überlegen sich zweimal, ob sie den teuren Staubsauger wirklich brauchen, den der Vertreter an der Haustür anbietet. Und dass man ein Zeitschriftenabo besser nicht über einen Unbekannten an der Klingel abschließen sollte, wissen die meisten ebenfalls. Manchmal sind die Maschen aber derart dreist, dass Vorsicht und gesundes Misstrauen nicht ausreichen. So haben sich einige Bewohner in Darmstadt sowie in den Kreisen Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau an der Haustür teure Verträge für Telefon und Internet andrehen lassen. Die Verkäufer klingelten und gaben an, im Auftrag der Telekom unterwegs zu sein - in Dienstkleidung und mit Ausweis. Da im Ort demnächst Glasfaser verlegt werden solle, müsse man den Hausanschluss prüfen. Daraufhin kamen sie ins Haus und werkelten am Telefonanschluss herum.
"So, jetzt müssen Sie das nur noch kurz bestätigen und hier unterschreiben", hieß es anschließend. Doch mit der Unterschrift bestätigten die Bewohner das keineswegs - denn das Schriftstück auf dem Klemmbrett war in Wirklichkeit ein 24-Monate-Vertrag über Telefon und Internet, was viele erst merkten, als der Mitarbeiter längst wieder weg war. Die Glasfaserkabel-Geschichte diente nur als Vorwand.
Tim Schindel vom Fachgeschäft TV-Service Schindel in Weiterstadt bekommt solche Fälle oft geschildert. "Manche unserer Kunden kommen in den Laden oder rufen an und fragen, was denn die Telekom bei ihnen will", so Schindel. "Wir erklären ihnen dann, dass Glasfaser nicht ins Haus gelegt wird und auch kein Anschluss geprüft werden muss." Tatsächlich handele es sich bei den Besuchern nicht um Techniker der Telekom - sondern um sogenannte Vertriebspartner, die im Auftrag des Bonner Konzerns beraten und Verträge abschließen.
BETRUG ALS STRAFTAT
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Darmstadt könnte bei der Masche ein Straftatbestand gegeben sein. "Bei den geschilderten Fällen könnte es sich tatsächlich um Betrug handeln, aber natürlich muss der Einzelfall betrachtet werden", sagt Oberstaatsanwalt Robert Hartmann.
Die Voraussetzungen für Betrug: Neben einer Täuschung muss der Betroffene einen Vermögensnachteil erhalten. Bei den geschilderten Haustürgeschäften bekomme der Bewohner zwar eine Leistung, so Hartmann. Wenn er diese aber nicht wolle und nicht brauche und der Vertrag nur durch das Täuschungsmanöver zustande kam, könne der Betroffene Anzeige erstatten. Dies ist möglich beim Polizeipräsidium Südhessen, bei jeder Polizeidienststelle, sowie per Post oder persönlich bei der Staatsanwaltschaft. (ain)
Kunden beschweren sich im Internet
Die Telekom verweist auf Nachfrage direkt an die Firma Ranger Marketing & Vertriebs GmbH aus Düsseldorf, seit 2017 unterm Dach des Kölner Digitalkonzerns Ströer. Ranger bestätigt, dass man seit 15 Jahren autorisierter Vertriebspartner der Telekom sei. Tatsächlich seien derzeit Mitarbeiter in und um Darmstadt unterwegs. Die "professionell geschulten Kundenberater" seien am Outfit der Telekom zu erkennen und könnten Lichtbildausweis sowie Autorisierungsschreiben vorlegen, sagt Ranger-Sprecherin Julia Büttner. Doch die beschriebene Herangehensweise gehöre nicht zu den Geschäftspraktiken von Ranger, betont Büttner.
In Service-Foren der Telekom beschweren sich auch Kunden aus anderen Ecken Deutschlands über die Glasfaser-Masche und nennen dabei immer wieder die Firma Ranger. Die ältesten Fälle sind von 2012. Tim Schindel berichtet von einem kuriosen Fall im Kreis Groß-Gerau: Die Mitarbeiter hätten sich vor ihrer Tour bei der Polizeidienststelle angemeldet, "damit die Polizisten besorgten Bewohnern sagen können, dass alles in Ordnung ist". Als sich kurz darauf ein Bürger auf der Wache meldete, habe die Polizei ihn zunächst mit diesen Worten beruhigt - "der Mann verstand die Welt nicht mehr", so Schindel. Die Verbraucherzentrale beobachtet solche Fälle seit geraumer Zeit. Verbraucherrechtler Kai-Oliver Kruske rät von Geschäften an der Haustür grundsätzlich ab: "Am besten in den eigenen vier Wänden keine Verträge abschließen und nichts unterschreiben." Wenn das Angebot wirklich so gut wäre, müsste es nicht an der Tür vermarktet werden. Und wenn man schon unterschrieben hat? Dann könne man vom 14-tägigen Widerrufsrecht Gebrauch machen, das für Verträge gilt, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden. "Dieses kann kostenlos ohne Angaben von Gründen geltend gemacht werden."
Im Falle einer Täuschung könne der Verbraucher den Vertrag zudem anfechten. Hierfür gelte eine Frist von einem Jahr, nachdem man von der Täuschung Kenntnis erhalten habe. Hilfe könne man sich bei der Verbraucherzentrale oder beim Anwalt holen. Die Präventiv-Abteilung der Polizei rät zudem, den Widerruf per Einschreiben zu verschicken. Hier zähle das Datum des Wegschickens, nicht des Eingangs. Wenn man entgegen aller Ratschläge doch einen Vertrag unterschreibt, solle man auf das Datum achten, damit es nicht nachträglich rückdatiert werden kann, um die Widerrufsfrist zu umgehen.