Bargeldlos zahlen: "Rabatte könnten hier durchaus helfen"
Finanzprofessor Dirk Schiereck sieht bei den risikoscheuen Deutschen eine Hürde. Der Nutzen elektronischer Bezahlsysteme sei enorm, müsste aber besser kommuniziert werden.
Professor Dirk Schiereck ist am Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt tätig. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT - Was Verbraucher im Alltag interessiert, interessiert den Darmstädter Finanz-Professor Dirk Schiereck auch von Berufs wegen. Und weil er sich den Markt für elektronische Bezahlsysteme genauer angesehen hat.
Herr Schiereck, bislang war mobiles Bezahlen hierzulande etwas Exotisches. Jetzt öffnen Sparkassen und Volksbanken den Massenmark. Ist das der Durchbruch? Warum sehen Verbraucher in anderen Ländern darin weniger eine Spielerei?
Es gibt hier keine einfache Antwort. Jedes Land hat seine eigene Geschichte und auch kulturelle Wurzeln, die mit Geld und Bezahlmethoden einhergehen und das Bezahlverhalten von Land zu Land ganz unterschiedlich machen. Skandinavien oder Australien sind Vorreiter beim digitalen Bezahlen, Frankreich zeigt die höchste Nutzungsquote beim Scheck. Im insgesamt recht risikoaversen Deutschland, das zusätzlich von zwei Währungsreformen im 20. Jahrhundert betroffen war, hat der Sicherheitsgedanke hohes Gewicht, Bargeld ist an Tausenden von Bankautomaten fußwegnah verfügbar, und Datenschutzüberlegungen spielen auch eine Rolle.
ZUR PERSON
Professor Dirk Schiereck, Jahrgang 1962, ist seit 2008 am Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung der Technischen Universität Darmstadt tätig. Der Volkswirt hat an der Universität Mannheim promoviert. (red)
Ist das ein Generationenproblem hierzulande?
Es gibt sicherlich unter jüngeren Besitzern von Smartphones generell eine höhere Bereitschaft, digitale Innovationen auszuprobieren. Aber eine Reduktion auf den Faktor Alter springt viel zu kurz. Auch in der jüngeren Bevölkerung ist das digitale Bezahlen in Deutschland geringer ausgeprägt als in Dänemark, Schweden oder auch in China. Auch Reiselust spielt eine Rolle, Euro und Girocard sind für den reisefreudigen Deutschen in Europa - ob jung oder alt- eher ein Grund, kein Bedürfnis nach neuen Bezahlformen zu entwickeln. Länder wie Schweden, Großbritannien oder China haben Währungen, die nicht überall akzeptiert werden. Komfortables Reisen legt hier breit akzeptierte Bezahlformen nahe, die oft digitaler Natur sind.
Oder ist nicht klar genug, warum ich künftig an der Kasse im Fall des Falles das Smartphone und nicht die kontaktlose Girocard zücken soll?
Der überlegene Nutzen von neuen digitalen Bezahlsystemen konnte sicherlich gerade in Deutschland noch nicht so überzeugend kommuniziert werden, dass viele dafür das so gut funktionierende und flächendeckend verbreitete System der Girocard aufgeben. Der erste, etablierte Anbieter hat immer Wettbewerbsvorteile, und wenn das System gut funktioniert und der Anbieter keine elementaren Fehler macht, wird es schwer, ihn zu verdrängen.
Braucht es Anreize wie einen Rabatt, um dem Bargeld die kalte Schulter zu zeigen?
Rabatte können hier durchaus helfen, aber es gibt sehr viele 'Überzeugungstäter', die Bargeld nutzen, weil sie diese Bezahlform unbedingt behalten wollen. Das lässt vermuten, dass die Rabatte für digitales Bezahlen schon recht signifikant sein müssten, um Änderungen zu bewirken. Da hat das Ausdünnen der Filialnetze, der Abbau von Geldausgabeautomaten und damit die schlechtere Verfügbarkeit von Bargeld wohl größere Wirkung.
Bargeldversorgung ist teuer: über welche Kosten sprechen wir, wer sollte wie entlastet werden, wenn digital bezahlt wird?
Gerade der größere stationäre Einzelhandel klagt über die Kosten der Bargeldlogistik. Kleine Händler und Gewerbetreibende mit niedriger Transaktionsfrequenz können die Vorteile der Digitalisierung nicht ausschöpfen, weil ihnen die Skalierungseffekte fehlen. Wenn Supermärkte immer mehr auch als Bargeldanbieter fungieren, zeigt das, wer in Bargeld mehr Kosten als Nutzen sieht. Auch die Gastronomie ist bargeldgetrieben, das Trinkgeld ist halt bei uns nicht digital. Und digitales Bezahlen ist ja auch nur partiell anonym, was gerade bei US-amerikanischen Anbietern von innovativen Bezahlmodellen via Smartphone nach versteckten Bezahlkomponenten durch Datenweitergabe befürchten lässt.
Ist das Versprechen der Sparkassen tatsächlich einlösbar, dass dabei die Daten nicht wie bei Google und Co. an Dritte gehen?
Ja, die Daten der Girocard-Transaktionen waren über Jahrzehnte hinweg sicher, und die neuen Angebote der Sparkassen werden sich an diesem Standard orientieren.