Die Vergütung für Top-Manager ist innerhalb eines Jahres gesunken. Wie hat sich das Gehaltsgefälle zu normalen Mitarbeitern in den Unternehmen entwickelt?
Frankfurt . Der Doppel-Vorsitzende von Volkswagen und Porsche, Oliver Blume, ist mit einer Gesamtvergütung von 9,37 Millionen Euro der Spitzenverdiener im Deutschen Aktienindex (Dax). Im vergangenen Geschäftsjahr erhielten die Chefs in der ersten Börsenliga im Schnitt 5,1 Millionen Euro, ein einfaches Vorstandsmitglied kassierte 2,9 Millionen Euro. Das ist laut einer Studie im Auftrag der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) das 38-Fache des Verdienstes eines normalen Beschäftigten.
„Auffällig ist, dass die durchschnittliche Vergütung des gesamten Vorstands binnen Jahresfrist um 8,4 Prozent gesunken ist“, berichtet DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Nachdem im Jahr 2021 oft die Unternehmensziele übertroffen wurden, sei davon auszugehen, dass die Aufsichtsräte die Ziele für das Jahr 2022 umso ambitionierter gesetzt hätten. Außerdem hätten die Börsenkurse im Dax infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im vergangenen Jahr um 12,3 Prozent nachgegeben.
Etwa 32 Prozent der Vorstandsvergütung wurden als fixes Gehalt gezahlt, 26 Prozent waren kurzfristige und 42 Prozent langfristig variable Bestandteile. Der Kurssturz an den Börsen schlug direkt auf die aktienbasierte Vergütung durch. Da der Personalaufwand je Beschäftigten deutlich gestiegen ist und die Vorstandsgehälter gesunken sind, verringerte sich die Spanne zwischen Chef- und Mitarbeiterverdiensten deutlich vom 52-Fachen auf das 38-Fache.
Merck- und SAP-Vorstandsvorsitzende in den Top fünf
Ein Vorstandsvorsitzender verdient etwa das 1,8-Fache eines normalen Vorstandsmitglieds. Finanzvorstände stehen in der Gehaltshierarchie an zweiter Stelle. Nach VW-Chef Blume folgen auf den folgenden Rängen der Gehaltspyramide die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank (Christian Sewing/9,1 Millionen Euro), Merck (Belén Garijo Lopez/8,8 Millionen Euro), BMW (Oliver Zipse/7,9 Millionen Euro) und SAP (Christian Klein/7,7 Millionen Euro). Der Vorjahresspitzenreiter Linde ist freiwillig aus dem Dax ausgeschieden und wird in der Studie deshalb nicht mehr berücksichtigt.
„Bemerkenswert ist, dass Adidas, welches sich im Vorjahr noch im oberen Drittel befand, im Jahr 2022 aufgrund substanzieller Zielverfehlungen auf den vorletzten Platz abrutschte“, berichtet Professor Gunther Friedl von der TU München, der die Studie verantwortet. Am unteren Ende der Tabelle finden sich die Co-Vorstandschefs von Zalando, David Schneider und Robert Gentz, mit 78.000 Euro, deren Vergütung fast ausschließlich über Aktienanteile erfolgt.
Männliche Vorstände verdienten im Schnitt 15,9 Prozent mehr als ihre Kolleginnen. Merck-Chefin Belén Garijo Lopez ist die einzige Vorstandschefin im Dax. Nicht-deutsche Vorstandsmitglieder erhalten etwa sechs Prozent weniger als deutsche Vorstände.
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„Bei den absoluten Vergütungshöhen hat sich hierzulande die 10-Millionen-Marke als absoluter Deckel etabliert“, berichtet DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Das sei zwar deutlich weniger als in Frankreich, der Schweiz oder den USA, aber die Struktur der Vergütung sei auch höchst unterschiedlich. „Ein Vorstand im Ausland trägt ein deutlich höheres Risiko als ein Kollege in Deutschland“, erläutert Tüngler. Das gelte für die Haftung bei Entscheidungen ebenso wie für den höheren Anteil von im Wert schwankenden Aktienbezugsrechten bei der Gesamtvergütung. „Wir sehen bisher wahrlich nicht, dass wir hierzulande einen strukturellen Nachteil dadurch haben, dass die Vergütungen in Deutschland nicht unbedingt so exorbitant ausfallen, wie wir das teilweise im Ausland beobachten.“ In den USA wurde 2022 die Schallmauer von 100 Millionen Euro fast erreicht. Apple-Chef Tim Cook kassierte 99,4 Millionen Euro.
Wir sehen bisher wahrlich nicht, dass wir hierzulande einen strukturellen Nachteil dadurch haben, dass die Vergütungen in Deutschland nicht unbedingt so exorbitant ausfallen, wie wir das teilweise im Ausland beobachten.
„Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskomponenten in den Vergütungssystemen hat einen merklichen Schub erhalten“, berichtet DSW-Geschäftsführer Tüngler. Viele Unternehmen belohnten das Erfüllen von konkreten Zielen. Mittlerweile haben 98 Prozent der Unternehmen mindestens eine der drei Komponenten – Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung – verankert. „Nur Porsche berücksichtigt keine Nachhaltigkeitsziele“, erläutert DSW-Vergütungsexpertin Christiane Hölz. 39 Unternehmen im Dax geben dagegen klare Ziele vor. Die Kriterien Umwelt und Soziales spielten die größte Rolle. Aber auch das Thema Governance rückte zunehmend in den Fokus.
Unter den Umweltaspekten waren die Punkte Klimaschutz, Energieverbrauch und CO2-Emissionen die häufigsten Stellschrauben zur Messung der Unternehmensziele. Zu den relevantesten sozialen Kriterien zählten die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Diversität und Inklusion. Im Governance-Bereich wurden die Einhaltung von Unternehmensregeln und Datenschutz genannt.