Mancher zwischenmenschliche Konflikt am Arbeitsplatz führt vors Gericht. Aktuelle Urteile zum Thema Schikane im Job.
DARMSTADT. Rund um den Tod von Daniel Küblböck kursiert im Internet auch ein Eintrag, demzufolge er an der Schauspielschule, an der er Unterricht nahm, gemobbt worden sein soll. Der Begriff Mobbing geht einem immer schneller über die Lippen, selbst Grundschüler setzen sich heute mit dem Thema auseinander. Geht es um Mobbingvorwürfe am Arbeitsplatz, müssen die Richter ganz genau hinschauen.
Vor dem Niedersächsischen Landesarbeitsgericht stand eine Frau, die fast 20 Jahre lang als Frauen- und später als Gleichstellungsbeauftragte bei einem Landkreis arbeitete. Sie forderte Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings. Sie war der Meinung, durch die Wahl eines neuen Landrats "Funktionen verloren zu haben" und deutlich weniger in Abläufe einbezogen zu sein. Das Gericht sah darin aber kein "systematisches schikanöses Verhalten". Das galt insbesondere deswegen, weil der Landrat gleich zu Beginn seiner Amtszeit Anordnungen getroffen hatte, die andere Mitarbeiter ebenso betrafen. (AZ: 2 Sa 441/15)
In die andere Richtung ging das Arbeitsgericht Siegburg. Dort kämpfte ein Industriekaufmann um Schmerzensgeld wegen Mobbings, der in seinem Betrieb als "Bereichsleiter Softwareservice" tätig war und dessen Stelle abgeschafft wurde. In seiner neuen Rolle als "Task Manager IT" wurde er systematisch von seinem Vorgesetzten schikaniert, nachdem er ihn gebeten hatte, weitere Aufgaben zu erhalten, weil er sich unterfordert fühlte. Danach sollte er EDV-Schrott sortieren und sinnlose Tagesberichte schreiben. Auch wurden Urlaubspläne grundlos abgewiesen und eine Abmahnung angedroht.
Schließlich erkrankte er an einer Depression - und forderte dafür Entschädigung, dass er Handlungen des Chefs ausgesetzt war. Ihm wurde suggeriert, fachlich und persönlich ungeeignet und minderwertig zu sein. Das Gericht sprach ihm deshalb 7000 Euro Schmerzensgeld zu. (AZ: 1 Ca 1310/12) Der Versuch, das Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer Abfindung aufzulösen, scheiterte.
In einem Fall vor dem Arbeitsgericht Leipzig wurde ein Oberarzt von seinem Chefarzt drangsaliert - das Gericht erkannte Mobbing an. Dem Oberarzt wurde einfach verboten, weiterhin zu operieren. Stattdessen wurde er fast ausschließlich in der Ausbildung eingesetzt. Zudem legte der Chefarzt ihm nahe, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Denn die vom Oberarzt durchgeführten Operationen seien schlecht verlaufen. Der Oberarzt wehrte sich gegen die Diffamierungen und bekam schließlich eine Entschädigung in Höhe von 53 000 Euro. Die behaupteten Schlechtleistungen seien nicht bewiesen und die fachliche Einschätzung beruhe allein auf der Meinung des Chefarztes. (AZ: 9 Ca 3854/11)
Handelt es sich um Mobbing, wenn ein als Servicetechniker eingestellter Arbeitnehmer von seinem Vorgesetzten schriftlich angewiesen wird, für etwa zweieinhalb Monate Reinigungsarbeiten an den Maschinen zu erledigen, obwohl dafür an sich eine professionelle Reinigungsfirma beauftragt ist? Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verneinte das im Ergebnis, wenn es auch davon ausging, dass der Vorgesetzte sein Direktionsrecht überschritten habe, weil der Auftrag "deutlich unter dem Qualifikationsniveau eines Technikers" liege. Der Arbeitgeber habe nachvollziehbare Gründe vorbringen können - und außerdem fehle es an einem "systematischen Verhalten" seitens des Unternehmens oder eines seiner Mitarbeiter. (AZ 15 Sa 1758/11)
Von Wolfgang Büserund Maik Heitmann