Krank im Job: Erstaunlich viele gehen trotz Corona arbeiten
Warum Beschäftigte trotz positiven Corona-Tests und erkennbaren Symptomen zur Arbeit erscheinen. Wie sehr das auch dem Arbeitgeber schadet, ist ebenfalls überraschend.
Leverkusen. Eigentlich weiß jeder, dass es nicht gut ist. Für sich selbst, für die Kollegen und auch für den Arbeitgeber. Aber dennoch haben es laut einer Studie des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung mehr als die Hälfte der Beschäftigten in ihrem Arbeitsleben schon einmal gemacht: trotz Erkrankung zur Arbeit zu gehen. Und das ist nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Denn einer Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK unter rund 1200 Arbeitnehmer zufolge bleibt nur etwas mehr als ein Viertel der Beschäftigten (28 Prozent) bei Krankheit konsequent zu Hause und kuriert sich aus.
Trotz Corona zur Arbeit: Wie hoch ist der Anteil?
Dabei geht es laut BKK-Umfrage zumeist um Rückenschmerzen, Allergien, psychosomatische Beschwerden oder leichte Erkrankungen. Aber auch bei ansteckenden Infekten gehen viele weiter zur Arbeit. In der Untersuchung sind es immerhin 20 Prozent, bei Erkrankung der Atemwege, die ein vergleichsweise hohes Ansteckungsrisiko haben, 18 Prozent. Etwa jeder Zehnte macht das Erscheinen in der Firma davon abhängig, wie viel zu tun ist - und nicht von seinem Gesundheitszustand. Selbst Corona hält einen guten Teil der Arbeitnehmer nicht davon ab, im Büro oder im Betrieb zu erscheinen.
Die Befragung der Pronova BKK ergab, dass immerhin jeder zehnte Beschäftigte selbst mit einem positiven Corona-Test und, wenn auch milden, Symptomen weiterhin vor Ort seine Arbeit verrichtet. Nur jeder Dritte, der positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden sei, kuriere sich zu Hause vollständig aus, heißt es weiter. Immerhin 17 Prozent arbeiten weiter, allerdings wechseln sie von Präsenz ins Homeoffice.
Was sind die Gründe für Präsentismus?
Die Folgen des, wie es im Fachjargon genannt wird, Präsentismus umschreibt Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt bei der Pronova BKK: „Wer sich nicht in Ruhe auskuriert, riskiert, dass Viruserkrankungen auch Herz oder andere Organe angreifen oder sich durch Medikamente unterdrückte Symptome verschlimmern. Noch dazu können Mitarbeitende angesteckt werden - nicht nur bei einer Präsenz trotz positiven Corona-Tests eine unzumutbare Gefahr.“ Die Angst vor Jobverlust, die Angst, als faul zu gelten, oder Kollegen bei Abwesenheit zu viel zuzumuten – die Gründe, warum man krank zur Arbeit geht, sind vielfältig. In der Pflege kommt noch etwas anderes dazu.
In einer Studie des AOK Bundesverbandes gaben mehr als ein Drittel (36 Prozent) der befragten Führungskräfte aus Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern an, in den vergangenen zwölf Monaten krank zur Arbeit gegangen zu sein. Knapp ein Viertel (23 Prozent) erklärte, sie hätten das sogar entgegen ausdrücklichem ärztlichen Rat getan. Pflichtbewusstsein oder Verantwortungsgefühl gaben 44 Prozent als Grund an, knapp ein Viertel (23 Prozent) Personalmangel.
In welche Maße schadet das dem Arbeitgeber?
Wie sehr der Präsentismus auch dem Arbeitgeber schaden kann, verdeutlicht eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Booz & Company im Auftrag der Felix Burda Stiftung. Demnach belaufen sich die durch Fehlzeiten bedingten Kosten pro Mitarbeiter jährlich schätzungsweise auf rund 1.200 Euro. Wenn jemand krank zur Arbeit geht, liegen die Kosten pro Arbeitnehmer in etwa doppelt so hoch. Sei es wegen krankheitsbedingten Produktivitätsverlusts, am Ende längeren Ausfallzeiten wegen Verschleppung der Krankheit oder weil Kollegen angesteckt werden, die dann ebenfalls ausfallen.