Irre Spritpreise: Wird Diesel jetzt noch teurer?

Ein Autofahrer betankt ein Auto mit dem Kraftstoff Diesel an einer Tankstelle. Foto: dpa
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Während der Benzinpreis sinkt, scheint es bei Diesel kein Halten mehr zu geben. Was sind die Gründe und wie sehen die Prognosen für den Winter und fürs kommende Jahr aus?

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WIESBADEN/MAINZ. Die Fahrt zur Tankstelle entwickelte sich für Diesel-Fahrer zuletzt zum Horrortrip. Manche tankten nicht voll, in der Hoffnung, der Diesel-Preis könnte doch noch sinken. Doch das lohnte sich bislang nicht. Denn während die Benzinpreise fielen, schien es bei Diesel kein Halten mehr zu geben. Am Donnerstagmorgen kostete der Liter der Statistik des Portals mehr-tanken.de zufolge im bundesweiten Durchschnitt mehr als 2,20 Euro, während Superbenzin E10 für rund zwei Euro zu haben war. Berücksichtigt man den Steuervorteil von Diesel gegenüber Benzin von insgesamt rund 20 Cent (Energie- plus Mehrwertsteuer), war Benzin an der Tanke zu diesem Zeitpunkt mehr als 40 Cent je Liter günstiger. Bis elf Uhr erhöhte sich diese Differenz auf fast 50 Cent, da der Preis für Benzin bis dahin wieder etwas stärker gesunken war als für Diesel.

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Was ist mit der alten Diesel-Faustformel?

Früher gab es eine einfache Faustformel: Diesel-Pkw sind zwar in der Anschaffung teurer, der Sprit hat aber einen deutlichen Steuervorteil, außerdem verbrauchen Selbstzünder weniger. Der Ukraine-Krieg hat jedoch auch hier alles durcheinandergewirbelt. Das gilt auch für die Abhängigkeit vom Ölpreis. Denn während Benzin diesem sichtbar folgt, scheint Diesel abgekoppelt zu sein. Anfang Oktober hatte die erweiterte Öl-Allianz Opec+ angekündigt, die Ölproduktion zurückzufahren, um den Preis für das schwarze Gold auf hohem Niveau zu stabilisieren. Doch das ist der Opec offenbar nicht gelungen wie erhofft, denn bis Donnerstagvormittag ist der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent am Spotmarkt wieder auf rund 93 Dollar gesunken.

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Wie abhängig ist Deutschland bei Diesel von Russland?

„Die Situation bei Diesel ist weitaus komplizierter“, betont der ADAC, der den Selbstzünder-Sprit „dramatisch überteuert“ sieht. Da waren zum einen die Streiks in Frankreich. Drei Wochen lang wurden dort Raffinerien bestreikt. Das trieb nach Expertenangaben die Großhandelspreise für die verschiedenen Treibstoffarten in die Höhe. Was wiederum bei Diesel nicht entsprechend durch die rückläufigen Rohölpreise gedämpft werden konnte. Denn hier spielen noch andere Marktfaktoren eine Rolle als bei Benzin.

Einem internen Regierungspapier zufolge, aus dem die Bild-Zeitung zitiert, konnte Deutschland zumindest bis August die Abhängigkeit von russischem Öl und vor allem Diesel nicht reduzieren, wie erhofft. So kamen im August 34 Prozent der Rohölimporte aus Russland – und rund 40 Prozent der Diesel-Importe. Welchen Einfluss das genau auf die aktuelle Dieselpreis-Entwicklung hat, ist jedoch unklar. Hinzu kommt die starke Verbindung von Diesel und Heizöl, auch bei den Preisen.

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Wie hängen Diesel- und Heizölpreise zusammen?

Beide werden aus sogenanntem Gasöl hergestellt, ein der Bestandteile, der bei der chemischen Zerlegung von Rohöl entsteht. Und der Preis von Gasöl ist kontinuierlich gestiegen – an den Warenterminbörsen in London und New York etwa von rund 800 Euro vor dem Ukraine-Krieg auf ca. 1.100 Euro je Tonne. Mitte Oktober lag der Preis sogar jenseits der 1200 Euro. Hinzu kommt der saisonale Faktor. „Denn die vor dem Wintereinbruch typische erhöhte Nachfrage nach Heizöl treibt die Preise im Herbst immer an – und damit auch die Dieselpreise“, sagte Steffen Bock, Geschäftsführer Tank-Portals clever-tanken.de, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Welche Rolle spielt die Industrie?

Es gibt es aber noch einen weiteren Grund, warum die Nachfrage nach Heizöl und damit auch die Preise für Gasöl und Diesel derzeit besonders steigen. Der ADAC spricht von einem hohen „Heizölbedarf in der Industrie als Gasersatz“. Heißt: Es gibt etliche Unternehmen, die in der Produktion normalerweise Erdgas einsetzen, aber auf Heizöl ausweichen können und sich nun mit entsprechenden Vorräten eindecken. Heizöl ist zwar auch viel teurer geworden, aber nicht in dem Maße wie Gas.

Wie lauten die Prognosen für die nächsten Monate?

„Die aktuelle Entwicklung der Kraftstoffpreise wird sich vermutlich nicht entspannen“, so Bock. Und auch der ADAC fürchtet, dass der Dieselpreis sich weiter vom Benzinpreis entkoppelt – und noch steigt. Hintergrund sind Analysten zufolge unter anderem rückläufige Diesel-Lagerbestände. So geht das britische Energie-Beratungsunternehmen Wood Mackenzie davon aus, dass im Februar die in Nordwesteuropa gelagerten Diesel-Mengen auf den niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren sinken werden. Denn im Februar verhängt die EU weitere Sanktionen gegen Russland, konkret gegen Lieferungen von raffiniertem Erdöl und Ölprodukten auf dem Seeweg. „Der Rückgang im Februar wird mit saisonal hoher Nachfrage erwartet“, so Wood Mackenzie. Das Embargo trifft auf eine bereits schwache Verfügbarkeit. So erwarten Analysten des Beratungshauses Energy Aspects dem RND zufolge, dass Europa bei Diesel bereits in diesem Quartal in eine Mangellage hineinläuft. Wegen ohnehin niedriger Lagerbestände, Wartungsarbeiten an Raffinerien in Europa und im Zuge der Pandemie geschlossener Raffinerien.