Insolvente Mieter können gar nicht zahlen

Adidas hat den Stein ins Wasser geworfen, ist aber zurückgerudert und zahlt nun wieder Miete – wie hier in Frankfurt. Foto: dpa
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Handelsriesen brauchen es nicht zwingend. Bei kleinen Ladengeschäften geht es um die Existenz. Ist Mietnachlass statt Stundung die Lösung? .

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DARMSTADT/MAINZ. Dem Restaurant an der Ecke, dem Friseursalon und Gemüseladen sowie Kleingewerbetreibenden generell sollte in der Corona-Krise geholfen werden. Mit dem Vorpreschen von Adidas und Co, welche die Möglichkeit beim Schopf ergriffen, Miet- und Nebenkostenzahlungen zu stoppen, hatte jedoch keiner gerechnet. Damit wurde all jenen ein Bärendienst erwiesen, die gerade um ihre Existenz kämpfen und im Dialog mit den Vermietern stehen.

Justizministerin Christine Lambrecht jedenfalls sieht ihr Gesetz zum Corona-Schutz von finanzstarken Mietern mit großen Namen missbraucht. Mehrere Bundesminister, der Deutsche Mieterbund und der Eigentümerverband Haus & Grund kritisierten das Vorgehen ebenfalls scharf. Kritiker bemängeln andererseits jedoch auch handwerkliche Fehler, die der Bundesregierung unterlaufen seien. Angesichts der komplexen Herausforderungen und des Zeitdrucks sind solche Mängel aber kaum vermeidbar.

Für Immobilienfachmann Thomas Rupp, Geschäftsführer der Darmstädter ADH Deutschland GmbH, gibt es nur einen Weg aus dem Dilemma: Eigentümer und Gewerbemieter sollten sich wegen der Corona-Krise auf Mietnachlässe einigen. Wenn die Liquidität bedroht sei oder Eigentümer keine Verhandlungsbereitschaft zeigten, sollten Mieter die Mietzahlungen mit sofortiger Wirkung bis zum 30. Juni aussetzen. „Ein äußerstes Mittel, das liquiden Mietern unter verhandlungsbereiten Eigentümern nicht gut zu Gesicht steht“, sagt Rupp. Denn in der Corona-Krise gelte mehr denn je: Beide Seiten sitzen in einem Boot.

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Der Verwaltungsdienstleister ADH betreut bundesweit Gewerbemieter an mehr als 3000 Standorten, optimiert Mietverträge und prüft Betriebskostenabrechnungen auch für die ganz großen Namen aus dem Einzelhandel. Derzeit liefen viele Gespräche, wobei sich auf der Vermieterseite Pensionsfonds, die ein Drittel ausmachen, besonders hartleibig zeigten. „Da muss ich dann schon mal auch in Luxemburg anrufen“, so Rupp. Die Fraktion der Unwilligen, wie er sagt, die sich hinter großen Verwaltungen verstecken, verwiesen auf Staatshilfen oder seien einfach nicht erreichbar.

Zulässig ist die umfängliche Stundung der Miete, erklärt ADH-Jurist Jens Arntzen: Die Bundesregierung hat das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie auf den Weg gebracht. Danach dürfen neben privaten auch gewerbliche Mieter die Mietzahlungen zunächst für drei Monate einstellen, ohne dass ihnen Kündigungen drohen. Nachgewiesen werden muss freilich, dass die Mietschulden auf den Auswirkungen der Pandemie beruhen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug grundsätzlich bestehen und muss bis spätestens 30. Juni 2022 erfolgen. Danach ist nach dem derzeitigen Stand eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückständen wieder möglich.

Rupp rät zur gütlichen Einigung. Entgegenkommen sei für Eigentümer auch wirtschaftlich vernünftig. Zumal der Höhepunkt der Entwicklung bislang nicht absehbar ist. „Insolvente Mieter können gar nicht zahlen und in Zeiten der Rezession zieht Leerstand oft Leerstand nach sich und eine Abwärtsspirale der Mietzinsen. Das gilt es gemeinsam zu verhindern.“

Störung der Geschäftsgrundlage

Auch juristisch seien Mietnachlässe geboten, so Rechtsanwalt Arntzen. Für die Zeit der behördlichen Schließungen könnten viele betroffene Gewerbemieter ganz von der Leistungspflicht entbunden sein. Dann nämlich, wenn vertraglich ein Mietzweck vereinbart wurde, etwa „zur Nutzung als Restaurant“ oder als „Einzelhandelsgeschäft“ und dieser Zweck nun nicht erfüllt wird. Auch aus einer Störung der Geschäftsgrundlage könnten sich „Ansprüche auf Minderung bis auf Null ergeben“.

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„50 Prozent Nachlass bei der Grundmiete und den Betriebskosten bis Juli 2020 sind derzeit eine übliche Verhandlungsgrundlage“, sagt Rupp. Die Androhung der Stundung hält er für das geeignete Mittel von Mietern, falls die Einigung über Nachlässe scheitern sollte.

Von Achim Preu