Höhle der Löwen: So viele Gründer gehen tatsächlich pleite

Die Unternehmer Georg Kofler, Nils Glagau, Dagmar Wöhrl, Gast-Löwin Diana zur Löwen, Moderator Amiaz Habtu und Unternejmer Ralf Dümmel kommen zum Screening der neuen Staffel „Die Höhle der Löwen”.
© dpa

In Medienberichten ist von einer Quote von 21 Prozent die Rede. Wir zeigen, dass solche Zahlen falsch sind und wie sich Start-Ups, die einen Deal ergattern, tatsächlich schlagen.

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Köln/Berlin/München. „Die Höhle der Löwen” gibt es schon seit mehr als acht Jahren. Regelmäßig erzielt die Start-up-Sendung Spitzen-Einschaltquoten. Und auch sonst sind die Zahlen beeindruckend. Nach Angaben von Creditsafe, einer Wirtschafts- und Bonitätsauskunftei ähnlich der Schufa, haben in elf Staffeln (die zwölfte läuft derzeit) fast 600 Glücksritter den millionenschweren „Löwen” ihre Geschäftsideen präsentiert. Auch aus der Region sind einige Start-ups dabei. Zum Beispiel „Standsome“ aus Mainz, „Mineatouring“ aus Nieder-Olm oder „Xeem“ aus Darmstadt. 321 Gründer haben schließlich einen Deal mit den Investoren ergattert.

Wie viele Deals platzen nach dem Abschluss?

Die meisten Deals funktionieren, es gibt aber auch einige, die scheitern. So platzt laut Creditsafe nach der Sendung immerhin noch jede fünfte Vereinbarung. Zwar schaffen es einige der 248 Deal-Unternehmen tatsächlich auf die Überholspur, doch ein Löwen-Investment ist keine Garantie für den Erfolg. Es sei zwar ein erster Schritt, „der eigentliche Marathon beginnt aber erst nach der Show. Sofern die Zusammenarbeit bestehen bleibt, müssen sich die jungen Start-ups am Markt behaupten”, betont Creditsafe. Die kurzzeitige Aufmerksamkeit durch den Fernsehauftritt sei schnell verflogen, „sodass die Firmen danach mit stimmigen Marketingkonzepten und ihrem eigentlichen Produkt überzeugen müssen.” 

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Welche spektakulären Löwen-Pleiten gibt es?

Das gelingt nicht allen. So führte die öffentliche Schlammschlacht von David Schirrmacher, dem Gründer des Herrenausstatters „Von Floerke“ aus Staffel zwei, mit Investor Frank Thelen geradewegs in die Insolvenz. Und vielen sind sicherlich die „Pinky Gloves” zur hygienischen Entsorgung von Periodenprodukten in Erinnerung, die zwar einen Deal mit Investor Ralf Dümmel und mediale Aufmerksamkeit bekamen - allerdings direkt im Nachgang auch einen enormen Shitstorm. Von dem sie sich nicht mehr erholten, sodass der Deal aufgelöst wurde. 

In diesem Jahr erwischte es überdies die seinerzeit gefeierten Gründerinnen von „Kuchentratsch”: Omas und Opas backen Kuchen und tratschen. Das bessere nicht nur die Rentenkasse auf, sondern helfe auch gegen Einsamkeit. Die fertigen Kuchen werden dann durch die Omas und Opas in München geliefert oder versendet. Die Löwen Carsten Maschmeyer und Dagmar Wöhrl waren so begeistert, dass sie für zehn Prozent der Anteil 100.000 Euro investierten. Doch vier Jahre später, im Juli 2022, kam das Ende.

Wie viele Deals gehen tatsächlich pleite?

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Wie sieht es insgesamt aus? Recherchen dieser Zeitung ergaben, dass laut den Zahlen von Creditsafe bis Ende vergangenen Jahres von den 225 Start-ups, die einen Deal ergatterten und von den Datenbanken der Auskunftei als Unternehmen identifiziert werden konnten, 23 Deals entweder vom Markt verschwanden oder pleitegingen. Konkret lösten sich 18 auf und gingen gerade mal vier insolvent. Ein Unternehmen ist als inaktiv gelistet. Macht eine Insolvenzquote, bezogen auf die 225 Fälle, von 1,8 Prozent. Die Abbruchquote liegt insgesamt bei rund zehn Prozent. Gemessen an allen an der Sendung teilnehmenden Start-ups verschwinden wieder 14 Prozent. Das sind deutlich bessere Zahlen, als Creditsafe in einer Pressemitteilung selbst vermeldet hatte und die von vielen Medien zitiert wurden. Demnach sollten 21 Prozent der Unternehmen, die an der Höhle der Löwen teilgenommen haben, „mittlerweile durch Insolvenz oder Auflösung vom Markt verschwunden” sein. Creditsafe rückte auf Nachfrage dieser Zeitung die Zahlen zurecht.

Wie sind die Zahlen zu bewerten?

Ist eine Abbruchquote bei den Deals von zehn Prozent nun viel oder wenig? Der „Bundesverband Deutsche Startups“ äußert sich zurückhaltend. Ein großer Verdienst der Höhle der Löwen sei sicherlich, „für das Thema Unternehmensgründung eine hohe Aufmerksamkeit in der Breite zu schaffen”, sagt ein Sprecher. Die Sendung sei aber ein Unterhaltungsformat, ein tatsächlicher Start-up-Pitch sehe anders aus, überdies seien die Teilnehmer “meist noch sehr frühphasig und die Pitchenden Quereinsteiger.”

Deutlicher wird da Ruth Schöllhammer, Vorstandsvorsitzende beim Deuschen Gründerverband. Sie schätzt das Ergebnis sehr positiv für die Sendung ein. „Das sind gute Zahlen. Üblicherweise verlassen rund 30 Prozent aller Gründungen den Markt vorzeitig – häufig aus persönlichen Gründen, ohne Insolvenz”, sagt sie unter Verweis auf den Gründungsmonitor der KfW. „Heißt: Die meisten Start-ups, die es in die Höhle der Löwe geschafft haben, haben ein professionelles Controlling und Früherkennungssystem sowie eine plausible Planung. Kurz: Sie machen ihre Hausaufgaben.”

Was sagt Löwe Ralf Dümmel zur Diskussion?

Offenbar spielt auch eine Rolle, mit welchem Löwen die Gründer einen Deal abschließen. So betonte Ralf Dümmel zuletzt in einem Interview mit capital.de: „Wir hatten von 135 Deals bislang nur eine Insolvenz. Und bei Dingen, die wir abgeschlossen haben, sind die Gründer immerhin mit Gewinnen aus den Erstverkäufen rausgegangen. Da wurde irgendwann nur nichts mehr nachbestellt.” Er verweist auch auf einen wichtigen Unterschied. Und zwar darauf, dass es sich bei den Löwen-Deals um Risikokapital finanzierte Unternehmen handelt. Es gebe viele Erhebungen, wonach nur eines von zehn solcher Start-ups das erste Jahr überlebe.

Allerdings sind die, die es geschafft haben, nicht ganz auf der sicheren Seite. So kommt Creditsafe für die Löwen-Deals auf eine durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit - also inwieweit eine Firma in den nächsten 12 Monaten womöglich insolvent gehen könnte - von 2,5 Prozent. Jedes dritte noch aktive Unternehmen habe eine Insolvenzwahrscheinlichkeit von über drei Prozent. Was als hoch eingestuft und zu einer Herabstufung der Bonität führt. Der Durchschnitt aller Unternehmen in Deutschland liegt den Angaben zufolge bei 1,25 Prozent.