Gas- und Strompreisbremse berechnen sich nach dem für 2022 prognostizierten Verbrauch. Doch was gilt bei Kunden, die 2023 die Wohnung wechseln?
Region. Rund 9,4 Millionen Menschen in Deutschland werden in diesem Jahr umziehen, das ist zumindest die Prognose des Versorgers EnBW. Mit einem Umzug ist stets einiges an Papierkram verbunden. So müssen auch Gas- und Stromanschluss umgemeldet werden, zumindest dann, wenn das nicht direkt über den Vermieter läuft. In diesem Jahr stellt sich dabei zusätzlich die Frage: Wie wirkt sich ein Wohnungswechsel auf die Entlastung der persönlichen Energierechnung durch Gas- und Strompreisbremse aus?
Allgemein gilt für private Verbraucher: 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Verbrauchs sind im Jahr 2023 im Preis gedeckelt: Für Gas liegt die Preisbremse bei 12 Cent je Kilowattstunde, beim Strom sind es 40 Cent. Für alles, was über diesen 80 Prozent verbraucht wird, gelten die (meist deutlich höheren) Marktkonditionen der Versorger. Doch welcher Verbrauch wird im Falle eines Umzugs herangezogen? Müssen Menschen, die aus einer kleineren Wohnung (niedriger Verbrauch) in einer größere oder in ein Eigenheim ziehen, sich vor den Energiekosten fürchten, weil sie nur ein vergleichsweise bescheidenes Gas- und Stromkontingent zu gedeckelten Preisen bekommen?
Eine Antwort auf die Frage ist gar nicht so leicht zu bekommen
Das Bemerkenswerte: Weder die einschlägigen Übersichten der Verbraucherzentralen noch die ausführlichen Erläuterungen der Bundesregierung geben Auskunft zu dieser Frage. Auch die Versorger äußern sich auf Nachfrage zurückhaltend und verweisen auf Ausführungsbestimmungen des Gesetzgebers. Der Bundesverband Verbraucherzentralen lässt auf Nachfrage lapidar wissen: „Zur Ausgestaltung des Gesetzes fragen Sie bitte in der Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums an. Es ist vermutlich besser sprechfähig zur entsprechenden Regulierung.”
Das Bundeswirtschaftsministerium erläutert auf seiner Homepage lediglich die Frage eines Anbieterwechsels ohne Umzug. Dabei wird betont, dass ein solcher Wechsel weiter möglich sei. Allerdings dürfe der neue Versorger die staatliche Entlastung erst dann weitergeben, „wenn der Verbraucher ihm eine Rechnungskopie des ursprünglichen Lieferanten vorgelegt oder anders sichergestellt hat, dass für die Entlastung beim neuen Versorger das richtige Entlastungskontingent zugrunde gelegt werden kann”.
Die Lösung: Paragraf 10 des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes
Eine Nachfrage im Ministerium fördert schließlich die Antwort zutage. Sie findet sich in Paragraf 10 des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes (EWPBG). Im schönsten Paragrafendeutsch ist dort festgehalten, dass jeweils die Verbrauchswerte der neu bezogenen Wohnung maßgeblich sind. Beispiel 1: Der Mieter oder Eigentümer der neu bezogenen Wohnung schließt einen neuen Vertrag mit dem bisherigen Versorger der Wohnung ab. Dann wird die für die betreffende Wohnung geltende, für September 2022 prognostizierte Jahresverbrauchsprognose herangezogen. Denkbar ist – Beispiel 2 – auch der Fall, dass der Umzügler bei seinem Gas- und Stromversorger bleibt. Auch dann werden die bisherigen Verbrauchswerte der neuen Wohnung zur Berechnung der Preisbremsen herangezogen; diese Werte müssen dann vom Netzbetreiber kommen – das kann der bisherige Versorger des Anschlusses sein, muss aber nicht.
In vielen Fällen – Beispiel 3 – haben Mieter oder Eigentümer gar keine Möglichkeit, ihren Versorger selbst zu wählen, zumindest beim Gas. Vor allem in größeren Mietobjekten ist der Vermieter der Kunde des Energielieferanten für die zentrale Heizungsanlage; abgerechnet wird dann zunächst zwischen Versorger und Vermieter und anschließend zwischen Vermieter und Mieter. Ähnliches gilt für Eigentümergemeinschaften. Auch hier „erbt” jeweils der neue Bewohner der vier Wände die Verbrauchswerte des Vornutzers. Das kann – je nach dessen Heizgewohnheiten – ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein.
Für alle Wohnungswechsler, die in eine größere Behausung ziehen, bleibt jedenfalls die beruhigende Nachricht: Ihre niedrigeren Verbrauchswerte aus der alten Wohnung fließen nicht in die Berechnung ihrer Entlastung ein. Umgekehrt gilt für alle, die sich bei den Quadratmetern verkleinern, dass sie ihre höheren Verbräuche nicht ins neue Domizil mitnehmen.
Jenseits dieser Regeln dürfte es eine Menge Sonderfälle geben. Was passiert zum Beispiel, wenn es für das neue Wohnobjekt keine Verbrauchswerte gibt, weil es sich um einen Neubau handelt oder die Heizung ausgetauscht wurde? Zweierlei ist sicher: Auf die Versorger kommt eine Menge Arbeit zu. Und die Verbraucher sollten die Schreiben der Versorger zur Umsetzung der Preisbremsen genau überprüfen.