Auch der Chef darf die Corona-App nicht anordnen

Mobiltelefone tauschen sich aus und warnen gegebenenfalls vor einem Infektionsrisiko. So einfach das Prinzip der Warn-App, so komplex die Rechtslage in der Arbeitswelt. Foto: dpa

Eine Verpflichtung, die Corona-Warn-App auf dem Diensttelefon zu installieren, ist nur unter bestimmten Voraussetzungen in Ordnung. Privatgeräte gehen den Arbeitgeber nichts an.

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SÜDHESSEN. Die Corona-Warn-App ist da. Es wird viel über den Sinn und Nutzen diskutiert. Ein Punkt jedoch wird stets unterstrichen: Die Nutzung der App soll freiwillig bleiben.

Gilt das auch in der Arbeitswelt? Hätte die App zum Beispiel die jüngsten Ausbrüche des Erregers in den Fleisch verarbeitenden Betrieben verhindern oder wenigstens eindämmen können? Dann wäre – unter Berücksichtigung des Weisungsrechts, aber wohl auch mit Blick auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – zumindest darüber nachzudenken, ob der Chef die Installation der App auf dem (privaten) Smartphone der Mitarbeiter anordnen darf?

Mit Blick auf das Weisungsrecht ist das wohl nicht möglich. Denn das ist auf den betrieblichen Bereich beschränkt. Der Arbeitgeber darf nicht in den Privatbereich seiner Mitarbeiter eingreifen. Dazu gehört auch das private Smartphone der Beschäftigten. Mit einem „Installations-Zwang“ würde zudem erheblich in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingegriffen. Aber: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers könnte es erlauben, dass der Chef die verpflichtende Nutzung der Corona-Warn-App auf dem Diensthandy anordnet. Das Problem an dieser Stelle ist, dass ein Diensthandy üblicherweise auch nach Dienstschluss beim Angestellten bleibt. Somit würde die App Daten speichern, die nach Feierabend gewonnen werden. Damit liege dann wieder ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Ein solcher kann nur gerechtfertigt sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers an einem effektiven Gesundheitsschutz höher einzustufen ist als einzelne Interessen der Angestellten im Rahmen ihrer Persönlichkeitsrechte. Das ist dann anzunehmen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Gesundheit der Belegschaft zu schützen.

Wie auch immer: Auf jeden Fall müsste der Betriebsrat mit ins Boot geholt werden. Bei Fragen zur Ordnung des Betriebs und des Arbeitnehmerverhaltens muss er mitbestimmen. Das gilt immer, wenn – wie hier – eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Außerdem ist die Arbeitnehmervertretung anzuhören, wenn es um das Thema „technische Überwachung“ geht. Eine solche liegt spätestens dann vor, wenn geprüft werden kann, ob die Beschäftigten die App auch wirklich auf das Diensthandy geladen haben.

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Ob die Anordnung, die Corona-Warn-App installieren zu müssen, per Betriebsvereinbarung möglich ist, hängt davon ab, ob sich der Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter bereits durch behördliche Sicherheitsvorgaben umsetzen lässt. Beschäftigte, die im Einzelbüro ohne Kontakt zu anderen arbeiten, können sicherlich auch anders geschützt werden als durch die App. Für solche Konstellationen ist eine „App-Pflicht“ sicherlich nicht umsetzbar.

Es bleibt zusammenzufassen, dass Arbeitgeber Beschäftigte nicht ohne Weiteres dazu verpflichten dürfen, die Warn-App aufzuspielen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das aber möglich sein.

Von Maik Heitmann