Aktuelle Gerichtsurteile rund um Corona

Wieviel Abstand muss sein? Die Meinungen über den Sinn einzelner Corona-Maßnahmen gehen weit auseinander – mancher Disput landet vor Gericht. Foto: dpa
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Das man seine Zweitwohnung noch nutzen oder für eine Straßenbahn demonstrieren? Und müssen Angeklagte in U-Haft bleiben, bis wieder verhandelt werden kann?

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DARMSTADT. Das Corona-Virus breitet sich aus. Weiterhin beschäftigt es die Gerichte von Nord bis Süd. Mancher stellt die Schutzmaßnahmen und die daraus resultierenden Einschränkungen – zumindest teilweise – in Frage. Mit diesen Themen mussten sich Richter jüngst befassen:

Ende der Untersuchungs-Haft? Die Tatsache, dass die Freiheiten aller verordnet eingeschränkt werden, ließ einen Mann in Untersuchungshaft auf folgende Idee kommen: Er beantragte, aus der U-Haft entlassen zu werden, weil der Prozess gegen ihn wegen Mordes an seiner Ex-Freundin aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen ist. Der Mordprozess ist deswegen unterbrochen, weil die zahlreichen Beteiligten des Verfahrens – unter anderem Zeugen, Vorführungsbeamte, Gerichtswachtmeister oder auch Zuhörer – im Sitzungssaal nicht ausreichend vor dem Virus geschützt werden können. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hält die Verschiebung wegen des hohen Ansteckungsrisikos und der Gesundheitsgefährdung für gerechtfertigt. Die U-Haft durfte hierfür drei weitere Monate verlängert werden. (AZ: 1 Ws 84/20)

Eis essen gehen? Dass das Aufsuchen eines Eiscafés ein „nicht lebensnotwendiger Sozialkontakt“ ist, lehrt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden. Das hat den Antrag eines Eisdielenbetreibers abgelehnt, der sich gegen die behördlich verordnete Schließung richtete. Mit Blick auf drohende Gesundheitsgefahren durch das Virus selbst beziehungsweise durch eine Überforderung des Gesundheitssystems insgesamt sei die Maßnahme verhältnismäßig. Auch der „to go“-Betrieb wurde verboten. Kaffee- oder Eisspezialitäten gehören nicht zu den notwendigen Gütern zur Versorgung der Bevölkerung. (AZ: 7 L 246/20)

Zweitwohnung nutzen? Nachdem das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht bereits entschieden hat, dass Menschen, die sich in Nordfriesland in einer Zweit-, Neben- oder Ferienwohnung aufhielten, „ausreisen“ mussten (sofern ihr Erstwohnsitz woanders ist), wurde auch die Einreise solcher „Fremden“ verboten. Die „Untersagung der Anreise“ durfte wegen des öffentlichen Interesses für die Gesundheit aller Bürger ausgesprochen werden. Das private Interesse, die Wohnung aufzusuchen, müsse dahinter anstehen. In dem konkreten Fall ging es um einen Mann aus Hamburg, der zu seiner Nebenwohnung in St. Peter-Ording fahren wollte, aber nicht durfte. (AZ: 1 B 30/20)

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Gemeinsam demonstrieren? Ein Mann hat sogar versucht, eine geplante Demonstration durchzudrücken. Die Versammlung war mit Blick auf das Kontaktverbot zur Bekämpfung von Corona verboten worden.

Der Anmelder konnte sich nicht durchsetzen. Sein „grundrechtlich geschütztes Interesse an der Durchführung der Versammlung“ müsse zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung zurückstehen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erklärte, dass das Kontaktverbot befristet ist und das Anliegen – es ging um die Anbindung einer Straße an das Straßenbahnnetz – auch später behandelt werden könne. (AZ: 2 B 925/20)

Von Maik Heitmann