Der Sportverein als Erfolgsgeschichte mit langer Tradition, der Sportverein als Zukunftsmodell trotz aller Zerreißproben und moderner Herausforderungen. In diesem...
DARMSTADT. Der Sportverein als Erfolgsgeschichte mit langer Tradition, der Sportverein als Zukunftsmodell trotz aller Zerreißproben und moderner Herausforderungen. In diesem Spannungsfeld ließ Professor Lutz Thieme beim 33. Darmstädter Sport-Forum keinen Zweifel an seiner Intention. „Ich würde ihnen gerne Mut machen“, lautete einer seiner aufmunternden Sätze gegenüber Diskussionsteilnehmern nach seinem Vortrag zum Thema „Zukunft der Sportvereine: Wachstum, Mitgliederverlust oder Auflösung?“
Für Resignation sieht der Fachmann trotz der vielfältig analysierten und prägnant geschilderten Probleme keinen Anlass. Spätestens im Meinungsaustausch mit leidgeprüften Darmstädter Vereinsfunktionären verließ der Sportwissenschaftler von der Hochschule Koblenz, mit Schwerpunkt Sportökonomie und Sportmanagement, die Beobachterposition des Forschers. Erfahrungen als Vorsitzender des Großvereins SSF Bonn und als Präsident des Landessportbunds Rheinland-Pfalz, an dessen Spitze er seit Sommer steht, flossen ein. Sie gaben Thiemes Vortrag die Wirkung als Anwendungshilfe für die Praxis. Sie vermittelten Zuversicht und mündeten vor rund 100 Zuhörern im Alten Maschinenhaus der TU Darmstadt in Appellen und Tipps. Hauptbotschaft: den ursprünglichen Wert des Vereins mit seiner Mitgliederorientierung nicht zugunsten reiner Kundenorientierung aufzugeben, um eventuell als Dienstleister mit kommerziellen Anbietern zu konkurrieren.
Thieme räumte zwar ein, dass dies eher konservative Werte seien. „Doch wenn wir die Unterschiede nicht genau deutlich machen, dann haben wir es schwer.“ Entsprechend gehörte es zu einer Thesen über mögliche Entwicklungen, dass sich der Durchschnitts-Sportverein in Zukunft wieder mehr auf diese traditionellen Werte besinnen werde. „Ich persönlich glaube, dass das eine weise Entscheidung wäre.“ Doch er sieht noch andere, sich zum Teil widersprechende Tendenzen. So würden viele Sportvereine ihr Angebot noch erweitern und in die Rolle von Stadteilvereinen wachsen, andere würden derweil vom Druck zur Digitalisierung überfordert. Zudem prophezeit der Wissenschaftler eine sich fortsetzende Entkopplung von Breiten- und Leistungssport, wachsende Abhängigkeit der Vereine von der Finanzkraft der Kommunen und zunehmenden Druck zur Professionalisierung.
Ob Fusionen eine Lösung sein könnten, stellte Thieme in Frage. „Denn zwei Vereine, die friedlich vor sich hin sterben“, könnten womöglich in einem Ort mehr bewirken, als ein großer Verein, mit dem sich keiner identifiziere. Über ein erweitertes Angebot erst Kunden „zu ködern“ und diese dann zu Mitgliedern zu machen, sei ein Weg. Aber dies müsse gut justiert sein, „sonst besteht die Gefahr, dass es kippt. Wenn die Mitglieder den Eindruck haben, dass sie die Letzten sind, die noch irgendwas mit Ehrenamt machen, dann werden sie ihr Engagement zurückfahren.“
Letztlich hielt der 52 Jahre alte ehemalige DDR-Leistungsschwimmer ein Plädoyer für eine transparente Vereinskultur, deren ehrenamtliche Grundlage immer wieder neu signalisiert werden müsse. „Es gibt noch genügend Menschen, die weniger dienstleistungsorientiert sind“, beteuerte Thieme. Auch junge Menschen, wie er sie unter seinen Studenten kenne, die sich allerdings oft von alten Vorständen genervt fühlten. Man müsse ihnen „auch den Platz frei machen für eigene Erfahrung, für eigenes Engagement, sonst kriegen wir sie nicht.“ Der Verein könne vielmehr „eine Plattform bilden, sich auszuprobieren“, was in Familie oder Schule nicht mehr gehe. „Ich werbe dafür, das zu versuchen.“
Von Volker Bachmann