Der organisierte Sport hat Zukunft, aber er muss sich einiges einfallen lassen, um diese in seinem Sinne mitzugestalten. So ließ sich der Tenor des Auftaktvortrags beim 33....
DARMSTADT. Der organisierte Sport hat Zukunft, aber er muss sich einiges einfallen lassen, um diese in seinem Sinne mitzugestalten. So ließ sich der Tenor des Auftaktvortrags beim 33. Darmstädter Sportforum zusammenfassen, gehalten von Veronika Rücker zum Thema „Der organisierte Sport der Zukunft – Leitbild und Visionen“. Dass die Spitzenfunktionärin ihr Arbeitsfeld nicht grundsätzlich in Frage stellt oder ihm die nötige Erneuerungsfähigkeit abspricht, das erklärt sich aus ihrer Aufgabe: Sie ist Vorstandsvorsitzende des nationalen Dachverbands, des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Im Selbstverständnis lange die Schaltzentrale für alles, was sich in „Sportdeutschland“ bewegt.
Inzwischen hat der DOSB eine Art Selbstfindungsprozess begonnen, von dessen Stand die Frau an der Spitze, die in Frankfurt eine Geschäftsstelle mit 230 Mitarbeitern führt, in einem „Schnelldurchritt“ berichtete. Einer der Schwerpunkte dabei das neue Leitbild des DOSB, in dem der Dachverband seine Positionen darlegt und Versprechen gegenüber Athleten und Athletinnen, den Mitgliedern und der Gesellschaft abgibt. Quasi als Grundsatzkompass, den man „immer wieder heranziehen“ könne.
Veronika Rücker umriss ein dynamisches Bild. Bestandsaufnahme, Grundsatzdiskussion, Zielanalyse, Zukunftsstrategie. Selbstbewusst strich die 48-Jährige, die seit Anfang des Jahres als DOSB-Chefin wirkt, die Stärken von Sportdeutschland auch unter den sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen heraus: den hohen Mobilisierungsgrad, die großen Gesundheits- und Bildungsfaktoren, die volkswirtschaftlichen Effekte. Ein optimistisches Plädoyer für den organisierten Sport allgemein und für die Vereine im Speziellen: „Sie sind das Herz.“
Einiges verpackt wie in einer Werbebotschaft oder typischen Ausdrücken von Unternehmensberatern. Rückers daraus abgeleitete Forderungen erschöpften sich aber nicht darin, dass der „Markenkern“ nur noch besser präsentiert und „immer wieder platziert“ werden müsse. Aufgabe des DOSB sei es zwar, betonte sie, die Lobbyarbeit gegenüber der Politik weiter zu verstärken. „Wir brauchen finanzielle Unterstützung.“ Gerade der Investitionsstau bei Sportstätten sei ein großes Problem. Dabei stünde längst fest: „Die Investitionen in den Sport rechnen sich.“
Doch die Verbände hätten selbst „einiges an Nachholbedarf“, wenn es um „unternehmerische Orientierung“ gehe. Während sie dem Vereinssystem in den nächsten zehn Jahren zutraut, „unter minimalen Rückläufen“ stabil zu überdauern, sieht Rücker die Verbände bei Innovationen zunehmend in der Pflicht. So gelte es, Strukturen „kritisch zu überdenken“, Bürokratie abzubauen – zumal ja die Digitalisierung neue Möglichkeiten ergebe.
Ihre Vision des modernen DOSB, der für seine 101 Mitgliedsverbände Innovationsmanager sein soll, bildet jedenfalls eine Herausforderung. Er soll auf vielen Feldern ganz oben mitspielen, als Gestalter der Leistungssportstruktur, als Serviceanbieter, als wichtiger Akteur in der Gesellschaft, als effiziente Organisation mit kreativen und kompetenten Mitarbeitern – dazu auch noch mit einer „positiven Fehlerkultur“.
Eine Herausforderung stellt sicher auch der E-Sport. Hier präzisierte Rücker den Entschluss des DOSB, der das „E-Gaming“ mit den Ego-Shooter-Spielen nicht unter seinem Dach haben will, „weil das nicht zu unseren Werten passt.“ Davon unterscheide der DOSB aber die „virtuellen Sportarten“, also digitalen Spiele mit Sportbezug. In diesen sieht der Dachverband durchaus Potenzial zur Weiterentwicklung, auch für die Vereine. Bei den etwa 60 Zuhörern, darunter viele Ältere aus der Ehrenamt-Szene, gab es dafür auch in der anschließenden Diskussion keinen Widerspruch.
Von Volker Bachmann