Die Eröffnungsfeier 1972 ist bunt, am Ende siegt der Sport über den Terror. Auch deshalb ist München stolz auf seine Sommerspiele, auf Rekorde, Medaillen und besondere Geschichten.
MÜNCHEN. München ist elektrisiert. Die Vorfreude auf die sportlichen Höhepunkte ist in und um den Olympiapark riesengroß. Was sich liest, wie die Wiederholung der Ankündigung zu den gerade erst zu Ende gegangenen European Championships galt in besonderem Maß vor allem für die richtigen Sommerspiele 1972. 36 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin sehnten sich Leichtathleten, Schwimmer, Turner, Ringer oder Hockeyspieler nach erfolgreichen, aber auch fried- und freudvollen Wettkämpfen ohne politische Attitüden. Nach den überaus stimmungsvollen Fußball-Europameisterschaften in Belgien mit dem Titel für das westdeutsche Team war die Lust auf Sport im Spätsommer 1972 ungebrochen hoch.
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So viele Teilnehmer wie noch nie zuvor
Als die mehr als 10.000 Athleten und Betreuer aus 121 Nationen am 26. August während der Eröffnungsfeier ins Münchner Olympiastadion marschierten und damit einen neuen Teilnehmerrekord aufstellten, träumten Zuschauer und Sportler gleichermaßen von Höchstleistungen, Medaillen und Ehrenrunden, womöglich mit der eigenen Landesfahne. In 195 Wettkämpfen maßen sie sich bis zum 11. September, erleben Siege, Rekorde, persönliche Bestleistungen, scheiterten, blamierten sich oder mussten Schockmomente überwinden. 195 Medaillensätze aus Gold, Silber und Bronze warteten auf altbekannte und neue Helden.
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Günter Zahn trug als Schlussläufer das Symbol der Spiele, das Olympische Feuer, ins Stadion, entzündete die Flamme, umjubelt. Dass der 18-Jährige, immerhin Jugendmeister über 1.500 Meter, inspiriert von diesem 26. August 1972, später einmal eine sportliche Karriere als Langstreckenläufer machen würde, stand ebenso in den Sternen wie die sensationelle Ausbeute des US-Schwimmers Mark Spitz, der bei sieben Starts sieben Goldmedaillen erbeutete und zum Topstar der Spiele avancierte, die erste Medaille für den afrikanischen Staat Niger überhaupt oder, dass die Spiele erst an einem Montag zu Ende gingen, weil ein tödlicher Terroranschlag auf das israelische Olympiateam eine Unterbrechung der sportlichen Wettkämpfe, eine klare Positionierung des IOC und eine Trauerfeier notwendig machte.
Die Fünfkämpferin Heidi Schüller sprach den Olympischen Eid. 3.000 Mädchen und Jungen aus dem Münchner Raum tanzten zu einem Kanon von Carl Orff den "Gruß der Jugend". "Es hieß, Strampel, Strampel, Hoppsa, Hoppsa - in diesem Takt mussten wir die Beine schwingen", erinnerte sich Renate Demel im Münchner Wochenanzeiger an das Auswahlverfahren und die Choreografie. "Wir haben geprobt bis zum Umfallen. Jede Schule für sich, wir mit unserem Konrektor." Auf den Tribünen schwenkten die Besucher bunte Nationalfähnchen, aber auch kleine Stoffversionen des erstmals gekürten Olympia-Maskottchens. Der Gestaltungsbeauftragte Otl Aicher hatte einen vielfarbigen Dackel entworfen, ihn "Waldi" getauft. Seine Vermarktung brachte den Olympia-Machern allein vor Beginn der Spiele weltweit mehrere Millionen D-Mark ein, wurde bis heute in verschiedenen Varianten mehr als fünf Milllionen Mal verkauft.
Olympia verändert die Stadt, die sich nun zurecht feiern lässt
IOC-Präsident Avery Brundage, der Chef des Organisationskomitees, Willi Daume, Bundespräsident Gustav Heinemann - sie alle trugen mit weisen Worten ihren Teil dazu bei, dass die 20. Olympischen Sommerspiele schließlich eröffnet wurden. Der Startschuss in äußerst herzliche Tage - auch wenn nach dem Attentat bei Olympia nichts mehr wie früher sein würde, wie Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Meyfarth später feststellte.
Olympia 1972 erzählte viele Geschichten: Skurille Geschichten wie die des Studenten Norbert Sudhaus, der sich in den Marathon mogelte, oder das jähe Ende des Goldtraums von US-Topsprinter Eddie Hart, der ein Rennen verpasste. Anrührende Geschichten wie die der 16-jährigen Meyfarth auf dem Weg zu Gold. Empörende Geschichten vom Hockey-Finale über ein böses Ballgeschiebe im fußballerischen Kampf um Bronze bis zur Siegerehrung des 400-Meter-Laufs. Helden-Geschichten, die der "Kran von Schifferstadt" genauso lieferte wie Speerwerfer Klaus Wolfermann oder Leichtathletin Heide Ecker-Rosendahl. Und natürlich erschreckende Geschichten, die am Tiefpunkt der Spiele am 5. September 17 Menschen das Leben kostete.
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50 Jahre nach der Eröffnungsfeier organisiert die Stadt ein buntes Programm an kulturellen und sportlichen Events, kostet die European Championchips wie eine Hommage an die Sportler von einst umfangreich aus, begeistert Millionen Menschen. München ist stolz auf diese Spiele. Nicht nur, weil sie stattgefunden haben. Weil sie große Leistungen, Dramen und Karrieren hervorgebracht haben. Weil sie geholfen haben, auch die städtische Infrastruktur rund um Olympiapark, -stadion, U-Bahn und Fußgängerzone zu entwickeln. Und weil nach Brundages "The Games must go on" am Ende der Sport über den Terror siegte.
Von Björn-Christian Schüßler