Olympiageschichte: Als Caitlyn Jenner noch Bruce hieß
Der US-Zehnkämpfer Bruce Jenner gewann 1976 in Montreal die olympische Goldmedaille.
Super-Athleten unter sich: Bruce Jenner (Zweiter von rechts) vor Guido Kratschmer 1976 in Montreal. Archivfoto: imago
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Von Ulrich Gerecke
Den jüngeren Zeitgenossen ist Caitlyn Marie Jenner vor allem bekannt als Stiefvater von Kim Kardashian und die Frau, die gerade eine Geschlechtsumwandlung abgeschlossen hat. Was viele nicht mehr wissen: Geboren wurde Jenner am 28. Oktober 1949 als Bruce William Jenner, der einmal der beste Zehnkämpfer der Welt war. In dieser Rolle lieferte er sich bei den Olympischen Spielen 1976 ein faszinierendes Duell mit einem wohlbekannten Mainzer.
Jenner war in Montreal als Weltrekordler und hoher Favorit angereist. Bis zur achten Disziplin lief es allerdings alles andere als rund für den mit vielen Vorschusslorbeeren und einem riesigen Marketing-Hype im Rücken angetretenen Amerikaner. Guido Kratschmer (23), EM-Dritter von 1974, lag ebenso vor ihm wie der Olympiasieger von 1972, Nikolai Awilow aus der UdSSR. Erst mit seinen Spezialdisziplinen Stabhochsprung, Speerwerfen und 1500 Meter drehte Jenner das Duell zu seinen Gunsten. Mit 8618 Punkten lag er am Ende klar vor Kratschmer (8411) und Awilow (8369). Nach der heutigen Zehnkampf-Punktetabelle hätte Jenner 8634 Punkte bekommen – es war sein dritter und letzter Weltrekord.
Verlockende Werbemillionen
Dass sich Jenner danach aus der offiziell noch als „Amateursport“ firmierenden Leichtathletik-Szene zurückziehen würde, war schon vor Montreal absehbar gewesen. Zu verlockend waren die Werbemillionen für den „König der Athleten“ mit der Celebrity-Attitüde. Jenner machte bald Werbung für Coca-Cola, Visa und MCI, stand vor Filmkameras, wurde auf Empfängen und in Fernsehshows herumgereicht.
Der Entschluss, von Bruce zu Caitlyn zu werden, reifte wohl schon in den achtziger Jahren, wurde aber erst drei Ehen später zur Realität. 2015 gab Jenner seine Geschlechtsumwandlung bekannt, ließ sich von Starfotografin Annie Leibovitz für den Titel von „Vanity Fair“ ablichten und erzählte ihre Geschichte in der Fernsehserie „I Am Cait“. Im vergangenen Jahr war Caitlyn Jenner die zweitmeistgesuchte Person auf Google, nach dem Basketballprofi und Drogenopfer Lamar Odom – Ex-Ehemann von Jenners anderer Stieftochter Khloé.
Die Karriere des Mainzers Kratschmer verlief derweil bodenständig, aber sportlich wechselhaft. 1980 war der Mainzer Topfavorit auf Olympia-Gold, wurde aber durch den Boykott ausgebremst. Als „Trostpflaster“ knackte er mit 8649 Punkten den Weltrekord. In Moskau triumphierte derweil Daley Thompson, später der überragende Zehnkämpfer der 1980er Jahre In Montreal war der Brite gerade einmal auf Platz 18 gelandet.