"Feindliche Übernahme": Bayern will HRV-Ringer haben

Ringen: BRV plant Einverleibung des Bezirks Main-Spessart. Bisher gehört dieser zu Hessen, für das viel auf dem Spiel steht. Verbands-Präsident Karl Rothmer übt scharfe Kritik.

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DARMSTADT. "Bayrische Ringer sollen ihre Medaillen für den bayrischen Verband holen", sagt Florian Geiger, Präsident des Bayrischen Ringer-Verbandes (BRV). Was erst einmal selbstverständlich klingt, war es im Ringerbezirk Main-Spessart freilich noch nie: Seit 1898 ist der Sportbetrieb in Goldbach, Haibach, Niedernberg und Co. wegen der räumlichen Nähe an Hessen angedockt. Der Bezirk ist im Hessischen Ringer-Verband (HRV) Vollmitglied und seine Einzelstarter und Mannschaften sind dort komplett integriert, während der Bezirk dem BRV nur verwaltungsrechtlich angeschlossen ist.

Geiger würde dieses uralte Konstrukt nun aber gerne aufbrechen. An diesem Freitag wird der Hauptausschuss des bayrischen Verbands dies bei seinem Präsidium nahezu sicher beauftragen. Der Bezirk Main-Spessart und der gesamte HRV um Präsident Karl Rothmer (Darmstadt) schlagen deswegen Alarm. Denn für den hessischen Verband und vor allem für das Ringer-Leistungszentrum (RLZ) in Aschaffenburg steht enorm viel auf dem Spiel.

Im HRV mit seinen vier Bezirken Darmstadt/Odenwald, Frankfurt, Nordhessen und Main-Spessart spielt letztgenannter trotz seiner Existenz jenseits der Landesgrenze eine zentrale Rolle. Denn noch immer zählt der bayrische Untermain zu den Kraftzentren des deutschen Ringens. Über alle Ligen hinweg werden Main-Spessart-Clubs mit 13 von 30 gemeldeten Männerteams auch in der Saison 2022 einen großen Anteil stellen. Mit dem SC Kleinostheim und dem KSC Hösbach kommen beide derzeitigen HRV-Erstligisten aus diesem Bezirk; bei Einzelmeisterschaften auf Landes- und Bundesebene gehen viele Topplatzierungen auf Main-Spessart-Ringer zurück.

Vor allem auf die Teilnahme der Main-Spessart-Ringer unter bayrischer statt hessischer Flagge zielt der BRV für die Zukunft ab. Ohne die Breite und Qualität der Main-Spessart-Athleten ließen sich im HRV aber weder die Besetzung von drei Trainerstellen in Voll- und zwei in Teilzeit noch der Betrieb des RLZ Aschaffenburg weiterhin rechtfertigen und finanzieren, obgleich das RLZ auch als Bundesstützpunkt firmiert und damit Bundesmittel generiert.

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HRV-Chef Rothmer hat sich deshalb vor wenigen Tagen in einem Schreiben an alle Vereine seines Verbandes gewandt: "Die Vereine des Bezirks Main-Spessart lehnen diese feindliche Übernahme zu 100 Prozent schriftlich ab und erklären eindeutig ihren Willen zum Verbleib im HRV", steht darin unter anderem. Der 75-jährige Darmstädter, der im Herbst noch einmal für das Präsidentenamt kandidieren dürfte, kritisiert, dass es dem bayrischen Verband vor allem um Geld und Macht gehe. Aspekte wie die traditionelle Zugehörigkeit der Main-Spessart-Vereine und ihre kürzeren Wege zur Konkurrenz aus Hessen blieben außen vor. "Hintergrund der Forderungen, dass die Main-Spessart-Vereine mit allen Konsequenzen eigentlich dem BRV angehören sollten, ist die Zuordnung der finanziellen Förderung der Kadersportler bei nationalen wie internationalen Erfolgen", glaubt Rothmer.

Werden Asse in HRV-Vereinen ausgebildet, erhält der hessische Verband Förderungen des Landessportbunds Hessen und des Hessischen Innenministeriums. Die Fördergelder für die Medaillen der Main-Spessart-Ringer wolle der BRV in Zukunft über bayrische Geldgeber aber "gerne in seine Taschen fließen lassen", lautet Rothmers zentraler Vorwurf. Gegen dieses Ansinnen werde man entschlossen vorgehen. "Eine feindliche Übernahme ohne Mitwirkung der beteiligten Vereine ist aus meiner Sicht rein rechtlich nicht möglich", sagt Rothmer.

Viele im HRV sorgen sich zudem, dass ein Wechsel der Main-Spessart-Einzelstarter bei Landes- und deutschen Meisterschaften nur der erste Schritt wäre und der BRV die Main-Spessart-Teams bald auch in seine Ligen integrieren wolle. Dann würden aus derzeit vier HRV-Ligen wohl zwei. Geiger bestreitet jedoch zumindest diese Absicht: "Die Main-Spessart-Klubs sollen von mir aus weiter in den hessischen Ligen mitringen", sagt er.