Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Wir brauchen den Glauben an unser Mainz-05-Wunder
Der Abstiegskampf geht in die entscheidende Phase. Schafft es Mainz 05? Wortpiratin Mara Pfeiffer beobachtet, dass die Wut der Fans über schwache Auftritte sich Bahn bricht. Sie beschwört Zusammenhalt. Und den Glauben an 05-Fußballwunder.
Von Mara Pfeiffer
Mainz 05-Fans im Stadion. Archivfoto: Sascha Kopp
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MAINZ - Eines der frühen Spiele, die der Zauberneffe live miterlebt hat, war die 0:4-Klatsche zu Hause gegen Hoffenheim im Spätsommer 2011. Gekrönt wurde der Nachmittag zum Vergessen, den man natürlich nicht vergisst, vom Eigentor, das der ewige NiNo schoss. Jakob hatte bis dahin live nur Siege gesehen und ihm platzte vor Wut fast der Kopf. Sein Frust entlud sich in der Frage: „Warum machen die nichts?“, die er stetig eskalierend wohl hundert Mal stellte.
Ich glaube, was viele Fans im Moment verspüren, ist genau diese Wut, die letztlich aus einer absoluten Hilflosigkeit resultiert. In den nächsten gut zwei Wochen entscheidet sich, ob unser Herzensverein in der kommenden Saison wieder in der ersten Liga antreten darf oder nicht, und in allerletzter Konsequenz müssen wir den Jungs auf dem Rasen dabei zuschauen, wie sie es für uns und den Verein richten – oder eben nicht. Das setzt Ängste frei und eben Wut, beides ist nicht gerade rational und zudem selten konstruktiv.
Wir wollen letztlich alle dasselbe
Also werden die Gefühle eben rausgelassen, Internet sei Dank. Vorm Treffen des Vereins mit den Fans in der Länderspielpause musste man Schlimmes befürchten, dann blieb die Kritik aber erfreulich sachlich im Ton. Im Netz ging es leider anschließend genauso weiter, wie vor dem Termin. Ich glaube, dass die Ängste um den Verein bei allen ähnlich sind, und würde mir so wünschen, dass sich die Erkenntnis durchsetzt: Wir wollen letztlich alle dasselbe, aber wir sehen dafür verschiedene Wege. Die permanenten Angriffe nutzen dabei niemandem.
Wie sollen wir ein gallisches Dorf sein, wenn Galligkeit vor allem im Umgang miteinander herrscht? Wenn jeder sportliche Rückschlag auf emotionaler Ebene das Wirken von Wochen zunichte macht? Wenn wir als Fans einander, den Verantwortlichen im Verein und auf dem Platz, immer erst mal etwas Negatives unterstellen? Aufsichtsrat doof, VIPs doof, Ultras doof, Trainer doof, Vorstand doof, Spieler doof. Das kann nicht funktionieren.
Ich weiß, den Ruf nach Zusammenhalt möchte niemand mehr hören. Und wer anspricht, dass die Sitten verrohen, dem wird unterstellt, Kritik sei unerwünscht. Falsch. Es kommt nur eben, ich werde nicht müde, das zu sagen, auf die Art und Weise an. Im Internet ist anscheinend nichts ein Widerspruch. Menschen protestieren gegen das Einschläfern eines Hundes, bevor sie Bilder ihres Grillfleischs posten und danach eine Runde den Trainer beleidigen. Und wer das Gefühl hat, den nicht erreichen zu können, mailt eben der Kolumnistin, dass sie eh mit ihm in die Kiste geht, sonst würde sie erkennen, dass er ein Versager ist. Niveau? Fehlanzeige.
Ja, Angst ist menschlich und vielleicht auch die Wut. Aber ich glaube, wir ziehen daraus die komplett falschen Schlüsse. Dazu gehört auch das immense Sehnen nach dem, was war, nach Kloppo, dem emotionalen Leader. Was haben wir gelacht über Kaiserslautern, die immer von ihrer Tradition faselten und dabei verpassten, ihre Gegenwart zu gestalten, weil die nicht ganz so groß und mitreißend ist. Wenn wir nicht aufpassen, machen wir denselben Fehler.
Wir müssen die Wut ummünzen in Aktion und uns zurückbesinnen auf das, was wir selbst in den Zeiten, die wir jetzt schon glorifizieren, anders gemacht haben. Was uns Fans ausgemacht hat, war der Glaube an unser Fußballwunder. In Zeiten, in denen es große Wunder brauchte, haben wir einfach vorausgesetzt, unser Glück erzwingen zu können. Aktuell stehen die Chancen so viel besser und doch erscheint alles viel aussichtsloser. Warum eigentlich?
Es gibt einiges, das wir nicht beeinflussen können. Unsere innere Einstellung gehört nicht dazu. Im Moment kann man den Eindruck kriegen, einigen warten nur darauf, im Abstiegsfall ihr „Das habe ich doch gleich gesagt“ loszuwerden. Das hat mit Mainz und unserem Verein nichts zu tun. Wir müssen bei uns selbst damit anfangen, wieder ein Teil des 05-Gefühls zu werden. Und nicht den Klassenerhalt zur Bedingung machen, um es wieder zu leben.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin