Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Protest ja, Bruch nein - Gemeinsam weiter kämpfen
Was wird am Ende übrigleiben, von diesem so denkwürdigen Spiel am Montagabend? Unterm Strich auf jeden Fall drei Punkte. Über das Drumherum herrscht deutlich weniger Einigkeit.
Von Mara Pfeiffer
Protestaktion der Mainz 05-Fans gegen Montagsspiele beim Heimspiel gegen den SC Freiburg. Foto: Werner Wenzel
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MAINZ - Was wird am Ende übrigleiben, von diesem so denkwürdigen Spiel am Montagabend in den Bretzenheimer Feldern? Unterm Strich auf jeden Fall drei Punkte, und das ist in der aktuellen Situation entscheidend. Über das Drumherum herrscht deutlich weniger Einigkeit. Während es natürlich jedem Fan zusteht, seine eigene Meinung zu den Geschehnissen zu bilden, lohnt sich zuvor aber ein Blick auf die Gesamtkonstellation, um vorschnelle Urteile zu vermeiden.
Als im Februar mit der Partie Eintracht Frankfurt gegen RB Leipzig das erste Montagsspiel der Saison anstand, veröffentlichte die DFL auf ihrer Homepage dazu erklärende Worte. Die fünf Montagspartien pro Saison sind von den Vereinen der 1. und 2. Liga abgesegnet worden. Die Begründungen für die Ansetzung lauten unter anderem: Entlastung der Europa League-Starter durch einen zusätzlichen Tag zur Regeneration und Schutz des Amateurfußballs, weil auf einen zusätzlichen Sonntagstermin in den obersten Ligen verzichtet wird. Wenn Mainz 05 nun, wie geschehen, als Verein die Ansetzung des konkreten Spiels gegen den SC Freiburg bei der DFL kritisiert, ist das völlig legitim. Weder Mainz noch Freiburg waren unter der Woche in Europa im Einsatz und der Verband muss sich die Frage gefallen lassen, wieso die Montagsspiele alle in die Rückrunde gelegt worden sind. Insofern setzt der Verein da ein gutes Zeichen.
Warum der Protest gegen die Montagsspiele?
Für viele Fans sind Montagsspiele eine Katastrophe. Das lässt sich nicht einfach wegwischen mit der Aussage: „In der 2. Liga gibt es die doch auch“, zumal der Protest dort ebenfalls anhält. Und das hat seinen Grund: Bis zu 17 Auswärtsfahrten pro Saison sind für die Fans – bei aller Liebe zum Verein – organisatorisch und finanziell eine Herausforderung. Wir reden hier zum Beispiel bei der Szene von Leuten, die einen großen Teil ihrer Freizeit damit zubringen, Fahnen zu erstellen, Choreografien zu erdenken und ihr Team überall hin zu begleiten. Was übrigens auch eine Menge Geld kostet. Klar, das machen die Leute freiwillig, auf der anderen Seite wäre die Verwunderung aber groß, wenn Mainz plötzlich ohne Anhang in die Fremde reisen würde. Warum aber der Protest gegen die Montagsspiele? Weil diese Ansetzung bei Auswärtspartien bedeutet, dass die Fans sich gleich zwei Tage freinehmen müssen – und das einfach auf Dauer nicht machbar ist. Und weil ein Spiel unter der Woche um halb neun schon daheim für viele Arbeitnehmer ebenso wie Kinder und Jugendliche schwierig bis gar nicht machbar ist.
In Mainz wurde deswegen nach den Protesten des Vereins bei der DFL am Wochenende mit einer kreativen Aktion ein Zeichen gesetzt: Um auf die fanfreundliche Spielzeit samstags, halb vier, hinzuweisen, haben Fanteams aus Freiburg und Mainz am Bruchweg gekickt. Der Verein selbst hat das Stadion zur Verfügung gestellt, Szene und Supporters beider Vereine haben mit Unterstützung der Fanabteilung eine riesige Aktion auf die Beine gestellt, die positiv für einen fanfreundlichen Fußball geworben hat. Aber obwohl die Medien das Thema intensiv begleitet haben, ist die Geschichte längst nicht bei allen Fans angekommen. Vielfach wurde am Montag im Stadion gefragt, was es mit dem Banner „Samstags halb vier – Fußball. Bratwurst. Bier“ auf sich habe. Da stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, dass solche positiven Aktivitäten offenbar unterm Radar bleiben, wohingegen Kritik an der Szene leicht zu fallen scheint.
Damit kommen wir nun zum eigentlichen Montagsspiel, das von etlichen Protesten begleitet wurde. Am Tag danach treibt viele Fans die Frage um, ob das sein muss, bei einem so wichtigen Spiel den Fokus nicht komplett auf die Unterstützung der Mannschaft zu legen. Und natürlich ist diese Frage legitim. Nicht legitim ist hingegen, wie jetzt auf einige Fangruppen eingeprügelt wird. Erstens waren die Aktionen, mit denen das Montagsspiel begleitet wurde, mit Mainz 05 abgesprochen. Das war so auch im Stadionheft zu lesen: „Die Fans des 1. FSV Mainz 05 und des SC Freiburg nutzen die heutige Partie zum gemeinsamen Protest gegen Montagsspiele. In Absprache mit dem Verein erhalten die Fans hierfür den nötigen Raum, denn sie äußern ihren Unmut auch sehr kreativ.“ Das ist bemerkenswert, ebenso wie die Tatsache, dass eben beide Fanlager protestieren, obwohl tatsächlich beide Teams im Abstiegskampf stecken. Verein und Fans haben im Vorfeld das Gespräch gesucht. Niemand ist an dem Abend überrascht worden. Es gab die Möglichkeit, auch mit den Mannschaften über die Proteste zu sprechen.
Was uns zum nächsten Punkt bringt, nämlich den Spielern, denen die Begeisterung für diese Aktionen sichtlich abging. Was wiederum ihr gutes Recht ist. Andererseits wollen genau diese Spieler auch in allen Stadien der Republik unterstützt werden, ob Regen oder Sonne, Fight um Europa oder Abstiegskampf. Das macht diese Beziehung aus. Und wie in jeder Beziehung gibt es auch in dieser mal Uneinigkeiten. Die Spieler machen einen Job, wohingegen die Fans jedes Wochenende freiwillig antreten. Freie Meinungsäußerung geht für beide Seiten vollkommen in Ordnung. Letztlich ist das wie bei einem Streik: Natürlich nervt es, wenn der Bus nicht fährt, man selbst aber zu einem wichtigen Termin muss. Aber wenn die Streikpartei Rücksicht darauf nimmt, wer gerade ganz wichtig irgendwo hin muss – oder analog, wenn die Szene auf den Streik im Abstiegskampf verzichtet – werden die eigenen Rechte immer weiter beschnitten.
Keinen Bruch herbeireden
Vielleicht klingt das in heutigen Ohren überspitzt, aber was, wenn in zehn Jahren Spiele am Montagabend gang und gäbe sind und als Neuerung eine Partie pro Spieltag unter der Woche vormittags ausgetragen wird, wegen welcher Märkte auch immer? Gegen diese Entwicklung müssen die Fans einfach protestieren, wenn die Stadien auch in Zukunft bunt und laut bleiben sollen. Im Übrigen stand es am Montag jedem Fan frei, selbst aus Leibeskräften das Team zu unterstützen. Es gibt ja durchaus Stimmen, die sagen, es handle sich bei der Szene nur um eine Handvoll Wichtigtuer, die ihr eigenes Wohl über das des Vereins stellen. Dann müsste es für die anderen Paarundzwanzigtausend im Stadion doch ein Leichtes sein, diese Protestler zu überstimmen, oder? Apropos, wie viele Anhänger begleiten das Team eigentlich am Sonntag nach Augsburg? Und nein, es geht hier keinesfalls um eine „Besser-Fan-Diskussion“. Aber wir sollten die auch nicht mit einer „Schlechter-Fan-Diskussion“ konterkarieren.
Der kuriose Elfmeter durch das Einschreiten aus Köln ausgerechnet in diesem Spiel mutet am Ende schon fast wie ein Treppenwitz an. Wichtig, dass Pablo Nerven aus Stahl beweist und das Ding humorlos ins Tor hämmert. Wundervoll, dass er am Ende noch das 2:0 drauflegt. Genau diese Einstellung rettet uns im Abstiegskampf. Was danach passierte, nämlich, dass es keine gemeinsame Humba von Fans und Teams gab, wird von einigen als eine „Feierverweigerung“ der Mannschaft als Reaktion auf die Proteste gelesen. Aber das trifft nicht zu: Daniel Brosinski und Pablo de Blasis haben darum gebeten, keine mächtige Feierei anzustimmen, weil noch nichts geschafft sei, sondern vier weitere, wichtige Spiele für Team und Fans anstehen. „Step by step“, begründete de Blasis und beide baten darum, das in die Kurve zu kommunizieren. Was auch passiert ist, aber natürlich verbreitet sich sowas in dem Moment nicht im ganzen Stadion. Zur Beurteilung dieses denkwürdigen Abends gehört es aber ganz sicher dazu: Es gab keinen Bruch. Und man sollte ihn jetzt auch nicht herbeireden.
Es gab Protest. Es gab unterschiedliche Meinungen. Und es gab am Ende drei Punkte. Jetzt tun wir alle gut daran, uns auf diesen wichtigen Erfolg zu konzentrieren. Das Montagsspiel mit all seinen Facetten abzuhaken. Und gemeinsam weiter zu kämpfen. Nur der FSV.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin