Kolumne von Wortpiratin Mara Pfeiffer: Count your blessings - Das Glück des Tüchtigen
Jürgen Klopp erhielt jüngst in der Christuskirche den Mainzer Medienpreis. Klopp war für Mainz 05 ein Glückstreffer - aber da war er nicht der einzige, meint Wortpiratin Mara Pfeiffer.
Von Mara Pfeiffer
Jürgen Klopp erhielt in der Christuskirche den Mainzer Medienpreis.
(Foto: dpa )
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MAINZ - Es gibt im Englischen die Redewendung "count your blessings", was übertragen meint, man solle sich ab und zu bewusstmachen, wo es das Leben gut mit einem gemeint hat. Aktuell kommen sich viele Amerikaner zwar eher vor, als habe man es besonders schlecht mit ihnen gemeint, die Aufforderung aber, wenn sie nicht auf verkitschten Postkarten prangt, hat durchaus ihre Berechtigung. Dinge, die gut und besonders sind, nimmt der Mensch an sich ja mit der Zeit oft als selbstverständlich an, aber Glück oder Erfolg können eben flüchtig sein.
Ein perfekter Zeitpunkt, um sich zu vergegenwärtigen, wie gut es die neuere Geschichte mit unser aller Herzensverein gemeint hat, war der vergangene Freitag. Fast hatte man erwartet, das Leben in Mainz komme zum Erliegen, weil Jürgen Klopp in der Christuskirche den Mainzer Medienpreis erhielt. Die Anwesenheit des ehemaligen 05ers beherrschte Timelines und News über Tage, Menschen posteten glückstrunken Selfies und die Medien berichteten ausführlich. Kein Wunder, denn Kloppos Bedeutung für den Verein ist galaktisch.
Schöne Erinnerungen
So wie natürlich auch die des Mannes, der ihn zum Trainer machte und die Laudatio auf den Liverpool-Coach hielt: Christian Heidel. Diese beiden so Seit’ an Seit’ in der Kirchenbank sitzen zu sehen, das rührte schon mächtig an der Kiste mit den schönsten 05-Fußballerinnerungen. Natürlich auch an der mit den tragischsten, aber ehrlich: Wäre unsere Geschichte so unfassbar und einzigartig, wenn alles im ersten Anlauf geklappt hätte? Sicher nicht. Der Mief der tiefsten Täler machte den Aufstieg in luftige Bundesligahöhen umso wertvoller.
Jürgen Klopp auf der Trainerbank, das war ein Glücksgriff. Sportlich, klar, aber nicht nur. Er ist eben auch ein spezieller Typ und das, was er aus seinen Mannschaften rausholt, hat er immer auch bei den Fans herausgekitzelt, die an ihn und seine Visionen glauben. Bis heute ist das Teil seines Erfolges. Ein weiterer Glücksgriff war es, dass der Don nach der Freistellung von Jörn Andersen auf Thomas Tuchel setzte. Der bei vielen Fans bis heute Verkannte konnte zwar die emotionalen Fußabdrücke seines Vor-Vorgängers nicht füllen, sein Einfluss auf die sportliche Entwicklung des Gesamtvereins kann aber nicht hoch genug geschätzt werden.
Auch in der zweiten, dritten, achten Reihe wurden immer wieder und werden bis heute gute Entscheidungen getroffen und entscheiden sich gute Leute für eine Zukunft mit Mainz 05. Seit fast drei Jahrzehnten einen Mann wie Volker Kersting an Bord zu haben, ist ein Geschenk, eine Identifikationsfigur wie Walter Notter auch und Stephan Kuhnert kann bei perfekter Haltung sicher noch 20 Jahre dranhängen. Lauter Glücksfälle, aber wo Glück derart geballt vorkommt, ist es kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit, oder wie es im Fußball heißt: „Das Glück des Tüchtigen.“ Glück, das man sich verdient hat – und immer neu verdient.
Viele haben Anteil am 05er-Erfolg
Daran haben natürlich noch viel mehr Menschen Anteile, als in dieser Kolumne Platz finden, sei es der alte Vorstand um Harald Strutz, seien es die ungezählten Ehrenamtlichen oder ganz entscheidend Wolfgang Frank, dessen Wirken fast immer zur Sprache kommt, wenn man mit Menschen über Mainz 05 spricht, die den Verein schon lange begleiten. Es ist, das passt ganz gut ins katholische Mainz, tatsächlich ein Segen (blessing), welchen Weg der Verein gegangen ist und wo er heute steht. Wie leicht die Geschichte auch ganz anders hätte verlaufen können, zeigen die Blicke auf Clubs, die sich auch einst vorgekämpft hatten in die erste Liga, sich jedoch nicht halten konnten; von abgestürzten Traditionsvereinen ganz zu schweigen.
Jürgen Klopp steht für diese Erfolge, das verdankt er nicht nur seinem tatsächlichen Einfluss, sondern auch dem, was inzwischen sein Image ist. Die positive Entwicklung des Vereins aber verantworten längst andere und es sind, Beispiel Stefan Hofmann, Menschen, die Mainz 05 ebenso begriffen haben und verkörpern wie Heidel, Kloppo & Co. es einst taten. Auch das ist ein Segen, ein besonders wichtiger sogar, denn: Dieser Segen weist in die Zukunft.
Mara Pfeiffer ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marapfeiffer.de
Mara Pfeiffer bei Twitter: Wortpiratin