Kolumne von Mara Braun: Schmutzig, wüst, beleidigend
Gesänge im Stadion dürfen nicht nur, sie sollen sogar schmutzig sein, wüst und auch beleidigend, meint unsere Kolumnistin Mara Braun. Und trotzdem hat es ihr ein Hashtag angetan, der zuletzt im Neuland die Runde machte: #fairegesänge.
Von Mara Braun
05-Fans. Archivfoto: Sascha Kopp
( Foto: Sascha Kopp)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Kein Thema ist so ernst, als dass sich neben der vordergründigen Problematik nicht noch ein humoristischer Nebenstrang entwickeln könnte. Dies gilt so auch im Falle der Vorkommnisse rund um das Spiel von Borussia Dortmund gegen RasenBallsport Leipzig. Es liegt offenbar in der Natur der Sache, dass, wenn in einer bestimmten Angelegenheit die eine Seite übers Ziel hinausschießt, die andere willfährig hinterhertorkelt.
Entsprechend wurde im Zusammenhang mit den Ereignissen in Dortmund nicht nur berechtigte Kritik an gewaltbereiten Hohlrollern geübt, sowie an jener Handvoll Banner, deren Ton mit „vergriffen“ treffend beschrieben ist... Nein, auch die „Schmähgesänge“ gerieten ins Visier von Funktionären und Würdenträgern, die nie einen Stehblock von innen gesehen haben.
Nun denn.
Ich wage mich aufs dünne Eis und sage: An bestimmten Orten gelten gesonderte Regeln für gewisse Themen. Damit ist keinesfalls gemeint, dass man einander rund ums Stadion straffrei in die Kauleiste trommeln darf, aber ich sag’s mal so, daran hat die übergroße Masse der Fans auch überhaupt kein Interesse. Damit ist aber sehr wohl gemeint, dass im Stadion Worte und Sprachwendungen den Weg ans Licht finden, mit denen der Absender sich anderswo niemals die Lippen beschmutzen würde. Verstehen Sie nicht? Gar kein Problem. So ist das eben mit fremden Kulturen, manche Teile davon bleiben einem auf ewig verschlossen. Das gilt so auch für die Fankultur, die eben nicht gerade zwischen Silberbesteck und Satinbettwäsche geboren wurde.
Die Gesänge im Stadion also dürfen nicht nur, sie sollen sogar schmutzig sein, wüst und auch mal beleidigend. Weil verbale Keilereien hier sehr wohl ihren Platz haben, sie mit zu diesem fabelhaften Sport gehören. Insofern ist der Appell, doch über faire Fangesänge nachzudenken, einfach nur saukomisch. Entsprechend lustig hat dieses Internet reagiert, speziell auf Twitter überboten sich die Wortkünstler mit nie ernst gemeinten Vorschlägen für #fairegesänge.
Beispiele gefällig? User @Pilzeintopf möchte keine Gefühle mehr verletzen mit dem Gesang „Die Nummer eins im Pott sind wir“ und schreibt: „Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins im Pott kann man nicht eindeutig bestimmen.“ Darmstadt-98-Fan @ngungonv will keinen Anhänger seines Vereins nötigen, beim Spiel aufzustehen, und singt deswegen: „Wer nicht hüpft, bleibt lieber sitzen, hey, hey.“ Ganz fair zu Wolfsburg ist @grindelnerd, der vorschlägt zu singen: „Wolfsburg, wir hören nichts, kann aber auch an den Windverhältnissen liegen.“ Die Gedanken vieler 05er in Bezug auf Altrivale Kaiserslautern greift @dagobert95 treffend auf: „Eure Eltern haben einen genetischen Verwandtschaftskoeffizienten von 0,5 – hey, hey.“ Und @dex_morgan96 singt diplomatisch vor: „Timo Werner, du Sohn einer Frau, die viele Leute gut kennt.“
Mein Favorit aber kommt von @stevii1900: „Schiri, wir wussten, wo dein Auto stand. Ist aufgetankt, ist aufgetankt.“ Der Referee dankt.
Mara Braun ist freiberufliche Journalistin und Autorin. Unter anderem von "111 Gründe, Mainz 05 zu lieben" (mit Christian Karn).
Homepage: www.marabraun.de
Mara Braun bei Twitter: Wortpiratin