Beim Geh-Fußball können sich auch Menschen austoben, die keine allzu großen Anstrengungen mehr auf sich nehmen können. In Leeheim gibt es ein Pilotprojekt – und das kommt an.
Von Dirk Winter
Rennen verboten: Ein Fuß muss beim Gehfußball stets den Boden berühren – Sprints sind da nicht machbar. Wer dreimal gegen die Regeln verstößt, muss auf die Strafbank.
(Foto: Harald von Haza-Radlitz)
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LEEHEIM - Schnurstracks rollt der Ball ins Ziel. Aber es gibt Diskussionen: „Der ist doch gerannt“, sagt ein Fußballer über das vorherige Tun des Torschützen. Das sehen auch andere Spieler so – und deshalb zählt das Tor nicht. Denn was an diesem Abend in der Leeheimer Sport- und Kulturhalle gespielt wird, das ist Walking Football. Ins Deutsche übersetzt: Geh-Fußball. Bei dieser Variante des Volkssports darf, wie der Name schon sagt, nicht gerannt werden – weder mit noch ohne Spielgerät.
Nun soll Walking Football, 2011 im englischen Chesterfield entwickelt, auch im Fußballkreis Groß-Gerau etabliert werden. Weshalb der Kreisfußballausschuss (KFA) zum offiziellen Start nach Leeheim geladen hatte. Der KFA hatte den Riedstädter Stadtteil nicht zufällig ausgewählt: Der FC Germania Leeheim und die SKG Erfelden, die eine Spielgemeinschaft bei den Alten Herren (AH) pflegen, bieten schon seit einigen Monaten Geh-Fußball an. Diese Spielart sei für eine Zielgruppe besonders interessant, erklärt der AH-Abteilungsleiter der Germania, Werner Abraham: „Es gibt genug ältere Fußballer, die nicht mehr spielen können, denen es aber immer noch in den Füßen juckt.“ Bei sich im Verein schätzt Abraham den Anteil dieser ehemaligen Aktiven, die wegen allerlei körperlicher Probleme auf den Lauf- und Kampfsport Fußball verzichten müssen, auf 70 Prozent.
Für diese Spieler sei Walking Football eine Möglichkeit, sich zu bewegen, etwas für ihre Gesundheit zu tun – und das mit ihrer liebsten Sportart. Denn auch in seiner langsameren Variante ist es immer noch Fußball. Es gibt einige Regelanpassungen, die darauf abzielen, Verletzungen und körperliche Überforderung zu vermeiden – deshalb kann Walking Football auch bis ins hohe Alter betrieben werden. Sieben der gut 20 Spieler, die zur Präsentation nach Leeheim gekommen waren, sind älter als 60 Jahre. Berthold Wiesenäcker vom FC Germania, der Älteste, ist gar 70.
Um die Gelenke zu schonen und die Verletzungsgefahr zu minimieren, ist es verboten, den Gegenspieler körperlich zu attackieren, etwa durch Rempeln oder Abgrätschen. Auch wortwörtlich wird der Ball flach gehalten: Flanken über Kopfhöhe, Kopfbälle, auch Balltreten über Hüfthöhe – all das ist tabu.
Zuweilen unterliegen Spieler dem Reflex, einen Pass erlaufen zu wollen. „Das Gravierende ist, wenn der Ball ungenau gespielt wird“, sagt Abraham: „Dann versucht man instinktiv, den Ball doch noch irgendwie zu kriegen.“ Das Regelwerk will es jedoch, dass ein Fuß stets den Boden berühren muss. Verstöße werden mit einem Freistoß geahndet. Beim dritten Lauf muss der Spieler für zwei Minuten auf die Strafbank.
Laut Deutschem Fußball-Bund wird bei offiziellen Spielen oder Turnieren – ob in der Halle oder unter freiem Himmel – mit Sechser-Mannschaften auf einem 21 mal 42 Meter großen Platz gespielt. Kein Torhüter steht im drei Meter breiten und einen Meter hohen Tor. Abseits gibt es nicht.
In seinem Heimatverein und bei der SKG Erfelden „hat Gehfußball einen unglaublichen Zuspruch gekriegt“, sagt Werner Abraham. Und da er auch Referent für Freizeit- und Breitensport im Fußballkreis Groß-Gerau ist, lag es nahe, das so erfolgreich gestartete Leeheim-Erfelder Pilotprojekt auf die gesamte Region Groß-Gerau zu übertragen.
Eine hessenweite Initialzündung hatte der Hessische Fußballverband (HFV) bereits im Sommer in seiner Sportschule in Grünberg gegeben. Dort kamen die Freizeit- und Breitensportreferenten der Fußballkreise zusammen. Der HFV hatte die Teilnehmer ermutigt, die Fußballvariante auch in ihren Kreisen einzuführen, berichtet Stephanie Nöthen. Die HFV-Abteilungsleiterin Verbands- und Vereinsentwicklung rief den Teilnehmern der Leeheimer Startveranstaltung deshalb zu: „Ich finde es klasse, dass ihr das jetzt macht.“