Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht vermeidet es, gegen die Konkurrenz zu sticheln. Aber er sagt auch: Werder Bremen und der HSV haben am Sonntag etwas zu verlieren.
DARMSTADT. Kampfansagen gibt es keine, auch keine größeren Sticheleien. Der SV Darmstadt 98 ist in diesen Tagen komplett bei sich selbst, natürlich auch in dem Wissen, dass er es nicht mehr selbst in der Hand hat, auf Regelationsplatz drei oder gar noch auf den direkten Aufstiegsplatz zwei zu springen. Torsten Lieberknecht, Trainer des Fußball-Zweitligisten, sagt denn auch kurz und knapp das, was alle Fans sofort unterschreiben würden: „Wir können eigentlich nur als großer Gewinner aus diesem Wochenende herausgehen.“
Die Lilien empfangen am Sonntag (15.30 Uhr) am heimischen Böllenfalltor den SC Paderborn, der Heimbereich war binnen Minuten ausverkauft gewesen. Auch aus Ostwestfalen haben sich Fans angekündigt, Stand Freitag waren es exakt 527. Und die wollen eine Mannschaft sehen, die im letzten Spiel noch mal alles raushaut. Ob die Luft raus ist beim SCP, wurde Lieberknecht am Freitag bei der Spieltagspressekonferenz gefragt? Antwort: „Nein, die geben noch mal richtig Vollgas.“
Gjasula gesperrt
Geschenke wird es keine geben, zumal es personell ein bisschen knifflig werden könnte. Definitiv fehlen Fabian Schnellhardt und Aaron Seydel, bei beiden will man schauen „was nach Paderborn noch so alles kommt“, sagt Lieberknecht. Heißt: Bei einer möglichen Relegation könnten beide wieder ein Thema sein. Das wäre auch Klaus Gjasula, der nach seiner Gelb-Roten Karte bei Fortuna Düsseldorf (1:2) gesperrt ist – eine Schwächung zweifelsohne. Das wäre auch ein Ausfall von Patric Pfeiffer, der sich bei einer Grätsche verletzt hat. Die Mediziner schauen sich das noch mal an, senken oder heben danach den Daumen.
Nach außen geben sie sich ruhig bei den Lilien, sie sprechen stets nur davon, dass sie sich auf Paderborn konzentrieren. Aber natürlich wissen sie alle um die Brisanz, die ein letzter Spieltag nun mal mit sich bringt. „In gleich drei Stadien fallen Entscheidungen, das ist eine außergewöhnliche Situation“, sagt der Lilien-Coach. „Man kann Großes erreichen.“ Das sei für alle schwer, „der Hamburger SV etwa probiert es im vierten Jahr, aus dieser brutal starken Liga rauszukommen. Und auch Werder Bremen muss noch einen Schritt gehen.“
Die Lilien als "angeschlagener Boxer"
Bei diesen Teams habe das alles noch mal eine ganz andere Dimension, sagt Lieberknecht. Der darauf hinweist, dass diese Spielzeit so oder so eine der besten der vergangenen Jahre ist. „Wir wollen gewinnen, dann hätten wir 60 Punkte. Aber damit wollen wir uns jetzt nicht zufriedengeben, jetzt wollen wir auch die Sensation schaffen.“ Groß anders gemacht haben sie im Training nichts, es herrschten die normalen Abläufe. Und es musste ja auch das 1:2 in Düsseldorf verdaut werden, bei dem eine richtig gute Ausgangssituation verfehlt worden war. „Danach waren wir alle ein bisschen angeknockt“, gibt der Trainer zu, „ein bisschen ist es, bei allem Klischee, aber wie bei einem angeschlagenen Boxer. Die Mannschaft war sogar besser drauf als ich, die hat mich ein bisschen rausgezogen aus dem Knockout-Zustand.“
Einblendungen von den Ergebnissen von den anderen Plätzen soll es nicht geben am Sonntag, „aber es wird vielleicht mal dramaturgisch einen Moment geben, wo man etwas tun muss“. Auch werden keine Spieler verabschiedet, aber nicht nur, weil eventuell noch zwei Spiele dazukommen. „Jeder Spieler im Kader wird bei einem Aufstieg mitgenommen“, verrät Lieberknecht. Soll heißen: Auch Leon Müller und Adrian Stanilewicz, die selten zum Kader zählten, wären dann dabei.
Lieberknecht kein Wahrsager
Erst einmal aber steht das letzte reguläre Saisonspiel an, und das wird schwer genug. Zumal Lieberknecht fürchtet, in zwei Sachen recht zu behalten. War er es doch, der vor einigen Wochen den Hamburger SV zum Aufsteiger erklärte – weil dieser trotz großen Rückstands das leichteste Restprogramm habe. Damals schmunzelten viele, doch so könnte es jetzt kommen. Und bei seiner Vorstellung im Sommer 2021 hatte er als Ziel einen einstelligen Tabellenplatz genannt. Auch darüber hatten manche gelächelt. Nur auf einen Platz wollte er nicht: Rang vier. „Ich hoffe nicht, dass ich als Wahrsager besser aufgehoben wäre“, sagt der Trainer.
Die Spannung steigt von Tag zu Tag, bei der Mannschaft, im Trainerteam, natürlich auch bei den Fans. „Es ist noch alles möglich, es ist der Hammer, dass wir noch dabei sind“, sagt Lieberknecht. Und dann kommt sie doch noch, die kleine Spitze gegen die Konkurrenz. „Wir haben unseren kleinen Vorteil in Düsseldorf aus der Hand gegeben. Bei uns ist der Gedanke weg, dass wir etwas zu verlieren haben. Das spüren jetzt vielleicht die Jungs in Bremen und Hamburg – dass man etwas Sensationelles erreichen, aber auch etwas verlieren kann.“
Am Sonntag weiß man mehr.
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