Lilien-Torwarttrainer Wache erhält "Du musst kämpfen"-Preis

aus SV Darmstadt 98

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Freunde und Arbeitskollegen: Dimo Wache (rechts) und Torsten Lieberknecht. Archivfoto: Florian Ulrich

Der Torwarttrainer des SV Darmstadt 98, der sich mit vielen Operationen herumgeplagt hat, erhält den "Du musst kämpfen"-Preis. Die Laudatio hält sein Freund Torsten Lieberknecht.

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DARMSTADT. Dimo Wache erhält an diesem Samstag den "Du musst kämpfen"-Preis der gleichnamigen Stiftung, die vom 2016 verstorbenen Jonathan Heimes gegründet worden ist. Der Torwarttrainer des SV Darmstadt 98 hat in seinem Leben 36 Operationen über sich ergehen lassen müssen, teils war sogar unklar, ob er je wieder richtig gehen kann. Die Laudatio hält am Samstagabend Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht, der Wache schon lange kennt - und der auch zwölf Operationen hinter sich hat.

Freunde und Arbeitskollegen: Dimo Wache (rechts) und Torsten Lieberknecht. Archivfoto: Florian Ulrich
Ehrenspielführer in Mainz, angekommen und enorm wertgeschätzt in Darmstadt: Dimo Wache. Archivfoto: Sascha Kopp

Herr Wache, was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Dimo Wache: Das kam sehr überraschend für mich, es hat mich auch ein bisschen überrumpelt, weil ich damit nicht gerechnet habe. Ich habe mich dann aber natürlich sehr gefreut, weil die Geschichte hintendran eine extrem besondere ist. Das hat mich schon auch ein Stück weit stolz gemacht.

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Sie kannten Jonathan Heimes. Wie denken Sie heute an ihn und die Geschichte damals?

Dass diese Geschichte eine besondere war und ein großer Mosaikstein bei dem, was dann in Darmstadt passiert ist mit den Aufstiegen, darüber muss man nicht diskutieren. Das hat uns als Mannschaft, das hat uns im Trainerteam damals extrem gepusht.

In welchem Maß?

Diese Geschichte war ja auch eine extrem tragische. Da läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter. Das war immer etwas, an das man sich klammern und an was man denken konnte, wenn man mal verloren hatte und traurig war. Aber auch während der Spiele war das immer eine ganz besondere Sache.

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Johnny war irgendwie immer auch ein Teil der Mannschaft, oder?

Das kann ich nur unterstreichen, ja.

Sie haben 36 Operationen in Ihrer Karriere über sich ergehen lassen müssen. Dachten Sie eigentlich mal daran, alles hinzuwerfen?

Solche Gedanken in solchen Situationen nicht zu haben, wäre nicht menschlich. Jeder Mensch kennt das Gefühl, alles hinwerfen zu wollen, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man es selbst will.

Was kann man dagegen tun?

Es gibt Dinge, die einen da wieder rausziehen. Da spielte bei mir meine Familie eine große Rolle, die mich immer ermutigt hat. Und dass eine Berufsgenossenschaft gesagt hat, dass ich nicht mehr auf den Platz zurückkehren werde - daraus habe ich damals Motivation gezogen.

War das immer so bei Ihnen?

Das ist eine Geschichte, die sich durch mein ganzes Leben zieht. Ich komme aus einem Dorf mit 1000 Einwohnern und wollte Fußball-Profi werden. Alle haben damals darüber gelacht. Aber irgendwie hat es dann doch funktioniert. Ich bin immer eher gegen den Wind gegangen, als dass alles reibungslos und glatt abgelaufen wäre.

Sie haben mal gesagt, dass Sie sich manchmal zu viel zugemutet haben. Bereut man das?

Bereuen ist das falsche Wort, aber wir haben dieses Thema tagtäglich. Torsten und ich wissen, wie man vieles gemeinsam durchgestanden hat, wie man damals mit Verletzungen und Schmerzen umgegangen ist. Das ist kaum vergleichbar mit heute. Ich möchte niemanden dahintreiben, dass er so herumläuft wie ich, dass er diese Operationen über sich ergehen lassen muss.

Was ist denn anders geworden im Fußball?

Der große Unterschied ist, dass früher in der Kabine die Schmerztabletten wie Smarties herumlagen - und jeder hat sie genommen. Das war eine andere Zeit, da ist man sehr oft über den Schmerz hinausgegangen. Da habe auch ich nicht darüber nachgedacht, was mal mit 49 sein wird. Das war so weit weg in dem Moment. Es gibt viele Dinge, die ich heute wahrscheinlich nicht mehr so machen würde.

Aber Härte gegen sich selbst muss als Sportler doch sein, oder?

Ja, davon gehe ich auch nicht ab. Wenn ich im Leistungssport, egal in welchem, tätig bin, muss man eine gewisse Härte gegenüber sich selbst haben. Sonst wird das nichts. Leistungssport ohne Schmerzen gibt es nicht, nicht vor 30 Jahren, nicht heute, nicht in zehn oder 20 Jahren. Das gehört ein bisschen dazu in meinen Augen. Über diesen Schmerz drüberzugehen, das ist in meinen Augen bis zu einem gewissen Maß sehr wichtig. Das Maß ist das entscheidende. Und dieses Maß hatte ich manchmal nicht.

Herr Lieberknecht, Sie werden der Laudator sein. Was bedeutet Ihnen das?

Lieberknecht: Für mich bedeutet das erst einmal Verantwortung, dass ich den richtigen Ton treffe. Das bewegt mich derzeit wirklich am meisten (lacht). Wir kennen uns schon lange und pflegen auch außerhalb des Fußballs eine enge Freundschaft, die Distanzen überstanden hat. Wenn man in diesem Beruf ist, arbeitet man ja auch mal in anderen Städten.

Das hat Sie aber nicht voneinander entfernt?

Nein, selbst wenn man sich mal eine Zeit lang nicht gesprochen hat, war es dann trotzdem immer so, dass man das Gefühl hatte, dass man erst vor zwei Tagen zuletzt telefoniert hat. Mit der ganzen tragischen Geschichte, an die am Samstag erinnert wird, muss man aber natürlich auch sehr verantwortungsvoll umgehen.

Wie wird das aussehen?

Ich mache das aus tiefer Freundschaft zu Dimo. Ich kenne ihn als Freund, und zudem ist er auch ein Mitarbeiter des Klubs und des Trainerstabs. Ich musste ihn auch erst einmal so kennenlernen. Apropos Kennenlernen: Als ich im Sommer 2021 hier anfing, lief er herum und stellte sich ebenfalls bei allen Mitarbeitern vor. Und ich dachte nur: Warum tut er das?

Warum?

Weil er lange nicht hier war. Und in dieser Zeit hat sich extrem viel verändert. Es war für Dimo ein Ankommen, ich war auch neu. Aus fachlicher Überzeugung sage ich heute: Dimo hat mich komplett überzeugt, wie er seine Torhüter trainiert. Ich habe ein sehr gutes Gefühl, weil ich jemanden habe, dem ich mal das Torwartspiel erklären musste und der das jetzt aber gewinnbringend einsetzt (lacht).

Wirklich?

Der Schalk sitzt uns im Nacken. Dimo kann mit meinem Humor aber gut umgehen.

Herr Wache, Sie waren zwischen 2018 und 2021 lange weg wegen diverser Operationen. War es eigentlich immer klar, dass Sie wieder hier arbeiten würden?

Nein, das war es nicht. Als klar war, was mich erwartet, gab es ein Gespräch mit Tom Eilers. Ich habe damals darum gebeten, meinen Vertrag aufzulösen, weil mir nicht klar war, wann ich wiederkommen kann. So sind wir auseinandergegangen. Ich habe es aber nicht mal bis zur Autobahn geschafft, da rief er an - Rolle rückwärts.

Wie sah diese aus?

Ich sollte die Zeit nutzen, die ich brauche. Wir haben dann Uwe "Zimbo" Zimmermann ins Boot geholt für diese Zeit. Und ich konnte beruhigt das tun, was zu tun war.

Sie waren eigentlich immer Mainzer. Sind Sie jetzt eigentlich Darmstädter?

Ich habe im Januar 2013 in einem Cafe in Mannheim zugesagt, das ich mit ins Trainingslager fahre. Nach zweieinhalb Tagen dort war mir klar, dass es passt. Am Anfang war es aber nicht so einfach in Darmstadt, ich war oft nur "der Meeenzer", egal wo wir hinkamen. Da hat sich dann Gott sei Dank in die richtige Richtung gedreht.

Zurück zur Gala beim TEC. Kennt man sich als Nachbar eigentlich?

Lieberknecht: Es ist in der Tat eine sehr gute Nachbarschaft, nach den Spielen trifft man viele aus dem Stadion dort drüben wieder. Das sind schöne Momente, nicht nur wenn man gewonnen hat.

Die Geschichte von Jonathan Heimes ist nicht mehr ganz so präsent wie früher. Sie geht aber nicht verloren, oder?

Wache: Da bin ich ziemlich sicher. Dieses Mosaiksteinchen war extrem wichtig, und das wird es immer bleiben. Für mich ist das eine wirkliche Darmstädter Geschichte, die passt. Wir sprechen auch darüber, um neue Spieler zu sensibilisieren.

Inwiefern?

Viele kennen die Geschichte nicht mehr. Aber sie soll weiter präsent bleiben. Viele Menschen reißen sich - auf deutsch gesagt - heute noch den Arsch für diese Sache auf. Und diese Menschen müssen gewürdigt werden. Das darf niemals unter den Tisch fallen, das gehört zu Darmstadt 98 und auch zur Stadt Darmstadt.