Der Torwart des Zweitligisten spricht im Interview über seinen Ex-Club und kommenden Gegner Hansa Rostock, die Ziele für diese Spielzeit und seinen Traum von der Bundesliga.
DARMSTADT. Er war in der vergangenen Saison der konstanteste Spieler beim Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98 und hat auch für die neue Spielzeit ambitionierte Ziele. So wie man ihn eben kennt, den Marcel Schuhen. Das Heimspiel gegen Hansa Rostock ist gleich in doppelter Hinsicht ein besonderes für den Torwart. Zum 98. Mal wird der Familienvater im Dress des SV 98 auflaufen, dazu geht es am Samstagabend, 20.30 Uhr, noch gegen seinen Ex-Club aus dem Norden. Im Interview erklärt Schuhen, warum Hansa eine ganz wichtige Station in seiner Karriere war, was er für ein Spiel erwartet und wie groß sein Traum von der Bundesliga ist.
Herr Schuhen, Ihre Mannschaft hat jetzt drei Spiele in Folge gewonnen, sie haben dabei nur ein Gegentor kassiert und kaum Schüsse aufs Tor bekommen. Das muss Ihnen doch gefallen, oder? Ja, kann man so sagen. Wir haben unsere Lehren gezogen aus dem Regensburg-Spiel. Diese Niederlage hat uns extrem geärgert und gestört. Wir haben einige Dinge in den vergangenen Spielen deutlich besser gemacht und vor allem im Heimspiel gegen Sandhausen direkt einen wichtigen Sieg eingefahren. In solchen Momenten muss man die Punkte auch auf eine dreckige Art und Weise einfahren.
Gegen Braunschweig haben jetzt erneut drei Innenverteidiger gefehlt und trotzdem steht die Defensive. Wie sehen Sie die Arbeit der neuen Dreierkette? Die Jungs machen das sehr gut. Grundsätzlich wollen wir mit der Systemänderung ja noch ein bisschen unberechenbarer werden und ich glaube, jeder, der bisher in der Dreierkette gespielt hat, hat seine Sache gut gemacht. Ich fand das super, dass etwa Jannik (Müller, d. Red.) wieder reingekommen ist, er hat das echt gut gemacht. Er hat keine einfache Saison hinter sich und deshalb muss das mal erwähnt werden. Das zeigt aber auch, dass wir einen breiten Kader haben, und erhöht außerdem den Druck auf die vermeintlichen Stammspieler.
Ihr Trainer Torsten Lieberknecht sagt, das neue System sei ein bisschen aus der Not geboren worden. Wie gut tun dann solche Siege wie in Braunschweig, wo die Mannschaft über die 90 Minuten einfach beharrlich drangeblieben ist? Die Spiele wurden nicht über das System gewonnen, sondern wir waren in den Schlüsselmomenten einfach da. Und wir glauben an das, was uns der Trainer mit auf den Weg gibt. Wir sind davon überzeugt. Das ist viel wichtiger als nur das System an sich. Trotzdem ist es natürlich positiv, dass wir zwischen verschiedenen Formationen wechseln können. Auch während eines Spiels.
Was hat sich durch das System an Ihrem Torwartspiel geändert? Wenig. Je nachdem, wie der Gegner uns anläuft, rückt Klaus Gjasula dann auch mal auf die Sechs und ich bin das letzte Glied in der Abwehrkette.
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Im Mittelfeld spielen mit Fabian Schnellhardt, Tobias Kempe und Marvin Mehlem jetzt drei Techniker. Tut das ihrem Spiel gut oder wünschen Sie sich ab und zu auch mal einen Gjasula dort, der einen Ball auf die Tribüne schießt, wenn es sein muss? Wir haben in den letzten Spielen immer ganz gut abgewogen, was wir brauchen. Entscheidend ist, dass jeder seine Aufgabe voll wahrnimmt. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir auch mal wieder im 4-4-2-System spielen. Wenn der Trainer sagt, dass das in diesem Spiel besser passt, dann machen wir das auch.
Und vorne – da setzt Oscar Vilhelmsson mit 18 Jahren in der 86. Minute zum Lupfer an. Da braucht es schon sehr viel Mut, oder? Ja, das war in diesem Moment genau die richtige Entscheidung. Er macht das sehr gut, aber für mich ist es im Endeffekt ein Tor wie jedes andere auch. Trotzdem, ein super Abschluss und wichtig für ihn, um reinzukommen.
Hätten Sie ihn mal zur Seite genommen, wenn der Lupfer über das Tor geflogen wäre? Er hat ihn reingemacht. Da muss man dann auch nix zu sagen (lacht).
Für Sie ist das Heimspiel gegen Hansa Rostock ja ein ganz besonderes. Es ist ihr 98. Spiel für den SV 98. Für Rostock sind Sie ebenfalls 98 Mal aufgelaufen. Dort hat Ihre Karriere so richtig Fahrt aufgenommen, oder? Ja, in dieser Zeit hat sich entschieden, wie es in meinem Leben so weitergeht. Ich hatte dort im Januar 2015 erstmal für ein halbes Jahr unterschrieben. Hätte das dort nicht funktioniert, wäre ich wohl in meine Heimat ins Siegerland zurückgekehrt, hätte bei der Bank gearbeitet, bei der ich eine Lehre absolviert hatte, und nebenbei Fußball gespielt. Das war also insgesamt ein guter und wichtiger Schritt für mich.
Was verbindet Sie heute noch mit der Hansestadt? Meine Frau und ich haben nach wie vor viele gute Freunde dort. Wir sind dort mit unserer offenen und ehrlichen Art gut angekommen. Wenn es die Zeit zulässt, fahren wir auch immer wieder gerne nach Rostock.
Hansa ist genauso wie ihr Team in die Saison gestartet. Zwei Siege, eine Niederlage. Die Siege waren allerdings in Hamburg und zuhause gegen Bielefeld. Sind Sie gewarnt für die Partie? Ja klar, das sind wir aber jede Woche. Das ist in der zweiten Liga immer das Gleiche. Gefühlt jedes Spiel steht auf Messers Schneide, Kleinigkeiten werden auch über dieses Spiel entscheiden. Es werden uns viele lange Einwürfe und Standards erwarten. Ein umkämpftes Spiel eben und da gilt es für uns, wieder voll dagegenzuhalten und unsere spielerischen Qualitäten zuhause auf den Platz zu bringen.
Hätten Sie insgesamt so einen Start erwartet, nachdem in der Vorbereitung nicht alles optimal lief und jetzt noch einige Spieler fehlen? Mit inzwischen fast 30 Jahren habe ich gelernt, dass Ergebnisse in einer Vorbereitung fast gar nichts aussagen. Im Endeffekt geht es darum, fit zu sein, und, wenn möglich, neue Systeme einzustudieren. Insofern ist die Vorbereitung ja nicht so schlecht gelaufen. Wie gesagt – die Niederlage in Regensburg war dann vielleicht gar nicht so schlecht für uns, auch wenn man natürlich nie verlieren möchte. Wir haben aber die richtigen Lehren daraus gezogen und die Spiele danach richtig angenommen.
Ihr Trainer hat gesagt, dass am Saisonende die Mannschaft mit „etwas ganz Großem“ belohnt wird, die es am Spieltag am meisten will – passt doch eigentlich ganz gut zu ihrem Team, oder? Das ist eine gute Aussage vom Trainer (lacht). Und noch dazu hat er recht. Es geht einfach ganz oft darum, welche Mannschaft es in den entscheidenden Situationen mehr will. Es gibt dann auch immer solche Highlight-Momente, wie den Pass in die Tiefe in Braunschweig von Marvin (Mehlem, d. Red.). Aber meistens entscheiden Szenen, über die danach eher nicht gesprochen wird. Für die Saison haben wir aber schon was vor, ganz klar. Wir wollen jedes Spiel gewinnen.
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Mit welchem Ziel sind Sie in die Saison gegangen? Ich will persönlich besser sein als im letzten Jahr. Wenn das alle versuchen, heißt das aber nicht zwangsläufig, dass wir aufsteigen. Trotzdem können wir nach der Saison dann zufrieden auf das zurückblicken, was wir besser gemacht haben. Das muss unser Anspruch sein.
Sie haben letztes Jahr bis 2025 verlängert und mit ihren Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Wie groß ist ihr Traum, nochmal in der Bundesliga aufzulaufen? Dazu sage ich immer meinen Lieblingsspruch: Jeder Spieler, der in der zweiten Liga spielt, muss das Ziel haben, auch mal in der Bundesliga aufzulaufen. Das gilt auch für mich.
War es für Sie auch ein ausschlaggebender Punkt, hier zu verlängern, weil vorher schon Fabian Holland, Matthias Bader, Marvin Mehlem und Fabian Schnellhardt verlängert hatten? Grundsätzlich glaube ich, dass der Verein in dieser Phase viele gute Entscheidungen getroffen hat. Nochmal: Wenn man als Spieler das Ziel hat, eine Liga höher zu kommen, und für sich feststellt, dass die Struktur in der Mannschaft zu diesem persönlichen Ziel passt, dann fällt einem die Entscheidung natürlich leichter, beim Verein zu bleiben.
Was möchten Sie bis 2025 mit den Lilien erreicht haben? Am Wochenende mache ich erstmal mein 98. Spiel, das ist ja etwas ganz Besonderes hier. Das war schon mal ein kleiner Antrieb für mich, das zu erreichen. Alles andere wird sich zeigen. Es macht extrem viel Spaß, mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Wir sind auf einem guten Weg und spüren, dass unsere Art bei unseren Fans gut ankommt. So wollen wir weitermachen.