Lilien-Trainer Lieberknecht will auch in dieser Phase der Saison nichts von Statistiken wissen. Dass bislang 822 Tickets nach Darmstadt verkauft wurden, ist für ihn „ein Wort”.
Darmstadt. Es ist die zweitweiteste Auswärtsfahrt der Saison, auf die sich Fußball-Zweitligist SV Darmstadt am 30. Spieltag begibt. Rund 620 Kilometer sind es bis ins Stadion von Holstein Kiel, wo die Lilien an diesem Sonntag (13.30 Uhr) gastieren. Weiter ist nur noch Rostock (700). Und trotzdem fahren – Stand Freitagnachmittag – 822 Fans mit an die Ostsee. „Das ist beachtlich, weil man ja weiß, was das für eine Reise ist“, freut sich Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht über diese Unterstützung. „Das ist schon ein Wort. Und wir versuchen, jeden Einzelnen glücklich nach Hause fahren zu lassen.“
Der Lilien-Trainer schenkt dem „null Beachtung”
Gewinnt der Tabellenführer, ist Platz drei schon mal sicher. Lieberknecht nimmt dies zur Kenntnis, er hörte das nach eigenen Angaben am Freitag indes zum ersten Mal. „Das ist komplett neu für mich, das ist definitiv so“, sagte der 49-Jährige, der vor ziemlich genau zehn Jahren mit Eintracht Braunschweig ins Oberhaus aufgestiegen war. Ein Jahrestag, den er genüsslich zur Kenntnis genommen hat und den er gerne zitiert. Mit den Lilien liegt der Fokus aktuell aber auf ganz anderen Dingen. „Das zeigt, dass wir an solche Dinge wirklich null denken.“ Was manchmal ja auch besser ist. Direkt vor dem 2:1-Heimsieg gegen den Karlsruher SC am vergangenen Freitag etwa hatte ihn ein Journalist darauf angesprochen, dass die Lilien seit über 40 Jahren nicht mehr zuhause gegen den KSC gewonnen hatten. „Da dachte ich mir nur: Jetzt geht das schon wieder los mit solchen Statistiken“, sagte Lieberknecht. Aber: „Wir schenken dem wirklich null Beachtung.“
Wir versuchen, jeden einzelnen Fan glücklich nach Hause fahren zu lassen.
Viel wichtiger ist dem Trainer bei allen Rechenspielen, dass die Leistung der Mannschaft gewürdigt wird. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel hatten die Lilien nach 29 Spieltagen in Liga zwei noch nie so viele Punkte wie jetzt, „die Jungs leisten wirklich Nicht-Alltägliches“. Und auch auf andere Plätze schaut man weniger, auch wenn die Verfolger 1. FC Heidenheim (Freitag um 18.30 Uhr bei Greuther Fürth) und Hamburger SV (Samstag um 13 Uhr in Magdeburg) vorher spielen. Unglücklich findet er es indes, dass die Lilien am 33. Spieltag schon am Freitag spielen (gegen Magdeburg) und die anderen sich das erst mal in aller Ruhe anschauen können. Das war in der vergangenen Saison genauso gewesen – damals verlor der SV 98 an diesem Spieltag mit 1:2 in Düsseldorf, Bremen und der Hamburger SV konnten taktieren am Tag danach.
Ein Fass will Lieberknecht deshalb jedoch nicht aufmachen, zunächst einmal muss sowieso gegen andere Teams gepunktet werden. „Wir wollen in Kiel gewinnen“, gibt er als Devise aus – und zwar völlig unabhängig davon, wie die anderen Spiele enden. „Kiel zeigt einen weitaus besseren Fußball und hat mehr zu bieten, als es die Tabelle aussagt.“ Mit 40 Punkten stehen die Norddeutschen im Niemandsland, sie können die Saison gemächlich austrudeln lassen. Das kann freilich auch gefährlich sein. „Das ist eine klasse Mannschaft, und mit Fabian Reese haben sie einen echten Unterschiedsspieler“, warnt der Lilien-Coach. „Er ist einer, der begeistern kann, er bringt unheimlich viel Energie ins Spiel.“ In der kommenden Saison spielt Reese übrigens bei Hertha BSC – eventuell dann ja auch wieder in Liga zwei.
Das ist eine klasse Mannschaft, und mit Fabian Reese haben sie einen echten Unterschiedsspieler.
Taktisch variabel, mit stillen, überraschenden Wechseln bei der Taktik: Das macht Holstein Kiel so gefährlich. „Darauf haben wir uns vorbereitet. Sie haben auch Schwächen, aber es sind nur wenige“, sagte Lieberknecht, ohne diese freilich nennen zu wollen. Wie Darmstadt 98 reagieren die Kieler im Spiel immer mal wieder taktisch auf den Gegner, da wartet immens viel Arbeit auf beide Trainer. „Kiel ist weitaus besser, als es die 40 erreichten Punkte zeigen. Wir werden einen starken Gegner vorfinden.“
Fehlen wird am Sonntag Fabian Holland, der nach seiner Kehlkopfentzündung wieder erste Schritte auf dem Platz gemacht hat und auch wieder auf dem Laufband im Kraftraum steht. In der kommenden Woche soll der Kapitän sukzessive weiter an die Mannschaft herangeführt werden, aber auch die Partie gegen den FC St. Pauli am 6. Mai dürfte für ihn noch zu früh kommen. Zudem fehlen die verletzten Frank Ronstadt und Oscar Vilhemsson.