Der SV Darmstadt 98 weiß bei Arminia Bielefeld nicht genau, was ihn nach dem dortigen Trainerwechsel erwartet. Umso wichtiger ist es, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen.
Darmstadt. Es dürfte die erste Pressekonferenz seit vielen Jahren gewesen sein, bei der vor einem Spiel des Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98 bei Arminia Bielefeld nicht nach dem „Wunder von Bielefeld“ im Mai 2014 gefragt worden ist. Am Donnerstag war diese jedenfalls kein Thema, als es um die am Samstag in der dortigen Schüco-Arena stattfindende Partie (Anpfiff ist um 13 Uhr) ging. Kein Wort über Elton da Costa, kein Wort über seinen Aufstiegstreffer in der 122. Minute, kein Wort über das Tal der Tränen, in das der damals noch von Dirk Schuster trainierte SV 98 die Bielefelder stürzte. Es ist ja auch fast neun Jahre her, und obwohl es immer seinen Platz in den Herzen aller Lilien-Fans haben wird – heute geht es um anderes.
Nämlich darum, wie der SV 98 die erste Niederlage in einem Ligaspiel seit Mitte Juli verdaut hat. Am vergangenen Samstag verloren die Lilien mit 0:1 beim 1. FC Heidenheim, und an der Spitze geht es wieder richtig eng zu. Die Euphorie hat indes nicht nachgelassen, rund 800 Tickets waren bis Donnerstag nach Südhessen verkauft. Und nur wenige dürften den Weg nach Bielefeld auf sich nehmen, um lediglich in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen.
„Wir machen uns durch die Niederlage jetzt nicht unentspannt in die Hose“, sagte Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht am Donnerstag halb im Scherz, halb im Ernst. Der 49-Jährige erinnerte noch einmal daran, dass auf die bisher einzigen Niederlagen in dieser Saison stets Siege folgten. Nach dem 0:2 in Regensburg ein 2:1 gegen Sandhausen, nach dem 2:4 im Pokal bei Eintracht Frankfurt ein 2:1 gegen Braunschweig. „Am besten liegt der Fokus bei uns nur auf uns. Wir müssen uns defensiv verbessern und offensiv die eine oder andere Lösung mehr finden“, erwartet der Trainer von seiner Mannschaft. Denn auch wenn nicht alles schlecht gewesen ist in Heidenheim: Insgesamt war es doch zu wenig, vor allem im Spiel nach vorne.
Wir machen uns durch die Niederlage jetzt nicht unentspannt in die Hose.
Und auch der Gegentreffer ärgerte den Coach, zumal er ein System erkannt hat, nach dem ein solcher auch schon beim 1:1 gegen den Hamburger SV in der Woche zuvor gefallen war. „Das war das gleiche Muster“, sagte er und wollte mehr eigentlich gar nicht sagen. Um sich dann doch entlocken zu lassen: „Wir vergessen manchmal nicht nur die Seite, auf der der Ball ist, sondern auch die ballentfernte Seite.“
Kempe, Pfeiffer und Vilhelmsson müssen passen
Das lässt sich trainieren, und auch die personelle Situation macht Hoffnung. Zwar fehlen weiterhin Tobias Kempe (Innenbandabriss), Patric Pfeiffer (Muskelbündelriss) und Oscar Vilhelmsson (Leiste), doch Letzterer soll in der kommenden Woche wieder ins Training einsteigen. Wieder im Training sind bereits Braydon Manu, Aaron Seydel und Jannik Müller, sie alle sind eine Option zumindest für den Kader. Lieberknecht will ihnen indes Zeit geben, er weiß, dass eine Rückkehr nicht von heute auf morgen möglich ist. Doch Alternativen gibt es.
Eine solche ist Fabio Torsiello am Samstag nicht, weil am gleichen Tag die U19 ihr letztes Bundesligaspiel beim Karlsruher SC bestreitet. Torsiello soll helfen, den Abstieg zu verhindern. Ein kleines Fragezeichen steht hinter Mathias Honsak, der Probleme an den Adduktoren hat. Matthias Bader und Phillip Tietz, der nach der Partie in Heidenheim wie Bader schon während der Partie über Schüttelfrost geklagt hatte, sind dabei.
Arminia Bielefeld ist nach dem Trainerwechsel – Uwe Koschinat folgte gerade auf Daniel Scherning – eine Wundertüte, sagt Lieberknecht. „Ein Trainerwechsel ist immer auch dazu da, Emotionalität zu schaffen und Reizpunkte zu setzen, um den Abstiegskampf zu bewältigen“, weiß der Lilien-Coach. Der jetzt indes nicht weiß, was da auf ihn und auf die Mannschaft zukommt. Dreierkette wie bisher, oder doch Viererkette? Welches Personal? Vor allem auf Sebastian Vasiliadis sei zu achten, „das ist ein Spieler, bei dem ich mit der Zunge schnalze. Er bringt alles mit, was Spaß macht.“
Lieberknecht: „Das eigene Spiel durchdrücken”
Was aber wird Koschinat, der zweimal den SV Sandhausen im Abstiegskampf gerettet hat, Neues ein? Das weiß keiner. „Uns geht es darum, selbst Druck aufzubauen und so schnell wie möglich nach vorne zu kommen“, will sich Lieberknecht den auch gar nicht groß auf Debatten über Stärken des Gegners und eventuelle neue Ideen Koschinats einlassen. Ein bisschen sei das alles wie vor einem Testspiel etwa in einem Trainingslager, bei dem man ja auch nicht genau wisse, was da auf einen zukommt. „Umso wichtiger ist es, das eigene Spiel durchzudrücken.“
Und das wollen sie. „Manchmal ist eine Niederlage auch ein Gewinn“, sagt Lieberknecht, „man holt sich Dinge in Erinnerung, die einen stark gemacht haben und die uns weiterhin stark machen“. Man habe wenig zugelassen, die Mentalität zumindest habe gestimmt. „Wir müssen und wollen wieder aufs Gaspedal drücken.“
Deshalb fahren sie optimistisch an jenen Ort, an dem eine der größten Lilien-Geschichten geschrieben worden ist – auch wenn nicht darüber gesprochen wurde diesmal.