Fußballwart: „Schiedsrichter werden zur Sau gemacht”

Hartmut Schwöbel ist seit Februar Regionalfußballwart im Bereich Darmstadt.

Hartmut Schwöbel ist seit Kurzem Darmstadts Regionalfußballwart. Im Interview spricht er über fehlenden Respekt gegenüber Unparteiischen und eigene Entfremdung vom Profigeschäft.

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Herr Schwöbel, Sie haben vor kurzem die Nachfolge von Robert Neubauer angetreten als Regionalbeauftragter. Außerhalb des Odenwaldkreises kennt man Sie kaum. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Kommunikativ, offen, ehrlich, entscheidungsfreudig. Und ich telefoniere lieber als dass ich eine E-Mail schreibe.

Lieblingsverein?

In welcher Liga?

Eins bis drei. 

Diese Ligen sind nicht mehr bei mir im Blickpunkt, weil es dort nur noch bedingt um Fußball geht. Es geht um Kommerz, um Nichteinhaltung von Verträgen, um „Heute sag ich so, morgen sag ich so“. Von daher liegt mein Fokus auf dem Amateurfußball. Ich sympathisiere mit dem FC Bayern München, in Liga zwei logischerweise mit dem SV Darmstadt 98, wo ich als Polizist früher viele Einsätze im Stadion am Böllenfalltor hatte. Und in der Dritten Liga unterstütze ich Wehen-Wiesbaden. Aber der Profifußball ist nicht mehr meine Welt.

Gab es irgendeinen Zeitpunkt, wann diese Entfremdung begann?

Das war ein schleichender Prozess seit Einführung des Bezahlfernsehens in den neunziger Jahren. Und das hat sich in den letzten Jahren verstärkt, dass ich mir das nicht mehr angucke. Mir reicht das, wenn ich es montags im Sportteil Ihrer Zeitung lese.

Und im Amateurfußball schlägt Ihr Herz noch für die SG Sandbach?

Ja, sicherlich. Ich wohne zwar seit über 20 Jahren jetzt in Michelstadt, aber fußballerisch bin ich da groß geworden, habe sämtliche Jugendmannschaften durchlaufen, war Seniorenspieler. Das ist immer noch mein Heimatverein, auch wenn ich in der aktuellen Mannschaft nicht mehr viele kenne. 

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Wie liefen die ersten Wochen im neuen Amt?

Völlig entspannt und ruhig. Mein Vorgänger Robert Neubauer hat ein wohl bestelltes Feld hinterlassen. Und in den Ligen, wo ich Klassenleiter bin, die Verbandsliga Süd und die Gruppenliga Darmstadt, bewegen sich gut geführte Vereine, die den Leistungsgedanken im Vordergrund haben. Von daher ist die Arbeit völlig im Plan.

Worauf wollen Sie Ihren Fokus legen als neuer Regionalfußballwart?

Ich muss mich erst einmal in die Rolle einleben, hineinwachsen. Es stand nicht in meiner Lebensplanung, Regionalbeauftragter zu werden, hat sich durch die personelle Rotation im HFV-Präsidium so ergeben. Als Stellvertreter von Robert Neubauer war ich gefordert. Dass es so schnell ging, war mir nicht so recht. Mich hätte es gefreut, wenn der Übergang fließender gewesen wäre. Ich habe noch keinen Fokus auf ein Thema und es ist gerade auch kein brennendes vorhanden, um das ich mich kümmern müsste.

Der Vorteil ist, dass Sie zum neuen Verbandsfußballwart Neubauer einen guten Draht haben, oder?

Ja, absolut. Er ist aus der Region, von daher könnte es besser nicht sein. Wobei ich zu den Vorgängern Torsten Bastian und Jürgen Radeck auch einen engen Kontakt hatte.

Sie haben die personelle Rotation im HFV-Vorstand erwähnt. Da gab es in den vergangenen Monaten Querelen und Rücktritte. Denken Sie, dass die Wogen sich jetzt geglättet haben?

Ja. Bis zum Verbandstag im nächsten Jahr wird es keine Unruhe mehr geben, denke ich. Inwiefern zurückgetretene Funktionäre dann an ein Comeback denken, vermag ich nicht zu beurteilen.

Zwei aktuelle Themen sind auch der Trainerpass und Zeitstrafen. Wie stehen Sie dazu?

Den Trainerpass befürworte ich wie Robert Neubauer. Die Einführung und Umsetzung ist unglücklich gelaufen, das hätte man besser kommunizieren müssen. Der Trainerpass wird sich bewähren, aber es ist nur der erste Schritt zu einer Akkreditierung von allen, die auf dem Spielbericht stehen und somit die Berechtigung haben, sich im Innenraum aufzuhalten. Insbesondere für den Schiedsrichter ist es gut, wenn er erkennbare Ansprechpartner an der Seitenlinie hat. Zur Zeitstrafe haben wir in der Region eine Abfrage in allen Fußballkreisen gemacht. Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Befürworter und Vorbehalte. Ich empfand sie als Aktiver als angenehm, weil dadurch Spieler abkühlen konnten. Aber wegen des Austauschs von Schiedsrichtern unter den Verbänden sind für sie die unterschiedlichen Regeln nicht einfach. Neulich gab mal jemand eine Zeitstrafe, ohne dass der Spieler vorher die Gelbe Karte gesehen hatte. Dem Einspruch gegen die Spielwertung musste stattgegeben werden. Ich bin für einheitliche Regelungen von der Hessenliga bis in die C-Liga. 

Es gibt seit einigen Monaten eine Projektgruppe, die sich den Spielbetrieb in Hessen anschaut, um Entwicklungen zu analysieren. Was erhoffen Sie sich von dieser Gruppe?

Ich bin selbst in dieser Gruppe Mitglied. Wir stecken gerade mittendrin. Es gab sechs Sitzungen, fünf davon habe ich verpasst, weil ich noch nicht Regionalbeauftragter war. Das ist ein sehr komplexes Thema, sehr vielfältig. Da muss ich mich selbst noch einarbeiten. Das ursprüngliche Ziel, bis zum Verbandstag 2024 Ergebnisse vorlegen zu können, wird wohl nicht zu halten sein. Das Themenspektrum ist sehr umfassend und reicht von nachlassenden Zahlen im Juniorenbereich bis hin zu Mannschaftsrückzügen bei den Seniorenmannschaften. Es hängt mit dem demografischen Wandel zusammen, mit vermehrten Freizeitangeboten, aber in welche Richtung der Zug fährt, kann man noch nicht sagen. Und klar ist auch: Die Region Kassel ist nicht mit der Region Darmstadt vergleichbar, Wiesbaden nicht mit Fulda. Ob es gelingen wird, jeden zufrieden zu stellen, ist auch nicht sicher.  

Gibt es südhessenspezifische Probleme oder Besonderheiten, die andere Fußball-Regionen nicht haben?

Spezifisch ist für Südhessen die Topografie. Wenn ich uns im Odenwald sehe mit Höhenlagen über 500 Metern und sehe den Kreis Groß-Gerau, flach wie ein Teller, wenn ich unsere Sportplätze sehe, überwiegend Naturrasen, und in anderen Kreisen oft Naturrasen plus Kunstrasen, dann sind das gewaltige Unterschiede. Im Spielbetrieb läuft es gut mit den kreisübergreifenden Kreisoberligen, da haben wir keine Probleme. Und sportlich ist das Niveau mit den drei Hessenligisten auch sehr zufriedenstellend.

Die Zahl der Spielverlegungen scheint zuzunehmen. Würden Sie sagen, dass sich die Prioritäten verschoben haben? Da sind zwei, drei Spieler mit der Eintracht auf Europacuptour, und der Verein bittet um Verlegung...

Die Prioritäten haben sich mit Sicherheit verändert. Der Fußball ist immer noch die Nummer eins, aber andere Prioritäten gab es vor 30, 40 Jahren noch gar nicht, und andere Bereiche wie der Beruf haben an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile gibt es viele Studenten, die ihren beruflichen Fokus nicht mehr an ihrem Heimatort haben. Wenn es gut läuft, stehen sie noch am Wochenende zur Verfügung. Das Freizeitangebot ist vielfältiger, ich müsste lange überlegen, wo es zu meiner Zeit ein Fitnessstudio gab. Hinzu kommt E-Sports et cetera. 

Gewalt auf den Sportplätzen ist ein anderes trauriges Thema. Geht es rauer auf den Sportplätzen zu als früher?

Da hat sich die Gesellschaft verändert. Es gibt mehr Gewalt, mehr Respektlosigkeit, weniger Wertschätzung dem Gegner, dem Schiedsrichter, den Zuschauern gegenüber. Aber das ist nicht nur ein Fußballproblem. Wenn ich alleine die Zahl der Angriffe gegen Polizisten, Rettungsdienste, Feuerwehrleute sehe, da gibt es auch eine signifikante Steigerung. Wenn man die Zahl der Gewalttaten im Verhältnis zur Zahl der Fußballspiele sieht, dann verhält sie sich noch relativ im Rahmen, auch wenn sie gefühlt zugenommen hat. Aber der DFB ist dran, hat ja jetzt auch das „Jahr der Schiedsrichter“ ausgerufen, um da für mehr Wertschätzung zu werben.

Wie kann das Schiedsrichter-Hobby attraktiver werden?

Ein Aspekt ist immer wieder der finanzielle. Ob 30 Cent Fahrtkostenerstattung pro Kilometer in der heutigen Zeit noch angemessen sind, wage ich zu bezweifeln, wenn ich die Spritpreise sehe. Aber das nur am Rande. Es geht um Anerkennung, Wertschätzung und Respekt. Wenn ein Spieler einen Elfmeter verschießt, bei 15 Quadratmeter Trefferfläche, wird er nach seinem Fehler von allen Mitspielern und dem Trainer getröstet. Wenn ein Schiedsrichter einen halben Meter Abseits übersieht, dann wird der zur Sau gemacht. Dieses Missverhältnis beschreibt es für mich am besten und das müssen wir minimieren.

Sie sind seit 1991 Referee, haben auch Hessenliga gepfiffen. Haben Sie selbst mal sich bedroht gefühlt?

Es gab eine Situation in einem Landesligaspiel. Da habe ich einem Spieler die Rote Karte gezeigt. Der wollte körperlich an mich und wurde von Mitspielern aufgehalten, aber ich habe das nicht als Bedrohung empfunden. In 43 Jahren als Polizeibeamter habe ich ein dickes Fell bekommen.

Ein Thema, das sie als Odenwälder Kreisfußballwart beschäftigte, ist der SV Hummetroth. Gerade zu Beginn in der A-Liga gab es viel Aufsehen und Ärger. Da scheint nun Ruhe eingekehrt. Wie beobachten Sie die Entwicklung?

Der SV Hummetroth hat mich tatsächlich über Monate beschäftigt. Man kann darüber auch geteilter Meinung sein. Ich persönlich bin kein Freund dieses Modells. Kommerz ohne Ende ist für mich ein Graus, und wenn er dann noch in den Amateurbereich Einzug hält.... Dass Spieler in Hessen-, Verbands- und Gruppenliga nicht für ein Apfel und ein Ei spielen, ist klar. Aber dass diese Summen schon in der A-Liga regionalligaerfahrenen Spielern gezahlt werden, finde ich nicht gut. Aber wenn der Mäzen, Herr Trizzino, das Geld nicht investieren würde, wäre der Verein nicht mehr existent. Heißt: Im Odenwaldkreis noch ein Verein weniger. Von daher sehe ich es mit einem weinenden und lachenden Auge. Es gibt einen Verein mehr im Odenwald, der sportlichen Erfolg hat, und damit sind wir nicht überbordet. Höchst und Seckmauern sind in der Gruppenliga unsere ranghöchsten Vereine, damit sind wir in der Region Darmstadt Schlusslicht. Von daher würde ich es aus sportlichen Gründen begrüßen, wenn der SV Hummetroth seine sportlichen Ziele und die Hessenliga erreicht. 

Der Verein braucht im Aufstiegsfall eine Jugend- und Zweitmannschaft. Tut sich da etwas?

In bin mit Herrn Trizzino in Kontakt. Er möchte im Jugendbereich wieder aktiv werden und einen leistungsorientierten Nachwuchsbereich installieren. Ob das klappt? Warten wir mal ab. Wobei eine fehlende Jugend und eine zweite Mannschaft erst im zweiten Gruppenligajahr bestraft wird.

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Im nächsten Jahr steht die EM im eigenen Land vor der Tür. Ist Rudi Völler der richtige, um der Nationalelf neues Leben einzuhauchen?

Schwierige Frage. Weil ich auch zu den Menschen gehöre, die sich von „Der Mannschaft“ verabschiedet haben. Ich schaue keine Freundschaftsspiele mehr, nur noch EM und WM. Gegen Rudi habe ich sogar mal in der A-Jugend-Verbandsleistungsklasse gespielt, der heutigen Hessenliga. Er bei Kickers Offenbach, ich bei Sandbach. Rudi hat einen Vorteil: Er kennt den Laden. Er hat aber in Leverkusen auch nicht alle sportlichen Ziele erreicht. Ob er der Heilsbringer ist, lasse ich mal dahingestellt. Und ob Oliver Bierhoff der Sündenbock schlechthin war, wage ich auch zu bezweifeln. Da haben viele Faktoren eine Rolle gespielt. Ich persönlich erwarte von der Nationalmannschaft bei der EM nicht den ganz großen Erfolg. Da ist die Zeit zu knapp und es brennt auch niemand mehr so für die Nationalmannschaft wie früher.

Warum haben Sie sich denn emotional von „Der Mannschaft“ verabschiedet?

Weil sie sportlich nicht überzeugt hat. Und weil sie sich immer mehr abgeschottet hat. Ein Kind, welches ein Autogramm von einem Nationalspieler haben will, muss Gott weiß was anstellen. Es fehlt die Nähe, der Draht zur Basis. Bei der WM habe ich nicht den unbedingt letzten Willen bei jedem Spieler gesehen. Es war kein Team, dass sich zerreißt, das nur den sportlichen Erfolg im Fokus hat.

Die Jugendarbeit des DFB ist nach der verkorksten WM auf dem Prüfstand. Was muss sich tun?

Wir müssen die Kinder wieder früher abholen. Deshalb gibt es zur EM 2024 auch eine Kampagne zum Schulsport. Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Eltern ihre Kinder in den Fußballverein schicken. Wenn wir zum Beispiel die Handball-WM gesehen haben, mit welchem Respekt und welcher Wertschätzung jeder auf dem Spielfeld war, dann können sich Eltern auch für Handball entscheiden. Wenn man dann noch die Ganztagsschulen sieht, dann müssen wir uns fragen: Haben die Kinder noch Bock, wenn sie um 17 Uhr nach Hause kommen, ins Training zu gehen? Wenn wir die Kinder aber in der Schule schon für Fußball begeistern können, in Projektgruppen, Workshops oder Schiedsrichter-Lehrgängen, dann haben wir eine größere Chance. Jugendarbeit darf nicht mehr auf Empfangsbasis ablaufen, am Sportplatztor wartend, wer heute Abend kommt. Wir müssen den Arm ausstrecken, wir müssen die Kinder holen. Sonst haben wir verloren.

Apropos Handball: Warum schafft man es nicht, diese faire Mentalität im Handball auch im Fußball einzuführen?

Weil der letzte Wille dazu fehlt. Das fängt samstags um 15.30 Uhr im Bundesligastadion an. Die Amateurspieler sehen, was da vorgelebt wird: Ball wegkicken, nach jedem Foul am Boden rumwälzen, bei jeder noch so klaren Entscheidung diskutieren, bei unstrittigen Toren den Abseitsarm heben. Das Ganze wird sonntags auf den Amateursportplätzen übernommen. Aber: Hut ab vorm Handball! Da kriegt ein Kreisläufer so viele blaue Flecken ab wie eine ganze Fußballmannschaft und nach dem Spiel schütteln sie sich die Hand. Ich sehe auch keine Rudelbildung im Handball.