Nach vier Jahren in der 3. Liga ist der 1. FC Kaiserslautern wieder zweitklassig. Im Interview spricht Sportchef Hengen über die Chancen und Ziele nach dem emotionalen Aufstieg.
KAISERSLAUTERN. An Donnerstag, 16. Juni, startet der Fußball-Zweitligist 1. FC Kaiserslautern in die Vorbereitung auf die Saison 2022/23. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Sport-Geschäftsführer Thomas Hengen über die Chancen und Ziele nach dem emotionalen Aufstieg.
Der Aufstieg des FCK liegt gerade einmal drei Wochen zurück, am 15. Juli beginnt bereits die Zweitliga-Saison. Sind Sie überhaupt mal zum Durchschnaufen gekommen?
Nein, die Zeit gab es noch nicht. Aber ich bin diese Taktung gewohnt. Das ist ja so, seit ich hier bin. Wir hatten immer relativ kurze Zeitfenster, von daher ist alles wie gehabt.
Vor einem Jahr hatte der FCK gerade so den Absturz in die Regionalliga abgewendet, nun ist der Club zurück in der 2. Liga. Mit ein paar Tagen Abstand: Wie haben Sie den Aufstieg erlebt?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch gar nicht so richtig zurückblicken konnte, weil ich im Tagesgeschäft gebunden bin. Die Euphorie ist natürlich riesig. Was die Fans und die Region hier auf die Beine gestellt haben, war Wahnsinn. Nach den Dürrejahren hatten die Leute den Aufstieg absolut verdient. Dass es über die Relegation passiert ist, war natürlich noch einmal mal um einiges emotionaler. Die Fans sollen auch weiter träumen, aber wir müssen weiter arbeiten und realistisch bleiben.
Also haben Sie noch gar nicht in Ruhe reflektieren können, was da in den letzten beiden Wochen der vergangenen Saison alles passiert ist? Schließlich ist ein Trainerwechsel so kurz vor der Relegation ja schon außergewöhnlich.
So viel Zeit hat man gar nicht, weil man im Fußball von einem Prozess in den Nächsten kommt. Ich bin aber grundsätzlich immer in der Reflexion. Wir analysieren unsere Arbeit regelmäßig und schauen, was gut war, was schlecht war und was besser gemacht werden kann. Das ist ein ständiger Prozess, es geht da nicht nur um zwei oder vier Wochen, sondern um das große Ganze. Aber aktuell müssen wir nach vorne blicken. Die Personalplanungen müssen weiter vorangetrieben und optimiert werden. Wir haben durch den Aufstieg einen höheren Aufwand und müssen daher das Personal in der Geschäftsstelle erweitern. In den letzten Jahren wurde hier diesbezüglich viel abgebaut. Es gibt jetzt wieder mehr Aufgaben, wie zum Beispiel im Ticketing.
"Wir wollen seriöse und nachhaltige Arbeit abliefern"
Ist der Aufstieg auch eine Chance, um eine neue Identität für den FCK zu schaffen?
Antwort: Der Verein hat schon seine Identität. Entscheidend ist, dass die handelnden Personen immer im Sinne des Vereins arbeiten. Seit ich verantwortlich bin, habe ich es so erlebt, dass Hand in Hand für ein gemeinsames Ziel gearbeitet wird. Wir haben viele Dinge auf den Weg gebracht, ohne das Interna nach draußen gedrungen sind. Das geht nur, wenn man miteinander und nicht übereinander spricht. Wir wollen seriöse und nachhaltige Arbeit abliefern, die der Fan auch ein Stück weit nachvollziehen kann. Dass man extern nicht immer alles verstehen kann, ist völlig normal. Aber wir versuchen alles so transparent wie nur möglich zu machen.
Sportlich dürfte die kommende Saison für den FCK vom Abstiegskampf geprägt sein. Das deckt sich aber nicht mit der Erwartungshaltung im Umfeld, die teilweise sehr groß ist. Wie bekommt man den Spagat zwischen Euphorie und Realismus hin?
Die Euphorie im Umfeld soll bleiben und weitergehen. Wir wollen da auch gar nichts bremsen. Wir hoffen, dass wir in den ersten Saisonspielen viele Zuschauer ins Stadion bekommen. Das liegt aber in erster Linie an uns. Wir wissen, wie hart es war, in diese Liga zu kommen und wie hart es wird, sie zu halten. Wir sind realistisch: Das wird kein Spaziergang. Dieses Jahr wartet auf uns dazu auch noch eine besondere Saison, weil sie durch die ungewöhnliche WM-Konstellation recht früh unterbrochen wird.
Zu welchem Faktor kann die Unterstützung der Fans werden?
Die Fans sind immer ein wichtiger Faktor. Das haben sie ja nicht nur in den letzten Spielen der vergangenen Saison gezeigt. Gegen die Zweitvertretung von Borussia Dortmund war das Stadion ausverkauft, das ist unfassbar für die 3. Liga. Dass die Unterstützung unserer Fans uns Extrapunkte ermöglichen kann, da brauchen wir nicht drüber zu reden. Wir wissen das auch sehr zu schätzen. Es liegt an uns, unsere PS auf den Platz zu bringen.
"Brauchen gute Mischung zwischen Erfahrung und jugendlicher Unbekümmertheit"
Trainer Dirk Schuster hat jetzt die Chance, seine eigenen Ideen umzusetzen und die Mannschaft nach seinen Vorstellungen zusammenzustellen. Auf welchen Positionen wollen oder müssen sie sich verstärken?
Wir sind natürlich ständig im Austausch und versuchen die Mannschaft so gut aufzustellen, dass sie konkurrenzfähig ist. Wir in der sportlichen Leitung, also Trainerteam, Scouting, Geschäftsführung, sind dafür da, alles realistisch einzuschätzen, um dann auch zu schauen, welcher Spieler Zweite Liga spielen kann und wer noch nicht ganz so weit ist. Im Kader brauchen wir eine insgesamt gute Mischung zwischen Erfahrung und jugendlicher Unbekümmertheit. Letztes Jahr hatten wir bei der Kaderplanung das Thema Größe, jetzt geht es ein bisschen mehr um den Umschaltmoment, darum mehr Tempo in unser Spiel zu bekommen.
Mit welchem Etat planen Sie in der kommenden Saison?
Wir haben unsere Planzahlen, an denen wir uns orientieren. Ob und wie weit wir davon abweichen müssen, wissen wir erst am Ende der Transferperiode am 1. September. Das ist alles dynamisch, weil wir auch sehen müssen, dass wir den ein oder anderen Spieler haben werden, der wenig Spielzeit bekommen wird und sich eventuell noch verändern will. Bis zum Ende des Transferfensters kann noch viel passieren.
"Wollen so schnell wie möglich 40 Punkte erreichen"
Inwiefern verändert die veränderte Ligazugehörigkeit die Verhandlungsposition des FCK in der Transferpolitik?
Das ist natürlich ein Vorteil, aber es ist definitiv nicht so, dass uns als Aufsteiger alle gestandenen Spieler aus der 2. Liga die Tür einrennen. Es wäre von Vorteil, wenn man in der Vorbereitung den Großteil der Mannschaft zusammen hat, aber auf dem Transfermarkt wird sich alles nach hinten schieben, auch weil die Bundesliga-Saison erst Anfang August beginnt. Es wäre zwar schön, den Kader schon im Trainingslager zusammen zu haben, aber ich kann mir das kaum vorstellen.
Wie lautet das Ziel für die kommende Saison?
Der Verein war vier Jahre in der 3. Liga und es war auf des Messers Schneide, dass wir ein fünftes Jahr dranhängen müssen. Es geht für uns darum, so schnell wie möglich das Ziel der 40 Punkte zu erreichen. Wir sollten demütig an die Sache herangehen. Das Ziel kann nur der Klassenerhalt sein.
Von dpa