Es ist eine emotionale Mitgliederversammlung für die 05er und ihre Fans. Nicht nur, weil Harald Strutz zum Ehrenpräsidenten ernannt wird. Für besondere Momente sorgen auch...
MAINZ. Harald Strutz hat Tränen in den Augen. Die fast 700 Mitglieder sind allesamt aufgestanden, applaudieren minutenlang. Herzlich, laut. Einstimmig haben sie den 68-Jährigen an diesem Abend in der Opel Arena zum Ehrenpräsidenten des FSV Mainz 05 gewählt. Es ist die endgültige Versöhnung zwischen dem langjährigen Präsidenten, der den Klub 2017 nach 29 Jahren nach der massiven Kritik an seinen Einkünften verlassen hatte, und den Fans. „Ich bin überwältigt“, meint Strutz. „Über diesen unfassbaren Applaus. Manchmal ist das Füllhorn mit Glück gefüllt. Dieses Glück empfinde ich heute.“ Schließlich kommt wenige Stunden zuvor auch ein weiteres Enkelchen zur Welt.
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„Dein Verein wird immer Dein Verein bleiben. Und in dessen Geschichte wirst Du immer einen Platz einnehmen. Diese Verbindung bleibt untrennbar bestehen“, sagt Reinhard Rauball. Der Präsident von Borussia Dortmund ist eigens aus dem Ruhrpott angereist, um die Laudatio für seinen ehemaligen Weggefährten in der Deutschen Fußball-Liga zu halten. „Du hast den Verein geprägt. Und dank Deines großen Einsatzes und Deiner Kreativität dafür gesorgt, dass Mainz 05 über die Grenzen der Stadt hinaus ein geschätzter Verein und fester Bestandteil im deutschen Profifußball ist.“
Immer wieder nimmt Strutz das Wort „unfassbar“ in den Mund. Bewusst. Genau das sei es für ihn gewesen, die Utopie Realität werden zu lassen. Den Verein wachsen zu sehen. „Und dabei ging es oftmals um nicht weniger als das sportliche und wirtschaftliche Überleben.“ An diesem Abend verkünden die heutigen Verantwortlichen einen Rekordumsatz – 145,4 Millionen Euro.
Jürgen Klopp meldet sich aus Liverpool
Es wird schließlich noch emotionaler. Jürgen Klopp schaltet sich per Videobotschaft aus Liverpool zu. „Es ist ein wichtiger Abend heute“, sagt der Kulttrainer, der unter Strutz seine erfolgreiche Karriere als Trainer am Bruchweg begonnen hat. „Ich gehöre sicher zu den wenigen, die gedacht haben: Endlich hat man es kapiert.“ Diese Jungs, so Klopp, der damit den gesamten Altvorstand, der geehrt wird, meint, hätten es verdient. Mit einem schelmischen Grinsen schiebt er hinterher: „Schließlich sind sie persönlich dafür verantwortlich, dass der Verein mich 18 Jahre ernährt hat. Und dass er heute, und das soll nicht despektierlich klingen, nicht gegen Pirmasens, Schott, Gonsenheim oder Trier spielt. Sie haben die Basis geschaffen, als alles am Boden lag.“
Es folgt ein ebenfalls besonderer Moment – Christian Heidel meldet sich kurz darauf erstmals seit seinem Schlaganfall vor zwei Monaten zu Wort. „Ich fühle mich topfit, bin gesund“, erklärt der auf Mallorca weilende Ex-Manager der 05er, der auch zum Ehrenmitglied ernannt wird. „Ich wäre super, super gerne nach Mainz gekommen. Jeder weiß aber ja, dass ich vor ein paar Wochen ein kleines, überraschendes Missgeschick hatte.“ Er habe nie auf Ärzte gehört – jetzt rate er dies jedem. „Ich ziehe meine Reha bis zum letzten Tag durch.“ Und sogleich scherzt der 56-Jährige: „Ich habe die gleichen Schäden wie vorher.“
Heidel, der die 05er 2016 in Richtung Schalke 04 verlassen hatte, fügt mit Blick auf die sportliche Krise der Mainzer hinzu: „Erinnert Euch, wie wir früher damit umgegangen sind. Ihr habt am Freitag ein ganz wichtiges Spiel gegen den 1. FC Köln. Steht zusammen, reißt den Laden ab und schlagt sie.“
„Die Zukunft ist rosig, weil die Vergangenheit nicht so schlecht war.“
Auch Klopp würdigt den ehemaligen Manager. „Ohne Christian wäre das alles hier niemals möglich gewesen. Er hat eine unglaubliche Anzahl von mutigen und richtigen Entscheidungen getroffen. Bevor diese Leute an den Start gingen, war Mainz 05 ein Verein wie jeder andere. Was ihr geleistet habt, ist außergewöhnlich. Ihr habt dafür gesorgt, dass der Verein heute dasteht, wo er steht: als Vorzeigeverein.“ Er werde Heidel dies niemals vergessen. Und rief allen Mitgliedern zu: „Die Zukunft ist rosig, weil die Vergangenheit nicht so schlecht war.“
Strutz schickt einen „besonderen Gruß an Christian Heidel“. Und betont ebenfalls, wie wichtig gerade jetzt der Zusammenhalt sei. „Wenn ich unseren Cheftrainer Sandro Schwarz an der Seitenlinie toben sehe: Du hast das 05-Gen“, ruft er dem anwesenden Schwarz zu. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, uns an tollste Zeiten erinnern. Manchmal läuft es halt nicht so. Alle Fangruppierungen sind gefordert, auch die Mainzer, die in letzter Zeit nicht so zahlreich gekommen sind.“