Angefeuert von über 30.000 Frankfurter Fans im Camp Nou schaffen die Hessen die Sensation in der Europa League. „La Bestia blanca“ wird geboren. Ein Rückblick.
Barcelona/Frankfurt. Es sind trübe Tage in dieser Zeit rund um die Frankfurter Eintracht. Da lohnt ein Blick zurück auf den 14. April vor einem Jahr, der nicht nur für immer in Erinnerung aller „Adler“ bleiben wird, sondern wohl vielleicht auch ein bisschen die Fußball-Welt verändert hat. Die Eintracht spielte in Barcelona, Auswärtsspiel im Viertelfinale der Europa League. Aber was heißt Auswärtsspiel? Es wurde zu einem Heimspiel. 30.000 Frankfurter Fans fluteten die katalanische Metropole am Mittelmeer. Unser Mitarbeiter Peppi Schmitt schildert seine ganz persönlichen Eindrücke rund um dieses Spiel.
Schon nach der Auslosung herrschte in Frankfurt Ausnahmezustand. Barcelona, das große Barcelona, hörte sich nach Champions League an und war doch Europa League. Die Eintracht spielte zuerst zuhause. Mehr als 100.000 Kartenwünsche gingen für die Partie im Deutsche Bank Park am 7. April ein. Die Herausforderung für die Organisatoren war fast genauso groß wie für die Mannschaft. Auch die Journalisten waren aufgeregt, ich zumindest. Die Eintracht gegen Barcelona, tatsächlich? Na klar stand auch bei mir das Telefon nicht still. „Kannst du irgendwie was machen…“, lautete die Frage. Natürlich konnte ich nichts machen, fast nichts. Für meine Frau und meinen Neffen habe ich zwei Karten ergattert.
Das Spiel war dann wie erwartet. Barcelona war besser, reifer, spielte den schöneren Fußball. Die Eintracht war kämpferischer, leidenschaftlicher und für das Schöne waren die Fans mit einer beeindruckenden Choreografie zuständig. Und natürlich Ansgar Knauff. Der hat die Adler in Führung geschossen, die Barcelona noch ausgleichen konnte. 1:1, der Journalist in mir war zufrieden. Vor dem Rückspiel war nichts entschieden, das ist in solchen Fällen, vor solchen Reisen, immer wichtig.
Die Reise nach Barcelona war legendär. Für alle, die dabei waren, für die geschätzt 30 000 Fans, für mehr als zwei Dutzend Medienvertreter, für die Mannschaft, für den ganzen Klub. Die Eintracht hatte in eine „Frankfurter Botschaft“ geladen, wie sie es vorher schon bei den Pokalendspielen 2018 und 2019 in Berlin getan hatte. Da traf sich dann in einem wunderschönen Ambiente die gesamte Eintracht-Familie. Beste Gelegenheiten für gute Gespräche. Axel Hellmann und Peter Fischer beschworen die guten Chancen, die meisten Journalisten konnten nur müde lächeln. Wir waren auf Ausscheiden eingestellt.
Das hat sich bei mir am Tag des Spiels geändert. Ganz alleine in der Stadt unterwegs war ich doch nicht alleine. Ich habe in einem Café gesessen und die Tausenden in weiß gekleideten Frankfurter beobachtet. Voller Freude waren sie, fast schon euphorisiert. Die Katalanen hatten so etwas noch nie gesehen. Sie staunten und machten sich so ihr Gedanken über die „Verrückten“ aus Deutschland. Auf dem Weg zum Stadion sah es aus wie in Frankfurt, das legendäre „Nou Camp“ wirkte wie eine Filiale des Waldstadions. Eine Schrecksekunde hatte ich schon vorher. Mein Personalausweis war verschwunden. Frage an der Rezeption im Hotel: Personalausweis gefunden? Antwort: Nein. Na ja, vielleicht würde der Rückflug ja mit dem Führerschein oder dem Presseausweis gelingen.
Oliver Glasner setzt zum „Diver” an
Dann das Spiel und eine fantastische Eintracht. 1:0 Kostic, 2:0 Borré, 3:0 Kostic, am Ende 3:2, die Eintracht war weiter. Im Stadion, diesem riesigen weltbekannten Kessel, strömten die 30.000 Frankfurter, trotz dieser ungeheuren Menge eine Minderheit bei 78.000 Zuschauern, in eine Kurve. Von links nach rechts, von rechts nach links. Das ging im Camp Nou, die Blöcke waren offen, die Wege waren frei für die größte gemeinsame Feier von Fans und Mannschaft nach einem Auswärtsspiel. Es war eine weiße Welle, die da voller Freude hin- und her wogte. Unten die „weißen Helden“ um den an diesem Abend genialen Filip Kostic, oben die glückseligen weißen Fans. Die „bestia blanca“ war geboren. Oliver Glasners „Diver“ war so legendär wie die Fanmassen und die Teamleistung. Ach ja, und alles war friedlich.
Als ich in der Nacht ins Hotel kam, war auch der Ausweis wieder aufgetaucht, an der Rezeption hatte ihn irgendein Witzbold in eine Schublade gepackt. Na und? Und am nächsten Tag hatte ich Corona. Na und? Das ist alles längst vergessen, das Spiel wird nie vergessen werden.