Keine Flügelzange, keine „Büffelherde“, keine Geschlossenheit. Ist die Erfolgsgeschichte der Eintracht vorbei? Bei einem Torverhältnis von 2:13 läuten die Alarmglocken...
FRANKFURT. Der Aufstieg der Frankfurter Eintracht in den letzten vier Jahren mutet an wie ein modernes Märchen. Von der Relegation 2016 ins Pokalendspiel 2017, vom Pokalsieg 2018 ins Europapokalhalbfinale 2019. Ein steiler Weg, immer weiter, immer höher. Doch jetzt droht das Märchen ein böses Ende zu nehmen. Nach der 1:3-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach, dem vierten Bundesligaspiel in Folge ohne Punkt bei einem Torverhältnis von 2:13, läuten die Alarmglocken in Frankfurt. Der fünfte Abstieg aus der Bundesliga ist nicht mehr ausgeschlossen, aktuell gehören die Frankfurter sicher zu den drei schlechtesten Teams der Liga. Gründe für den sportlichen Absturz, der wie die Coronakrise auch den wirtschaftlichen Aufschwung bedroht, gibt es viele. Hier seien nur ein paar aufgezählt.
Es war einmal… eine Mannschaft, um deren Flügelzange sie von fast allen beneidet wurde. Rechts Danny da Costa und links Filip Kostic mischten die Liga auf. Beide waren sie in der erfolgreichen letzten Saison als „Dauerbrenner“ fast immer im Einsatz, sie waren in der Gruppe nicht zu ersetzen und wurden auch vom Trainer im Grunde für unverzichtbar erklärt. Das hat sich geändert. Da Costa wird seit Wochen bei der Aufstellung gemieden, sogar bei den Einwechslungen, als habe er eine ansteckende Krankheit. Und Kostic muss sich, quasi ohne Unterstützung, in den Begegnungen mit zwei, drei Gegnern herumschlagen und verliert die Lust am Kicken. Was gegen Mönchengladbach sichtbar wurde. Die Änderung des Abwehrsystems von Dreier- auf Viererkette hat diesen beiden Spielern definitiv geschadet. Und damit hat sich die Eintracht eine ihrer schärfsten Waffen selbst beraubt.
Es war einmal… eine „Büffelherde“, die halb Europa aufgemischt hat. Doch Luka Jovic, Ante Rebic und Sébastien Haller wurden allesamt teuer verkauft. Das Geld wurde nicht wirklich für adäquaten Ersatz reinvestiert. Zwar zeigt André Silva immer bessere Ansätze, doch Bas Dost war meist verletzt und Goncalo Pacienca ist verletzt und hat zudem nach einer guten ersten Saison als „vierter Mann“ den Sprung in die erste Reihe nicht geschafft. Statt den Angriff zu verstärken, wurde er im Winter durch die Verleihe von Dejan Joveljic zumindest quantitativ noch geschwächt. Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus brachte es nach dem Gladbach-Spiel auf den Punkt: „Die Eintracht hat Jovic, Rebic und Haller nicht mehr, die Borussia hat Embolo, Plea und Thuram.“ Genau das hat den entscheidenden Unterschied gemacht.
Es war einmal… ein „Scouting“, das innovativ und fantasievoll gearbeitet hat. Da kamen unter anderen Sebastian Haller aus Utrecht, Luka Jovic von der zweiten Mannschaft aus Lissabon oder Evan Ndicka aus Auxerre. Von dieser Linie ist die Eintracht vor dieser Saison abgekommen. Es wurden Spieler wie Dominik Kohr und Bas Dost oder Djibril Sow und im Winter Stefan Ilsanker geholt, allesamt in ihrem Leistungsvermögen unterer Durchschnitt und vor allem kaum noch entwicklungsfähig. Die Einkaufspolitik hat diesmal überhaupt nicht funktioniert.
Es war einmal… eine Mannschaft, die geschlossen aufgetreten ist, offensiven Fußball gespielt hat, aber trotzdem verteidigen konnte. Jetzt spielt die Eintracht nicht mehr offensiv und trotzdem ist das Verteidigen völlig abhandengekommen. Die Kompaktheit fehlt, die klare Linie auch. Von der Tribüne sieht es nicht nach einer Mannschaft aus, in der die Rädchen ineinandergreifen, sondern es sind drei verschiedene Teile, Abwehr, Mittelfeld und ein Hauch von Angriff.
Es war einmal… ein Verein, der in eine sorgenfreie Zukunft blickte. Das hat sich in kürzester Zeit verändert. Unverschuldet durch die Coronakrise, die die Übernahme der Arena in einem anderen Licht erscheinen lässt und den wirtschaftlichen Aufschwung bremst. Selbst verschuldet durch eine immer schwächer werdende sportliche Performance. Die Sorgen, die vier Jahre lang an anderen Bundesligastandorten daheim waren, sind nach Frankfurt zurückgekehrt. PEPPI SCHMITT
Von Peppi Schmitt