Stilfrage gelöst: Eintracht spielt wieder wie Eintracht
Vor kurzem wurde bei der Eintracht die Stilfrage gestellt. Für welchen Fußball steht die Mannschaft? Jüngst haben Trainer und Spieler eine überzeugende Antwort darauf gegeben.
Von Peppi Schmitt
Florian Wirtz (Bayer Leverkusen, links) und Makoto Hasebe (Eintracht Frankfurt, rechts).
(Foto: Jan Hübner)
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FRANKFURT - Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde bei der Frankfurter Eintracht die Stilfrage gestellt. Für welchen Fußball steht diese Mannschaft? In den letzten Wochen haben Trainer und Spieler eine eindeutige und überzeugende Antwort gegeben. Die Frankfurter Mannschaft hat ihren ureigenen Stil wiedergefunden. Fußball mit Leidenschaft, offensiv und mutig, technisch gut und taktisch diszipliniert hat die Eintracht gegen Bayer Leverkusen gespielt und das Spitzenteam hochverdient mit 2:1 (1:1) geschlagen.
Dabei haben die Frankfurter Fußball gezeigt, der begeistert. Gegenüber manch trögem Kick im letzten Herbst ein frappierender Fortschritt. „Wir haben ein Zeichen gesetzt“, sagte der sichtlich zufriedene Trainer Adi Hütter, „die Art und Weise wie wir gespielt haben, wie wir einen Rückstand gedreht haben, hat mir imponiert.“ Die Eintracht ist wieder auf „Tuchfühlung“ (Hütter) mit jenen Tabellenplätzen, die als Saisonziel ausgegeben wurden. „Und wenn wir häufiger so über 90 Minuten spielen, bin ich sicher, dass wir noch einige Siege einfahren werden“, glaubt der Eintracht-Coach. Was zunächst einmal in den letzten drei Begegnungen der Vorrunde gegen Mainz, Schalke und Freiburg zu beweisen sein wird.
Fußball gespielt, im Sinne des Wortes
Nach allerlei taktischen Wirrnissen hat der Frankfurter Trainer zumindest vorübergehend überzeugende Lösungen gefunden. Bei aller Kampfkraft und Leidenschaft, die die Frankfurter Mannschaft schon seit Jahren auszeichnet, wird nun wieder Fußball gespielt, im Sinne des Wortes. „Wir haben uns spielerisch weiterentwickelt“, sagt Abwehrrecke Martin Hinteregger. „Tolle Ballstafetten“ hatte der Trainer ausgemacht. Verantwortlich dafür war das gesamte Mittelfeld, die eher defensiv eingestellten Makoto Hasebe und Djibril Sow und die offensiven Daichi Kamada und Amin Younes, allesamt Fußballspieler mit hoher Spielintelligenz. Hütter hat da die richtige Mischung gefunden. Das Ausgleichstor in der 22.Minute war beispielgebend. Hasebe hatte direkt auf Sow weitergeleitet, dem Schweizer Nationalspieler war ein prächtiger Pass in die Schnittstelle der Abwehr gelungen und Younes hatte sein erstes Tor für die Eintracht im Duell gegen den ehemaligen Eintracht-Keeper Lukas Hradecky erzielt.
Der ewige Hasebe: „Einfach Wahnsinn“
In zwei Wochen, am 18.Januar, feiert Makoto Hasebe seinen 37.Geburtstag. Am 30.Juni läuft sein Vertrag bei der Frankfurter Eintracht aus. „Er ist in einem Alter, da muss man über das Ende der Karriere nachdenken“, hatte Trainer Adi Hütter jüngst gesagt. Hasebe, aktuell der älteste Spieler der Bundesliga, wollte ihm da noch nicht folgen. „Es ist noch nicht entschieden, ob ich Schluss mache“, erwiderte er energisch. Und womöglich wird auch der Eintracht-Coach seine Meinung noch einmal überdenken. Denn in der Form des Spiels gegen Leverkusen ist Hasebe weiterhin für die Frankfurter Mannschaft unverzichtbar. Das Erstaunlichste: Hasebe spielte gegen die „Werkself“ wieder mal im Mittelfeld und nicht, wie sonst üblich, auf der weniger laufintensiven Position des „Liberos“. Hasebe ersetzte Sebastian Rode in einer Art und Weise, die Kollegen wie Beobachtern Respekt abnötigte. Er war ballsicher, laufstark, zweikampfstark, einfach gut. „Hase ist einfach Wahnsinn“, sagte Kollege Martin Hinteregger, „als ich am Freitag die Aufstellung erfahren habe mit Hase auf der Sechs, habe ich mich sehr gefreut. Er tut uns mit seiner spielerischen Intelligenz gut, er haut keine Bälle blind weg. Das war sicher heute auch ein Faktor für den Sieg.“ Hintereggers Lobeshymne hat den Stellenwert des Japaners im Team deutlich gemacht.
Der Trainer attestierte Hasebe ein „hervorragendes Spiel“, er habe einmal mehr unter Beweis gestellt, „welch Klassespieler er ist.“ Seit sechseinhalb Jahren spielt der ehemalige Kapitän der japanischen Nationalmannschaft, in der Heimat so populär wie bei uns Franz Beckenbauer, für die Eintracht. Ohne den Blick auf den Personalausweis käme keiner auf die Idee, dass er schon auf die 40 zugehen könnte. Die letzten beiden Verträge mit Hasebe hat Sportvorstand Fredi Bobic immer nach kurzen Gesprächen um ein Jahr verlängert. Solange Hasebe sich in solch prächtiger körperlicher Verfassung präsentiert, spricht nichts dagegen, diese Praxis beizubehalten. Gerade nach dem Weggang von David Abraham, der ja Ende Januar seine Karriere beenden wird, wäre es für die Eintracht ein Glück, wenn Hasebe noch ein Jahr dranhängt.
Es war ein Treffer, der besonders die Vorzüge von Sow und Younes herausgestellt hat. Sow komm nach einem schweren ersten Jahr immer besser in Fahrt, präsentiert sich laufstark, spielstark und diszipliniert, vor allem auch selbstbewusst. „Djibi hatte nach seiner Verletzung in der ersten Vorbereitung Probleme, in Tritt zu kommen, hat sich aber mit Ruhe und beinhartem Training zurückgekämpft“, gab‘s ein Sonderlob vom Trainer, „er hat nie gemotzt, sondern an sich gearbeitet. Jetzt ist er da, wo ich ihn mir wünsche.“ Und Partner Younes ist nach Corona-Pause und Verletzung auf dem Weg dahin. Der ehemalige Nationalspieler hätte sogar noch ein weiteres Tor schießen müssen, vergab nach Vorarbeit von Kamada überhastet. Hütter: „Amin hat dem Spiel seinen Stempel aufgedrückt, war immer anspielbar, giftig gegen den Ball und ein absoluter Schlüsselspieler.“
Hütter hatte richtige Entscheidungen getroffen, für den gesperrten Sebastian Rode Makoto Hasebe aufgestellt und Kamada den Vorzug vor Aymen Barkok gegeben. Dem Japaner haben die Denkzettel der letzten Wochen sichtlich gutgetan, er wirkte deutlich konzentrierter, hat Chancen vorbereitet und den Siegtreffer eingeleitet, als Tapsoba eine scharfe Flanke ins eigene Tor lenkte. Freilich: Noch war nicht alles Gold, was glänzte. Denn am Ende musste die Eintracht doch noch zittern, weil sie zu viel klare Gelegenheiten ungenutzt gelassen hatte. Nicht nur Younes hatte eine sogenannte „Hundertprozentige“ verdaddelt, Kamada war das gleiche Missgeschick unterlaufen. „Wir hätten nur früher für die Entscheidung sorgen können“, sagte der Trainer, „aber die Balance hat gestimmt, denn wir haben bis zum Schluss gut dagegengehalten.“
Die Abwehr hielt diesmal Stand, ließ kaum Chancen für die Leverkusener zu, die mit Einwechslungen von Kerem Demirbay, Karim Bellarabi und Lucas Alario ihre ganze Offensivpower einbrachte. Doch die einzig wirkliche Chance für Bayer produzierte die Eintracht selbst. Martin Hinteregger traf bei einem Rettungsversuch in der 84.Minute das eigene Lattenkreuz. Der Ball war ihm vom Schienbein abgeprallt. „Das war schon kurios“, sagte der Österreicher, „ein Dank an die Schienbeinschoner, dass ich sie gut gerichtet hatte. Ich habe schon viele Eigentore geschossen, heute hatte ich Glück.“ Dass Torwart Kevin Trapp kaum einen Ball halten musste, zeigt aber, dass es diesmal deutlich mehr Geschick als Glück war, das zum Frankfurter Sieg beigetragen hatte.