Das 2:6 des SV Darmstadt 98 beim SC Paderborn hat es sogar in die Weihnachtspredigt der Michaelsgemeinde geschafft. Trainer Dirk Schuster fordert eine umfassende Analyse des Spiels.
Von Jan Felber
Sportredakteur
Nachdenklich geworden: Lilien-Trainer Dirk Schuster will einiges verändern in der Rückrunde.
(Foto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
DARMSTADT - Wenn es ein Fußballverein in eine Weihnachtspredigt schafft, dann ist das gemeinhin kein allzu gutes Zeichen. Manfred Werner, Pfarrer der Michaelsgemeinde im Darmstädter Martinsviertel, erwähnte den SV Darmstadt 98 an Heiligabend in seiner Predigt – mit dem Hinweis, dass ihm dies als bekennender Fan nach einem 2:6 nicht leicht falle. Werner hatte eine Bildershow gezeigt, die den Lauf eines Lebens darstellte. Ein Bild zeigte ein Fußballstadion. „Ich hatte überlegt, es herauszunehmen nach einer solch fatalen Woche“, sagte Werner. Doch immer gewinnen kann ja auch keiner.
Auch der SV 98 kann das nicht, und doch ist dieses Weihnachtsfest wieder genauso schwer gewesen wie in der jüngeren Vergangenheit0. Im vergangenen Jahr hatten die Lilien gerade Trainer Torsten Frings rausgeworfen und Dirk Schuster zurückgeholt, im Jahr zuvor erst war Frings für den drei Wochen zuvor entlassenen Norbert Meier gekommen. Zur Weihnachtszeit tut sich also manchmal Entscheidendes. Das ist dieses Jahr anders, Schuster sitzt – zumindest offiziell – fest im Sattel. Auch, weil der Verein in der Winterpause sechs Punkte Vorsprung hat auf Relegationsplatz 16, acht sind es auf den Vorletzten 1. FC Magdeburg, neun sogar auf Schlusslicht FC Ingolstadt. Das beruhigt.
Wer das 2:6 beim SC Paderborn vor Ort miterleben durfte (oder musste), dem konnte freilich nicht entgehen, dass es einen kleinen Riss zu geben schien zwischen Mannschaft und Trainer. „Seid Ihr bescheuert!“, hatte Schuster nach dem Treffer zum 2:6 seiner Mannschaft entgegengerufen. „Das war eine normale, emotionale Reaktion“, wiegelte er später ab. „Wenn man die Gegentore vorher gesehen hat, wie wir die bekommen haben, und dann in den letzten Minuten noch mal drei eingeschenkt bekommen, dann ist das nicht angenehm.“ Das 2:4 fiel aus 40 Metern Entfernung, vor dem 2:5 verlor Felix Platte ein Kopfballduell, vor dem 2:6 rutschte Aytac Sulu weg. „Das ist nicht gut fürs Gefühl und auch nicht für die Tordifferenz“, haderte Schuster. „Das macht einen wütend, und so ist auch meine Reaktion ausgefallen.“
Mittlerweile dürften sich die Gemüter beruhigt haben, die Baustellen sind aber geblieben. Nicht nur in Paderborn wurde deutlich, was den Lilien fehlt. „Wenn man jedes Mal vier Tore schießen muss, weil der Gegner immer drei macht, dann geht das auf Dauer nicht gut“, moserte Darmstadts Trainer, der am Samstag 51 Jahre alt wird. „Es war deutlich zu sehen, wo unsere Problemzonen waren. Da gilt es, besser zu werden, in welcher Form auch immer. Das lasse ich jetzt mal offen.“ Was Schuster meinte, hatte trotzdem jeder begriffen: Es muss nachgebessert werden.
Es sind vor allem zwei Zonen, in denen die Darmstädter Probleme haben. Im zentralen Mittelfeld fehlt oft der Zugriff, was in dieser Saison nicht nur Paderborn brutal ausgenutzt hat. Erinnert sei etwa an das 1:4 bei Dynamo Dresden, wo alle Gegentore durch die Zentrale fielen. „Wir wussten, dass wir uns keine Fehlabspiele, keine einfachen Fehler, keine mit viel Risiko behafteten Passspiele erlauben können“, hatte Schuster in Paderborn erkannt. „Weil dann Minimum fünf Spieler blitzschnell umschalten.“ Und die Abwehr dann auch nicht mehr viel ausrichten kann – wenn sie überhaupt in der Lage dazu ist. Und auch auf der Position des Rechtsverteidigers herrscht Bedarf – weder Sandro Sirigu, Immanuel Höhn noch Tim Rieder haben dort überzeugt.
Auf Verstärkungen hoffen in der Winterpause – kann das das Heilmittel sein? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Top-Transfers kaum zu verwirklichen sind. Und der SV 98 ist auch nicht derart gefragt, dass sich Spieler von sich aus anbieten. Schuster weiß das. Auch deshalb sagt er Sätze wie diesen: „Wir sollten so schnell wie möglich die Kurve kriegen. Ich bin ganz froh, dass wir jetzt eine ganze Zeit lang kein Pflichtspiel haben, damit wir uns mal kräftig durchschütteln können.“ Er sprach zudem ganz offen vom Abstiegskampf. „Natürlich ist das so, wenn man nach 18 Spieltagen 19 Punkte hat. Das ist kein guter Schnitt, das ist ganz klar.“ Man sei zudem gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass die Mitkonkurrenten ihre Spiele immer verlieren würden. „Wir sind gefordert, selbst unsere Punkte zu holen. Wir müssen vieles bedeutend besser machen, wir haben schon 33 Gegentore bekommen. Da schrillen schon die Alarmglocken.“
Auch deshalb werden die freien Tage für Schuster sicher keine komplett freien sein. „Wir sind gut beraten, in die genaue Analyse dieses Spiels zu gehen, aber auch in eine Analyse der gesamten Vorrunde“, sagte er. „Wir müssen wieder sauber verteidigen und unsere Fehlerquote im Spiel nach vorne minimieren. Erst dann sind wir wieder in der Chance, Siege einzufahren.“
Der Darmstädter Pfarrer Manfred Werner zumindest wird dem SV 98 auch im neuen Jahr die Treue halten. „Niederlagen gehören zum Leben schließlich auch dazu“, hatte er an Heiligabend in seiner Predigt gesagt. Er selbst werde trotz des 2:6 immer Anhänger des SV 98 bleiben – denn der gehöre schließlich auch zu seinem Leben dazu.