Daniel Heuer Fernandes: Abschied vom Böllenfalltor
Der 26 Jahre alte Torwart verlässt den SV 98 in Richtung Hamburger SV. Möglich macht dies eine Ausstiegsklausel – und die sind Teil des Geschäfts
Von Jan Felber
Sportredakteur
Drei Jahre lang hat Daniel Heuer Fernandes das Lilien-Trikot getragen. Jetzt zieht es ihn zum Hamburger SV.
(Foto: Florian Ulrich)
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DARMSTADT/HAMBURG - Daniel Heuer Fernandes verlässt den SV Darmstadt 98: Der Torwart des Fußball-Zweitligisten wird künftig für den Ligakonkurrenten Hamburger SV spielen. Das gaben beide Vereine am Freitag bekannt. Möglich macht dies eine Ausstiegsklausel: Der Deutsch-Portugiese hat in Darmstadt zwar einen Vertrag bis Ende Juni 2020, doch für etwas mehr als eine Million Euro kann er gehen. Genau dies ist jetzt geschehen.
„Ich habe den Lilien viel zu verdanken, hier bin ich zu einem besseren Spieler gereift“, sagt Heuer Fernandes. „Ich habe immer betont, dass ich weiß, was ich am Verein habe und welch große Wertschätzung mir entgegengebracht wurde, weshalb mir dieser Schritt auch nicht leicht fällt. Die Zeit in Darmstadt wird für mich unvergessen bleiben, ich freue mich schon jetzt auf das Wiedersehen in der kommenden Saison.“
Als Heuer Fernandes im Sommer 2016 nach Darmstadt kam, war im Traum nicht daran zu denken, dass er eines Tages einer der besten Torhüter der Zweiten Liga sein würde. Er war vom SC Paderborn gekommen, aus einer Mannschaft, die gerade in die Dritte Liga abgestiegen war. Und nicht einmal dort war er zu Beginn der Saison Stammtorwart gewesen, er verdrängte erst nach der Winterpause Lukas Kruse. Am 21. Februar 2016 stand er erstmals für die Ostwestfalen im Tor, danach fehlte er keine Sekunde mehr. Doch auch er konnte den Abstieg in die Drittklassigkeit letztlich nicht verhindern.
All das muss man wissen, wenn man heute darüber mosert, dass es eine Ausstiegsklausel gibt. Denn eine solche gibt es in vielen Verträgen – wird sie nicht hineingeschrieben, kommen manche Spieler schlicht und einfach nicht. Der Spieler und vor allem dessen Berater will eine möglichst geringe Summe dort sehen, der Verein naturgemäß eine hohe – man einigt sich in der Regel irgendwo in der Mitte.
Damals war nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie gut sich der Torwart entwickeln würde. Etwas mehr als eine Million Euro betrug die Ausstiegsklausel, der Vertrag wurde im Sommer 2017 vorzeitig bis 2020 verlängert. So wie in jener Zeit viele Verträge vorzeitig verlängert worden waren – unter anderem ja auch mit Ex-Trainer Torsten Frings. Die Klausel blieb im Vertrag, sie konnte jedes Jahr aufs Neue gezogen werden. Wurde sie im Sommer 2018 aber nicht. Auch, weil Heuer Fernandes nur gehen wollte, wenn er die Nummer eins wäre. Auf die Bank setzen wollte er sich nicht.
Doch zurück in den Sommer 2016: Da war Heuer Fernandes nach Darmstadt gekommen, er reihte sich damals ohne Widerworte hinter Michael Esser ein und war die Nummer zwei. Seinen ersten Bundesligaeinsatz am 1. Oktober 2016 beim 2:2 gegen Werder Bremen dürfte er nicht in allzu guter Erinnerung behalten haben. Esser hatte sich nach 53 Minuten an der Schulter verletzt, Heuer Fernandes musste völlig unvorbereitet rein. Und wenige Minuten später umkurvte ihn der heutige Bayer Serge Gnabry und traf zum 1:2. Viel schlechter kann eine Bundesliga-Karriere eigentlich nicht beginnen.
Dimo Wache erweist sich als ganz großer Mentor
Esser kam zurück, Heuer Fernandes saß wieder auf der Bank. Doch unter Torwarttrainer Dimo Wache wurde er in den kommenden Monaten immer besser. Er hatte mit Wache zudem einen Mentor, der genau wusste, wie er ihn zu behandeln hatte. In der Rückrunde kam Heuer Fernandes noch einmal auf sechs Einsätze über 90 Minuten, und damals war erstmals erkennbar: Das wird ein richtig Guter.
Nach der Vertragsverlängerung bis 2020 und Essers Abgang zu Hannover 96 war der 26-Jährige die unumstrittene Nummer eins im Lilien-Tor. Und er machte seine Sache richtig gut, spielte sich schnell in Blickpunkt. Er hielt sogar so gut, dass es Schlagzeilen gab, dass er „besser als Esser“ sei. „Hör auf damit: So weit ist er noch nicht!“, warnte Wache einmal lautstark den Schreiber dieser Zeilen. Er wollte ihn schützen, wissend, dass Heuer Fernandes selbst kein Lautsprecher ist. Dass er vielmehr einer ist, dem Erfolge nicht zu Kopf steigen, der immer die Mannschaft in den Vordergrund stellt.
Als er wegen einer Kapselverletzung im Herbst 2017 sechs Wochen lang fehlte, geriet der SV 98 – auch deswegen – in einen Negativlauf. Die Stellvertreter Joel Mall und Florian Stritzel kamen nicht an seine starken Leistungen heran. Am 3. Dezember 2017 bei der 0:1-Heimniederlage war er wieder im Tor, und seitdem hat er in allen Pflichtspielen der Lilien von Anfang bis Ende auf dem Platz gestanden. Egal, wer die Nummer zwei oder drei war – er hat allen „Angriffen“ widerstanden.
Dass er jetzt geht, für eine Summe von etwas mehr als einer Million Euro, ist natürlich schmerzhaft. Dass es eines Tages einmal so kommen musste, war aber klar. Andere Vereine zahlen mehr als die Lilien, und Ausstiegsklauseln sind nunmal Teil des Geschäfts.