So leer wie jetzt sind Schiffe und Ausflugsorte wohl nie wieder. Dafür nehmen Reisende den Mehraufwand für Sicherheit und Hygiene gern in Kauf. Eine Kreuzfahrt durch das Dourotal.
. Gestreifte Hügel, soweit das Auge reicht. Mal ist der Untergrund grasgrün, mal sandig gelb, dann wieder erdig braun. Darüber ziehen sich in endlos langen Bändern die dicht bepflanzten, leuchtend grünen Rebenreihen über sonnenreiche Hänge – kerzengerade oder wellenförmig, die meisten parallel zum Fluss. Wie Pilze mit orangen oder roten Kappen recken sich aus dieser Weinberglandschaft die weißen Häuser unter ihren Ziegeldächern. Die winzigsten sind meist die hübschesten, windschief und uralt.
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Das Tal des Douro im sommerheißen Norden Portugals gehört zu den malerischsten Flusslandschaften in Europa. Der größte Abschnitt seines Oberlaufs steht als Alto Douro zugleich für die weltweit älteste Weinbauregion mit geschützter Herkunftsbezeichnung. 1756 wurde sie begründet, 2001 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt. Die schönste und bequemste Art, den Fluss wie auch sein Umland zu erleben, ist eine Reise mit dem Schiff.
Genüsslich aalen sich an diesem Nachmittag die Gäste der MS Douro Cruiser auf dem Sonnendeck. Einige stehen an der Reling, andere lassen die fantastischen Kulissen im Sitzen oder Liegen wie in einem großen Landschaftskino in Zeitlupe an sich vorüberziehen. Passend zur Umgebung, trinken viele Douro-Wein. Manch einer lässt ihn sich direkt im Pool servieren. Die Urlaubsstimmung scheint perfekt, denn offenbar fehlt nichts. Nur eines ist mehr als sonst: der Mund- und Nasenschutz. Doch die gute Laune lässt sich davon niemand hier an Bord vermiesen.
Eine kleine Felseninsel wird passiert. Rosemarie Mihalykövi setzt ihre Sonnenbrille auf und greift zur Kamera. Zum Fotografieren muss die pensionierte Schweizerin nicht einmal aufstehen. Denn die Sicht ist komplett frei. Wie alle Sonnenliegen steht auch ihre in der ersten – und einzigen – Reihe. Abstand ist gefragt bei dieser Kreuzfahrt zu Corona-Zeiten. Sich daran zu halten, ist überhaupt nicht schwer.
Bluttest wird beim Einschiffen gemacht
„52 Gäste sind an Bord. 80 hätten es unter Corona-Bedingungen sein können. Im Normalfall ist die Maximalzahl 130“, sagt Kreuzfahrtleiterin Nadine Höger. Es ist die dritte Reise der MS Douro Cruiser nach dem wegen der Pandemie verspäteten Saisonstart am 18. Juni. Bei der ersten waren 20, bei der zweiten 28 Passagiere auf dem Schiff. Nach der langen Phase großer Einschränkungen und Verunsicherungen waren viele skeptisch, buchten und stornierten. Wer die Reise machte, war am Ende überrascht, wie gut tatsächlich alles lief. „Die Gäste waren durchweg sehr zufrieden, vor allem mit der Sicherheit“, so die Mitarbeiterin von nicko cruises.
Unter Beachtung aktueller Landesregeln hat die Reederei dazu ein eigenes Konzept erstellt. Und das beginnt bereits an Land. Zunächst passieren alle Gäste eine Desinfektionsschleuse – ein Tor, ähnlich wie beim Sicherheitscheck am Flughafen. Man bleibt kurz stehen, wird von vorn und hinten besprüht. Zugleich misst eine Wärmebildkamera kontaktlos die Körpertemperatur.
Am Eingang des Schiffes desinfiziert man sich die Hände. Überall an Bord stehen dazu kleine Spender. Dass sie unbedingt vorm Betreten von Restaurant und Lounge sowie nach jeder Rückkehr zum Schiff benutzt werden, darauf achtet das Personal. Außerdem werden nach jedem Ausflug vor dem Betreten des Schiffes Schuhe und Taschen abgesprüht.
Mund- und Nasenschutz ist an Bord und in den Ausflugsbussen für alle Pflicht, für das Personal auch Handschuhe sowie ein Schutzanzug bei Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten. Einzig in der Kabine, beim Essen und Trinken sowie im Pool darf die Maske abgenommen werden. Weiße Pfeile auf dem Boden zeigen die Bewegungsrichtung an. Für das Sonnendeck samt beider Verbindungstreppen gilt das Prinzip der Einbahnstraße.
Um zu vermeiden, dass infizierte Personen an Bord kommen, müssen alle Passagiere eine schriftliche Erklärung über ihren Gesundheitszustand abgeben und sich direkt beim Einschiffen einem ärztlichen Bluttest unterziehen. Nach einem kleinen Finger-Pieks und einer Viertelstunde Wartezeit erfährt jeder sein Ergebnis.
Start der MS Douro Cruiser ist in Vila Nova de Gaia. Wie Porto, seine Schwesterstadt gleich gegenüber, liegt es sowohl am Douro als auch am Atlantik. Denn genau zwischen beiden breitet sich der Strom zur Mündung aus und wird zum Teil des Ozeans.
Vor und nach der Flusskreuzfahrt lohnt es, sich genügend Zeit fürs Start- und Zielgebiet zu nehmen. Neben dem Cais de Gaia mit der Schiffsanlegestelle, vielen Portweinkellern, Bars, Cafés und Restaurants lockt vor allem Portos Altstadt mit ihren liebenswerten Gassen, Uferpromenaden und herrschaftlich bebauten Plätzen zu Erkundungstouren.
Um edle Tropfen und deren Kulturgeschichte dreht sich das Programm in den Etappenorten. Zu den Höhepunkten zählen Vila Real mit dem barocken Mateuspalast und dessen wunderbarem Park und Gärten, Lamego mit Rokokokapelle, Burg und Kathedrale oder das mittelalterliche Dorf Castelo Rodrigo.
Wendepunkt der Reise ist Barca D’Alva, ein verträumtes Olivenbauerndörfchen kurz vor der Grenze zu Spanien. Hinüber geht es für die Kreuzfahrtpassagiere per Busausflug nach Salamanca. Dort wie in anderen Touristenorten haben Besucher derzeit so viel Platz wie nie. „Normaler Weise sind im Sommer 24 Schiffe auf dem Douro unterwegs. Derzeit sind es zwei“, erklärt Nadine Höger den Grund.
Mehr Platz und Ruhe sind der Lohn dafür, maskiert auf einem Schiff zu reisen. Ein lohnenswerter Deal für viele. Auch Lajos Mihalykövi aus Basel sieht es locker. Der Hobby-Seemann segelte schon manchmal, als Pirat verkleidet. „Ob ich ein Tuch auf dem Kopf trage oder vor der Nase, ist doch fast egal“, scherzt er. Auch sonst gibt es mehr Lob als Klage, etwa von Joachim Rodewald. Der Kreuzfahrtgast aus Niedersachsen hätte sich zwar eine bessere Kommunikation im Vorfeld gewünscht. Denn dass die Reise wirklich stattfindet, habe er erst kurz davor erfahren. Doch die Tour selbst sei eine rundum tolle Sache.
„Alle Achtung, was das Team des Schiffes in dieser Situation leistet“, sagt der 71-Jährige. Seine Frau schwärmt vom guten Essen. „Das hat echt Stil“, meint Christel Rodewald, auch wenn sie es sich gerne selbst nicht nur beim Frühstück am Buffet geholt hätte. Denn um Gedränge zu vermeiden, wird Mittag- und Abendessen bis auf Weiteres schon am Vorabend bestellt und am Tisch serviert.
Ein kulinarisches Erlebnis „außer Haus“ ist der Besuch in der Quinta da Avessada. Neben feinem Rebsaft gibt es in dem alten Weingut Köstlichkeiten aus der bäuerlichen Küche zu probieren. Kapitän Armando Freitas freut sich indessen offenbar als einziger aufs Ende dieser Reise. Denn dort erwartet ihn „der schönste Ort am Douro“: Gaia, seine Heimatstadt.
Von Carsten Heinke