Matchmaking-Festival in Irland

Ehefrauen für Männer und Ehemänner für Frauen finden“, so beschreibt Willie Daly seinen Beruf, dem er bereits in dritter Generation nachgeht. In seinem Ohrensessel wirkt...

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. Ehefrauen für Männer und Ehemänner für Frauen finden“, so beschreibt Willie Daly seinen Beruf, dem er bereits in dritter Generation nachgeht. In seinem Ohrensessel wirkt der gutmütige alte Herr mit dem weißen Haar und dem dicken, alten Buch auf dem Schoß ein bisschen wie der Weihnachtsmann. Doch auf den vergilbten Wunschzetteln, die unter dem zerfledderten Ledereinband hervorlugen, geht es nicht um Geschenke, sondern um Ehepartner. Willie Daly ist der letzte Heiratsvermittler, der einsame Herzen noch nach der irischen Tradition des „Matchmaking“ zusammenführt.

Das geheimnisvolle Buch, das er überall mit hinschleppt, ist 160 Jahre alt. Schon sein Großvater notierte darin Details über heiratswillige Damen, die er auf Rinder- und Pferdeauktionen an den Mann brachte. „Auf dem Land war es früher für die Bauern schwer, Frauen zu finden“, erzählt der Matchmaker (Deutsch: Ehestifter). Auch wenn Partnervermittlung damals oft wenig mit Liebe zu tun hatte, kann er von der Erfolgsquote seiner Vorfahren nur träumen. „Hundert Prozent der von meinem Vater vermittelten Ehen haben gehalten.“ Mit einem Seufzer gibt er zu: „Inzwischen sind die Leute anspruchsvoller geworden. Heutzutage muss schon ein Funke Magie im Spiel sein.“

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Bis heute hält sich der Glaube, dass jeder, der die Heiratsbibel des Match-makers berührt, innerhalb von sechs Monaten unter die Haube kommt. Gearbeitet wird mit dem antiquarischen Wälzer schon lange nicht mehr. Dafür gibt es jetzt Formulare. „Nur für die Kontaktdaten“, betont der irische Liebesbote. „Über Charakter und Vorlieben meiner Kunden muss ich nichts wissen. Es geht nicht darum, was auf dem Papier steht, sondern was im Herzen ist.“ Augenkontakt, Körpersprache, Knistern in der Luft – für solche Zeichen hat er einen siebten Sinn entwickelt. Schätzungsweise 3000 Paaren konnte er so das große Glück bringen. „Ich fühle, ob Menschen zusammenpassen. Das ist eine Gabe.“

Tausende besuchen Europas größtes Singles-Festival

Hochsaison hat Willie Daly beim jährlichen Matchmaking-Festival, das den ganzen September dauert. Dann ziert sein Gesicht Schaufenster, Poster und einen Foto-Aufsteller mit zwei Gesichtsausschnitten und der Aufschrift „Ich habe meinen Partner durch Willie Daly gefunden“. Rund 60 000 Besucher reisen jedes Jahr in die 800-Seelen-Gemeinde Lisdoonvarna, um die große Liebe zu finden. Im letzten Jahr hat Marketingdirektorin Julie Carr sogar 80 000 Gäste gezählt, darunter Heiratswillige aus Amerika, Südafrika und Australien. „Wir sprechen zwar von Europas größtem Singles-Festival“, stellt sie klar, „aber im Grunde ist es der einzige Event dieser Art auf der ganzen Welt.“

Auch in diesem Jahr wird das kleine Dorf an der irischen Westküste wieder vier Wochen lang mit Blumen, Schildern und bunten Fähnchen herausgeputzt. Vom 31. August an ist täglich ab elf Uhr morgens in allen Bars Stimmung angesagt. In den Pubs wird irischer Folk gespielt, aus den Hotels dudeln Tanzrhythmen, coole Beats hämmern aus einem Discozelt, und auf einer Wiese feiern 10 000 Leute bei Countrymusik. An den Wochenenden werden auch Speeddating-Nächte und Traffic-Light-Partys organisiert, doch die meisten ziehen einfach so durch die Straßen. Mit einem Guinness in der Hand spricht vor den Pubs bald jeder mit jedem, egal ob Single oder Tourist. „Die Atmosphäre ist lockerer als bei jedem anderen Dating-Event“, versichert Julie Carr.

Irische Frauen passen zu deutschen Männern

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Am vollsten ist es in der Matchmaker-Bar. Dort hat Willie Daly seit 50 Jahren ein kleines Separee, wo er während der Festivalwochen jeden Abend bis ein Uhr morgens Amor spielt. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele junge, gut aussehende Leute mich aufsuchen, die gar keine Hilfe nötig hätten“, erzählt er. In der langen Schlange vor seiner Tür stehen Partnersuchende jeden Alters aus dem In- und Ausland. „Deutsche und amerikanische Frauen mögen irische Männer, weil man mit ihnen gut singen, tanzen, trinken und Spaß haben kann“, weiß der Heiratsvermittler. „Aber am besten harmonieren irische Frauen mit deutschen Männern. Die sehen meist besser aus, sind fleißiger und vor allem vernünftiger als irische Männer.“

Tagsüber schlendert der Liebesbote durch die Straßen und verschießt Charme statt Pfeile. „Eigentlich brauchen mich die Leute während des Festivals gar nicht. Da finden sie einander ganz von selbst.“ Für Marketingfrau Julie Carr liegt der Erfolg im persönlichen Kontakt. „Das Matchmaking-Festival ist das Gegenstück zum Internet-Dating“, erläutert sie. „Deshalb gibt es auch keine App. Wir wollen, dass die Menschen ihre Smartphones wegstecken und miteinander reden und tanzen.“ An den Wochenenden tun das vor allem 18- bis 30-Jährige, unter der Woche eher Ältere bis weit über 70. „Viele Paare kommen jedes Jahr zurück, um den Jahrestag ihres Kennenlernens zu feiern“, so Julie Carr.

Wer Willie Dalys Dienste unterm Jahr in Anspruch nehmen will, kann individuelle Termine auf seiner Farm in Ennistymon vereinbaren, wo er mithilfe seiner Tochter neben Pferdezucht ein Matchmaking-Museum betreibt. In diesem Jahr will seine 18-jährige Enkelin selbst ihr Glück auf dem Festival versuchen. Seine zwei Söhne und sechs Töchter haben den berühmten Vater bei ihrer Partnerwahl nicht um Rat gebeten. „Mittlerweile sind zwei meiner Töchter aber wieder geschieden“, verrät der Eheexperte mit einem Grinsen. „Jetzt, beim zweiten Mal, haben sie mich gefragt!“

Von Pia Hoffmann