Skifahren im Tiefschnee erfreut sich wachsender Beliebtheit: Trickski-Legende Ernst Garhammer zeigt in seinen Kursen, wie es geht. Unsere Autorin hat es ausprobiert.
Von Michaela Strassmair
Ernst Garhammer ist Pionier in Sachen Freeriden.
(Foto: Garhammer Skitours)
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Freeriden ist in, doch die wenigsten Skifahrer können gut und sicher im Tiefschnee abseits der Pisten schwingen. Trickski-Pionier Ernst Garhammer will das mit einer einfachen Technik namens ABS ändern. Ein Selbstversuch.
Jetzt bin ich also Freerider. Auf meiner rechten Hüfte blinkt ein Lawinenpiepser unter dem Anorak, ich bin über die hochalpinen Gefahren informiert und soll nun in weichen, weiten Schwüngen rhythmisch durch den Tiefschnee am Kitzsteinhorn-Gletscher schweben. Soweit klingt alles recht professionell.
Doch mein Fahrstil sieht ganz anders aus: Meine Arme breiten sich auf Nabelhöhe aus. Meine Stöcke schweben in der Luft, weil ich sie nur noch als Balancehilfe benutzen darf. Und den Schwung leite ich – ganz nach Anweisung – mit einem lauten „Huiiii“ ein, wobei mein talwärts fliegender Arm eine Bewegung macht, als würde er eine Tasse Kaffee auf meine Skispitzen schütten. Dann beuge ich die Knie, strecke sie wieder weg vom Körper und rotiere den anderen Arm zum erneuten „Huiiii“ nach vorne.
Ernst Garhammer ist Pionier in Sachen Freeriden. Foto: Garhammer Skitours
Eine Gruppe Ski-Schüler pflügt abseits der Pisten durch den Tiefschnee. Foto: Garhammer Skitours
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ABS heißt die Technik, mittels derer ich in kürzester Zeit vom Tiefschnee-Angsthasen zur Powderqueen mutieren soll. Drei Verben, drei Bewegungen: A steht für andrehen, B für beugen und S für strecken. Ganz einfach und kinderleicht, steht zumindest auf dem Kursprogramm. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das momentan nach einer skifahrenden Marionette aus der Augsburger Puppenkiste aus – von Ästhetik, Eleganz oder gar anmutigen Bewegungen, wie man es von Freeridern aus dem Fernsehen kennt, kann nicht die Rede sein. Und das, obwohl ich in einem oberbayerischen Ort mit Skilift aufgewachsen bin.
Pionier des Freestyles
„Ja wos is jetza eleganter? Oaner dea mit kurze Schwing fahrt und den’s schmeisst oder oaner der scheene, große, rhythmische Bogn fahrt, ohne dass eahm schmeisst?“, ruft Skilehrer Ernst Garhammer in breitestem Bairisch in seine Gruppe von erwachsenen Tiefschneeschülern. Er muss es wissen. Denn der heute 67-Jährige war schon x-facher Weltcupsieger und Europameister im Trickskifahren. Zusammen mit seinen Geschwistern Fuzzy, Bernd, Franz und Hedy Garhammer machte er in den 70er- und 80er-Jahren das Trickskifahren bekannt.
INFOS
Die Tiefschneekurse (ab zwei Tagen) kosten ab 184 Euro (ohne Liftkarte und Übernachtung) und finden bis Mitte April an verschiedenen Orten in Österreich und in der Schweiz statt. Es gibt auch eigene Kurse nur für Frauen, www.garhammer.com.
In Skifilmen wie Willy Bogners „Fire and Ice“ sprangen, rasten und schraubten sich die Garhammers über Buckelpisten, Felsvorsprünge, über steile Abhänge und durchs unverspurte Gelände. Sie revolutionierten das Skifahren, indem sie neue Disziplinen wie Buckelpistenfahren, Skiballett und Skiakrobatik etablierten. Das war vor mehr als 35 Jahren. Heutzutage boomt Trickskifahren unter dem Begriff Freestyle und fasst fünf Disziplinen zusammen: Aerials (Sprungschanze), Moguls (Buckelpiste), Halfpipe, Big Air (große Schanze) und Slopestyle (wie Skatepark).
Die Todsünden beim Powdern
Doch soweit sind wir noch nicht, vor dem Rückwärts-Wedeln müssen wir erst die drei großen Buchstaben ABS verinnerlichen. „Das ist keine neue Technik“, ermuntert uns Ernst Garhammer, „denkt einfach daran, wie Kinder im Tiefschnee fahren“. Ganz intuitiv würden die Kleinen die Arme seitlich weg strecken und zur Balance nutzen, ihren Körperschwerpunkt nach unten setzen und ohne Hochentlastung um die Kurve fahren – „ein ganz natürlicher Bewegungsablauf ist das“.
Stimmt, doch wie Kinder wollen wir anscheinend auch nicht aussehen und verfallen trotz „Huiiii“-Rufen wieder in unsere Old-School-Fahrweise: Enge Beinstellung, Hochschwung und Stockeinsatz. Die Todsünden im Tiefschnee. Doch unser Coach, wie der Skilehrer heutzutage heißt, gibt nicht auf: „Schaut doch mal wie Weltklasse-Rennläufer fahren, die machen auch keinen Stockeinsatz.“ Und um uns dieses unnötige Übel endlich auszutreiben, machen wir das Laserspiel: Der Bergstock zeigt senkrecht in die Höhe, der Talstock bewegt sich wie ein Laserlicht zu den Skispitzen – und das Ganze rhythmisch koordiniert zum Kurvenwechsel. Zum Glück kann uns wegen des Schneesturms niemand sehen.
Aber beim Skifahren geht es ja nicht ums gesehen werden, sondern ums Fühlen, ums Spüren und Genießen. Kraftsparend sollen wir fahren, um die Kniegelenke zu schonen. „Skifahren ist gesund, besonders im weichen Tiefschnee“, hallt das Mantra des Meisters in unseren Ohren.
Und tatsächlich: Am zweiten Tag scheint die Macht der Gewohnheit von dem neuen Bewegungsablauf besiegt zu sein: Denn die weiten, weichen ABS-Schwünge verursachen auch nach einer langen Abfahrt im kniehohen Pulverschnee längst nicht solche Oberschenkelschmerzen wie bei früheren Tiefschneeversuchen. Auch das Selbstvertrauen hat zugenommen – schließlich bin ich den ganzen Tag nicht gestürzt. Und das ist ein wichtiger Sicherheitsfaktor beim Freeriden im offenen Gelände, wie Ernst Garhammer uns gleich zu Beginn gelehrt hat: „Bloß nicht auf die Waffel fallen!“