Game of Thrones: Für wahre Fans ist es ein Muss, die Drehorte der erfolgreichsten Fernsehserie mit eigenen Augen zu sehen. Nordirland hat viel zu bieten.
. Es war eine der entscheidenden Szenen von „Game of Thrones“: das qualvolle Verenden des grausamen Kind-Königs Joffrey Baratheon. Und sie hatte ihre Finger im Spiel: Rosie McNally. Die Goldschmiedin sitzt im Hinterzimmer des Juweliers Steensons im nordirischen Glenarm und beugt sich über einen silbernen Armreif. Hier entstehen Schmuckstücke für die Kultserie. Alles in Handarbeit und alles streng geheim – zumindest, bis die Teile auf der Leinwand zu sehen sind.
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McNally hat schon viel Schmuck für die Serie gefertigt. Sansa Starks Halskette etwa, die in Staffel 4 eine tragende Rolle spielt, da in einem der Anhänger das tödliche Gift für Psycho-König Joffrey versteckt war. Mit verschiedenen obskuren Werkzeugen bearbeitet sie den Armreif. Alt und getragen soll er später aussehen. Antiklook statt Hochglanz. Ein bisschen tue ihr das schon weh, gehe gegen ihre Arbeitsweise. Doch es müsse später eben alles ins Bild passen.
„Game of Thrones“ ist mit aktuell 47 Emmys die höchstdekorierte und erfolgreichste TV-Serie aller Zeiten. Jede der sieben Staffeln wurde im Schnitt von 31 Millionen Menschen gesehen. Am 14. April startet die finale Staffel (Sky strahlt die erste Folge parallel zum US-amerikanischen Sender HBO in der Nacht zum 15. April um 3 Uhr aus).
Der Hype wirkt sich auch auf die Zahl der Touristen in Nordirland aus. 2016 wurden laut Tourism Ireland 120 000 Gäste durch die Serie zu einem Besuch des Landes inspiriert und gaben dabei rund 30 Millionen Pfund aus. Die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste stieg von 1,8 Millionen im Jahr 2010 (das Jahr vor der Ausstrahlung von Staffel 1) auf knapp 2,7 Millionen im Jahr 2017.
In Nordirland liegen die meisten Drehorte für den Serien-Kontinent Westeros: insgesamt 26, allesamt erkundbar. Hinzu kommen die Dreharbeiten in den Titanic Studios in Belfast. Der TV-Hit ist allgegenwärtig, die Schauplätze und Geschichten liegen sprichwörtlich am Wegesrand der bekannten Causeway Coastal Route. Wer der malerischen Küstenstraße von Belfast aus gen Norden folgt, landet irgendwann im schmucken Küstenörtchen Glenarm. „Thronies“ – so nennen sich die Fans der Serie – aus der ganzen Welt strömen in die Steensons-Goldschmiede, um einen Blick auf die Ketten, Kronen und Broschen zu werfen. Originale sucht man in dem Familienbetrieb aber vergebens. Ausgestellt sind lediglich Kopien, sämtliche Originale behält der Sender HBO.
Das erste Teil war eine große aufwändige „Hand of the King“-Bronzekette, die aus 35 handgefertigten Teilen besteht und fast 2,5 Kilogramm wiegt. Etliche Stunden Arbeit für wenige Sekunden auf dem Bildschirm. König Joffreys Krone dauerte zehn volle Arbeitstage. Die Krone von Cersei Lannister wurde in acht Teilen gefertigt, einer der Goldschmiede fuhr zu den Titanic Studios, um sie Darstellerin Lena Headey exakt anzupassen. Viele der Teile sind aus Sterlingsilber hergestellt und vergoldet. Reines Gold wäre zu schwer und zu teuer. Die Goldschmiedin selbst sei durch den Job auch zum „Thronie“ geworden. „Es ist ein tolles Gefühl, ein winzig kleiner Teil der Serie zu sein. Zu wissen, dass meine Arbeit von Millionen Menschen gesehen wird. Wenn ich es dann auf dem Bildschirm sehe, denke ich mir: Hey, das habe ich gemacht.“
Eine gute Autostunde nördlich liegt Ballintoy. Und Sean McLaughlins Pub Fullerton Arms – eine beliebte „Thronie“-Anlaufstelle aus mehreren Gründen. Zum einen können seine Gäste vor einer Kopie des Eisernen Throns posieren, zum anderen befindet sich hier eine von insgesamt zehn massiven „Game of Thrones“-Holztüren, die größtenteils entlang der Küste zu finden sind. Im Januar 2016 fielen zwei Bäume der „Dark Hedges“ – eine mehr als 200 Jahre alte majestätische Buchenallee und ebenfalls Serienschauplatz – Sturm Gertrude zum Opfer. Daraus ließen die irischen Tourismusbehörden zehn Türen schnitzen. Jede der aufwändig gestalteten Kunstwerke ist in der Nähe einer der Drehorte zu finden und erzählt die Geschichte einer Episode der sechsten Staffel.
Sean McLaughlin freut sich über seine Attraktion, Tür 6, die den Drachen Drogon zeigt. Rund ein Viertel seiner Gäste, schätzt er, seien „Thronies“. Durch die Serie kämen viel mehr Menschen in die Region. Er ist darauf eingestellt: den Nachbarraum der Bar hat er ganz im Zeichen der Serie eingerichtet. Neben dem Thron hängen hier auch Schwerter und Kostüme. Der frühere Hotelmanager kannte die Crew von Beginn an, da er Übernachtungen für sie in Belfast organisierte. Unweit seines Pubs liegt der Hafen, wo die Crew unter anderem Theon Graufreuds Rückkehr zu den Eiseninseln drehte.
Wer die Tour de Tür wählt, kann sich einen „Journey of Doors“-Pass besorgen und sich jede Station abstempeln lassen. Dean McConnell hat sie schon alle gesehen. Tür 7 mit dem dreiäugigen Raben im Gracehill House im kleinen Ort Stranocum etwa. Der Restaurantmanager ist ein echter „Thronie“, über dem Ziffernblatt seiner Uhr wacht ein Schattenwolf.
Vom Gracehill House aus sind es nur wenige Meter zu den „Dark Hedges“, in der Serie der Königsweg, auf dem Arya als Junge verkleidet flüchtete. Schon vor der Serie waren die krummen und verzweigten Baumriesen das meist fotografierte Naturphänomen Nordirlands. Entsprechend groß ist der Andrang. Wer ein menschenleeres Erinnerungsfoto will, muss Geduld mitbringen und den richtigen Blickwinkel wählen.
Im unweit gelegenen Portrush betreibt Nicola Neill das Bed & Breakfast Blackrock House – ein guter Ausgangspunkt für Touren. Wer in ihr Gästebuch schreibt, tut das mit einem aus „Dark Hedges“-Holz geschnitzten Stift. „Die meisten Thronies, die zu mir kommen, sind Amerikaner oder Deutsche“, sagt sie. Eine Familie aus Kalifornien sei mit professionell gestalteten Kostümierungen verschiedener Charaktere der Serien angereist und habe die Drehorte abgeklappert.
Flip Robinson holt im Blackrock House regelmäßig Gäste zu seinen „Game of Thrones-Führungen zu verschiedenen Schauplätzen an der Nordküste ab. Der 52-Jährige weiß genau, wovon er redet. Er arbeitete unter anderem als Double der Figur Hodor. Sein Geschäft boomt. „Der Hype ist unfassbar.“ Ob er sich keine Sorgen macht, dass der Andrang mit der Zeit nachlässt oder gar verschwindet? „Gar nicht. Heute noch besuchen etwa 100 000 Menschen Drehorte des Films ,Sound of Music’ (deutscher Titel: „Meine Lieder – meine Träume“, Anmerkung der Redaktion) in Österreich. Und der ist aus den 50er-Jahren.“ Robinson glaubt, dass er noch viele Jahre „Thronies“ durch seine Heimatregion führen wird. „Es ist eine Schande, dass die Leute all die Jahre nur den Giants Causeway, die Hängebrücke und die Bushmills Whiskey-Distillery besucht haben. Endlich haben sie verstanden, dass es hier so viel mehr als das zu entdecken gibt – das echte Westeros.“