Seit 30 Jahren fährt der kanadische Rocky Mountaineer auf historischen Trassen. Zum Geburtstag gibt es neue Ausflugsziele entlang der Strecken.
Von Pia Hoffmann
Der Rocky Mountaineer fährt entlang des Fraser Rivers.
(Foto: Pia Hoffmann)
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Es ist früh am Morgen, als die ersten Strahlen der Frühlingssonne auf die blitzblank polierten goldblauen Waggons treffen. Am Bahnhof von Vancouver, British Columbia, begleitet ein Dudelsackspieler die Passagiere über einen roten Teppich zu dem historischen Zug. Am beflaggten Gleis herrscht ehrfurchtsvolle Erwartung, fast wie bei einem Staatsakt. „All aboard“ schallt es über den Bahnsteig, und schon jetzt ist klar: Eine Reise mit dem Rocky Mountaineer ist keine gewöhnliche Zugfahrt.
Die Flotte der kanadischen Eisenbahngesellschaft besteht aus neun Lokomotiven und 56 Waggons, viele davon doppelstöckig. Wie im Flugzeug haben die Passagiere bequeme Sitze mit verstellbaren Klapptischen in der Rückenlehne des Vordermanns. Zudem sind die Sessel beheiz- und drehbar, sodass auch ein Schwätzchen mit dem Hintermann möglich ist. Die Stewardessen heißen hier „On-Board-Hostessen“, servieren Snacks und Getränke und tragen dunkelblaue Uniformen. Nur die Wolken sind, anders als im Flieger, nicht durch winzige Fenster, sondern durch ein großes Panoramadach zu sehen, das sich wie eine gläserne Kuppel über Ecken und Seitenwände zu Fenstern wölbt. Der Sonnenaufgang über den Rocky Mountains wird so zu einem dramatischen Rundum-Schauspiel, ganz wie in einem 360-Grad-Kino. In den neuen Doppelstockwagen, die pünktlich zum 30. Geburtstag des Zuges von der deutschen Niederlassung der Firma Stadler geliefert wurden, lassen sich die Panoramafenster mithilfe dimmbarer Scheiben elektrisch verdunkeln, sodass die Natur immer im rechten Licht erscheint.
Eine der eindrucksvollsten Bahnstrecken der Welt
Damit die Gäste unterwegs keine Sekunde der Eisenbahnromantik verpassen, verkehrt der Rocky Mountaineer nur tagsüber. Auf drei historischen Strecken durchquert er den Pazifischen Nordwesten, British Columbia und Alberta. Vor allem die Fahrt von Vancouver nach Banff wird oft als die eindrucksvollste Bahnstrecke der Welt bezeichnet. Wie ein kleiner Fluss schlängelt sich die Schienentrasse durch die unberührten Weiten. Am Fuße des Mount Robson, mit 3954 Metern der höchste Gipfel in den kanadischen Rockies, wirkt selbst der imposante Rocky Mountaineer wie ein winziger Spielzeugzug. Immer wieder lehnen sich die Passagiere in den spitzen Haarnadelkurven von den offenen Aussichtsplattformen zwischen den Waggons, um zu fotografieren, wie sich das Vorderteil des Blechwurms durch die majestätische Landschaft windet. Foto-Stopps sind auf der Fahrt leider nicht möglich, doch an den spektakulärsten Punkten drosselt der Lokführer die Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. Schließlich soll eine Reise mit dem Rocky Mountaineer kein Transport von A nach B sein, sondern ein unvergessliches Ferienerlebnis.
Der Rocky Mountaineer fährt entlang des Fraser Rivers. Foto: Pia Hoffmann
Hostessen servieren Getränke. Foto: Pia Hoffmann
Touristen beim Einstieg in den Zug. Foto: Pia Hoffmann
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Auch wenn entlang der Strecke vereinzelt kleine Siedlungen entstanden sind, führt ein Großteil der Fahrt durch einsame Wildnis. Urlaubseffekte wie Runterkommen, Abschalten und Zu-Sich-Selbst-Finden stellen sich hier ganz automatisch auch ohne Wellnesscenter ein. Schon nach wenigen Meilen spüren die Fahrgäste, wie entspannend es ist, einfach mal den Kopf zurückzulegen und durchs Panoramadach zu beobachten, wie Fisch- und Weißkopfadler am Himmel ihre Kreise ziehen. Direkt neben den Gleisen äsen friedlich ein paar Hirsche. Ab und zu ist aus dem Zugfenster auch mal ein Elch oder ein Wapiti zu sehen. Es soll auch Schwarz- oder Grizzlybären geben, die sich bis an die Trasse vorwagen. Diese Information der Hostess sorgt während der Fahrt immer wieder für Aufregung, doch in den meisten Fällen entpuppt sich der vermeintliche Bär als Windstoß oder verdorrtes Gestrüpp.
REISE-CHECK
Saison: 19. April bis 11. Oktober 2020
Preisbeispiele: 2 Tage von Vancouver über Kamloops nach Lake Louise oder umgekehrt ab 1173 Euro/Person. 4 Tage von Vancouver über Kamloops nach Jasper oder umgekehrt ab 1400 Euro/Person. 5 Tage von Vancouver über Whistler und Quesnel nach Jasper oder umgekehrt ab 1810 Euro/Person.
Spezialangebot zum 30. Geburtstag: Kostenloser Flughafentransfer, 1 Gratis-Abendessen und 1 freie Hotelübernachtung bei Buchung bestimmter Pauschalen von mehr als 8 Tagen vor dem 7. Februar 2020, www.rockymountaineer.com oder im Reisebüro.
Anreise: Mit Lufthansa oder Air Canada nonstop von Frankfurt nach Vancouver und zurück im April 2020 ab 537 Euro.
Besonders landschaftsprägend ist der Fraser River, der mächtigste Fluss in British Columbia, der an seiner engsten Stelle nördlich von Yale nur 33 Meter breit ist. Mit gewaltiger Kraft zwängt er sich hier durch einen schmalen Canyon und peitscht dabei 72 Millionen Tonnen Wasser pro Minute durch die kleine Steinspalte – doppelt so viel, wie an den Niagara Fällen die Felsen hinabstürzt. Wegen der tosenden Wassermassen und der aufschäumenden Gischt wird der Bereich „Hell’s Gate“ genannt. Auch der Ortsname „Salmon Arm“ kommt nicht von ungefähr, denn zu bestimmten Jahreszeiten tummeln sich hier tausende tiefrote Wildlachse. Es sind die Schuppen der Tiere, die sie im seichten Wasser so farbintensiv wirken lassen, dass sie sogar vom Zugfenster aus sichtbar sind. Auf ihrer Reise zurück an ihren Ursprungsort ist der Fraser River ihre wichtigste Route. Im Speisewagen des Rocky Mountaineer gehört der wilde Sockeye-Lachs mit Senfvinaigrette an Fenchel- und Röstkartoffelsalat zu den Spezialitäten.
In der kleinen Siedlung Craigellachie, wo der östliche und westliche Schienenabschnitt beim Bau aufeinandertrafen, wurde am 7. November 1885 der letzte Schienenbolzen eingeschlagen – eine Stelle, die der Zug noch immer passiert. Ein original Schienenstück, eine alte Lok und eine Gedenktafel erinnern an das historische Ereignis und sind ein beliebtes Fotomotiv. Vor 135 Jahren war der Bau einer Bahnstrecke in der unwirtlichen Landschaft eine enorme Herausforderung. Für die Kleinstadt Kamloops, die auf halber Strecke zwischen Vancouver und Calgary liegt, zahlt sich die Investition jedoch bis heute aus, denn hier legt der Rocky Mountaineer gleich auf zwei Routen Übernachtungsstopps ein, was den örtlichen Hotels jedes Mal bis zu 1000 Übernachtungsgäste beschert.
Seit 1990 durchquert der Rocky Mountaineer nun schon auf historischen Trassen die Wildnis der kanadischen Rockies. Mehr als zwei Millionen Passagiere aus der ganzen Welt sind in dieser Zeit mit dem legendären Zug gereist und haben das Unternehmen zum weltweit größten privaten Anbieter von Luxuszugreisen gemacht. Rechtzeitig zum 30. Geburtstag sind auf den bewährten Routen vier neue Ausflugsziele hinzugekommen: Canmore, Kananaskis, Sunshine Village und CMH Cariboos. Dort können Passagiere die atemberaubende Natur Westkanadas dann noch ein wenig zu Fuß, mit dem Auto oder mit dem Helikopter erkunden.