Der Bryce Canyon im Süden Utahs ist berühmt für seine spitz zulaufenden Felsnadeln. Foto: Karin Kura
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Jetzt!“, ruft sie und stößt ihrem Mann den Ellenbogen leicht in die Seite. Er reagiert sofort und drückt auf den Auslöser. „Mist!“, ruft er. Ein Straßenschild war ins Bild geraten, ausgerechnet vor dem schönen roten Sandsteinfelsen.
Das war Pech, aber die nächste farbenfrohe Felsformation lässt in Utah nie lange auf sich warten. Der Bus bringt die Reisegruppe von Las Vegas in einer großen Runde durch etliche Naturschutzgebiete und wieder zurück in die Glitzermetropole. An jedem Tag gibt es spektakuläre Landschaften zu sehen: die roten Tafelberge im Monument Valley, die steinernen Bögen im Arches-Nationalpark und die rosafarbenen Felsnadeln im Bryce Canyon. In zwei Wochen legt die Gruppe 3 700 Kilometer zurück, die Route führt durch Südkalifornien, Arizona, Utah und Nevada. Zu Fuß entdecken die Urlauber auf steinigen Pfaden die Schönheit der Wüsten und der Canyons. Es ist Spätsommer, eine passende Reisezeit, denn dann ist es nicht mehr unerträglich heiß.
Zunächst aber kommen alle richtig ins Schwitzen. Die Hitze bringt den Kitzel im Death Valley in Kalifornien, nur zwei Autostunden von Las Vegas entfernt. Es ist eine seltsame Gegend, die aus zerfurchten Bergen aus hellem und gelbem Stein besteht, eine bizarre Erosionslandschaft. Und dann ist da noch die Badwater-Salzwüste: Nordamerikas tiefster Punkt, 86 Meter unter dem Meeresspiegel. Bei knapp über 40 Grad ist das bloße Spazierengehen hier schon eine Herausforderung. Im Sommer wären die Temperaturen gar nicht zum Aushalten. Die Gruppe wagt sich ein paar Meter hinein in die Salzwüste. Solange die Wasserflasche reicht. Die Luft flirrt vor Hitze. Bei jedem Schritt fühlt es sich an, als würde einem die Flüssigkeit aus dem Körper herausgesogen, und der Wind trägt sie davon. Auf der dicken Salzschicht läuft man wie auf einem zugefrorenen See. Badwater, das ist der Ort mit einem Hitze-Weltrekord: 56,7 Grad Celsius wurde hier 1913 gemessen.
Der Bryce Canyon im Süden Utahs ist berühmt für seine spitz zulaufenden Felsnadeln. Foto: Karin Kura Foto: Karin Kura
Ein Stop-Schild warnt im Death Valley wegen der extremen Hitze davor, nach 10 Uhr morgens dort zu wandern. Foto: Karin Kura Foto: Karin Kura
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Canyons stellen die Wanderperspektive auf den Kopf
Mit der Wüste ist nicht zu spaßen. Das bekommen die Reisenden zwei Tage später zu spüren, nach dem Besuch im Joshua-Tree-Park. In Richtung Colorado River fahrend, eröffnet sich ein Fernblick über die gleichnamige Wüste – passend zum Sonnenuntergang. Alle Passagiere stürmen aus dem Reisebus, die Kameras im Anschlag. Aber schon ist es passiert. Unvorsichtige sind leichte Beute für den Teddybear Chollas, eine große Kaktee, deren Stacheln jeden „anspringen“, der ihr zu nahe kommt. Fiese spitze Dinger bleiben im Schuh stecken und bohren sich in Waden, Hände und Finger. Dabei sieht die Cholla-Kaktee so niedlich aus: plüschig wie ein Teddy-Bär.
Tief unten fließt der Colorado. Der Fluss hat die Landschaft geformt, die tiefen Schluchten gegraben. Am berühmtesten ist zweifellos der über 400 Kilometer lange Grand Canyon. Rund 1,7 Milliarden Jahre Erdgeschichte liegen in der 1,6 Kilometer tiefen Schlucht, verteilt auf 13 Erdschichten. Canyons stellen die Wanderperspektive auf den Kopf, sie drehen das eingeübte Prinzip um. Geht’s in den Alpen zuerst hoch auf den Gipfel, läuft man bei Schluchten zunächst nach unten. Der anstrengende Aufstieg kommt also zum Schluss. So funktioniert das auch auf dem Kaibab-Trail im Grand Canyon. Der ausgetretene Pfad führt in Kurven nach unten bis zum Aussichtspunkt „Ooh-Ahh-Point“. Welch klingender Name, der hält, was er verspricht: eine grandiose Aussicht auf die verschiedenfarbig abgestuften Felswände und Klippen.
Wandern ist in den meisten US-Nationalparks möglich, von einfachen Spaziergängen bis zu Mehrtagestouren. In den Besucherzentren gibt es Kartenmaterial und man kann seine Wasserflasche kostenlos auffüllen. Wie im Canyonlands Nationalpark, der bietet den unschlagbar besten Weitblick: Vom Felsplateau mit dem schönen Namen „Island in the sky“ schaut man bis zu 160 Meilen über eine zerklüftete, tief ins Land eingeschnittene Schluchten-Landschaft.
„Dös is der Wahnsinn!“ Das Paar aus Wien gerät bei dieser Fernsicht ganz aus dem Häuschen. Nach ein paar Tagen kennt man seine Mitreisenden ein bisschen: den Koch, der fast nie spricht, aber mit Leidenschaft Autoschilder aus allen US-Bundesstaaten aufspürt und fotografiert. Das ältere Ehepaar aus Stuttgart, das sich über jeden Mercedes freut, der ihm begegnet (was eher selten passiert), oder die „Sie-schaut-er-knipst-Eheleute“ aus Norddeutschland. Sie alle verbindet eine Begeisterung für die großartigen Landschaften im Südwesten der USA. Damit sind sie freilich nicht alleine: Einen wahren Besucheransturm verzeichnen die 59 Nationalparks der USA. Allein den Grand Canyon besuchten im letzten Jahr über sechs Millionen Menschen. Insgesamt reisten 2017 knapp 331 Millionen Menschen in die Nationalparks.
Wirtschaftliche Interessen bringen Land in Gefahr
Während sich im Grand Canyon die Besuchermassen noch gut verteilen, kann es anderenorts eng werden. So hat man zu bestimmten Zeiten etwa im Arches-Nationalpark schon Mühe, einen Parkplatz zu finden. Im Zion steht man lange an für den Bus-Shuttle.
Bei der Rundreise werden auch weniger bekannte Gegenden angesteuert, etwa die Stateparks. Diese werden nicht, wie die Nationalparks, zentral von der US-Regierung verwaltet, sondern von den Bundesstaaten. Ein Beispiel ist der Goblin Valley State Park im Südosten Utahs. Eine Ansammlung koboldähnlicher Figuren bevölkert hier den Wüstenboden. Keine Menschenhand hat sie geschaffen. Allein Wind, Wasser und Hitze waren hier am Werk.
Sehenswert sind zudem National Monuments. Zu nationalen Denkmälern werden in den USA nicht nur Gebäude mit historischer oder kultureller Bedeutung erklärt, es können auch ganze Landstriche zum Naturdenkmal werden. Solch ein geschütztes Gebiet ist Grand Staircase-Escalante im Süden Utahs, darin liegt der Wire Slot Canyon: Zu Fuß geht es in die enge Schlucht. Das Farbenspiel der Sonne lässt den Sandstein in Rot- und Gelbtönen leuchten. Geschwungene Linien ziehen sich wellenähnlich über den Fels. Das Gestein wird von Erosion, Wind und Wetter geformt.
„Nature, the mastor sculptor“, liest man irgendwo unterwegs auf einem Schild. Ja, die Natur schafft faszinierende Kunstwerke. Doch mit US-Präsident Trump gerät manche Landschaft in Gefahr, auch im Südwesten. Zwei National Monuments hat Trump in Utah bereits per Dekret um bis zu 80 Prozent verkleinern lassen. Das betrifft Bears Ears, bekannt für seine Tafelberge. Das Gebiet wurde erst im Jahr 2016 von Präsident Obama unter Schutz gestellt. Dann geht es auch um Grand Staircase-Escalante, einst von Bill Clinton zum National Monument erhoben.
Trump verfolgt wirtschaftliche Interessen. Der Südwesten ist reich an Bodenschätzen, so wird etwa Fracking für Öl betrieben, und nun droht der Canyonlandschaft Escalante, dass sie in eine Kohlemine verwandelt wird. Mehrere Indianerstämme, die ihre heiligen Stätten bedroht sehen, haben Klage gegen die Aufhebung des Naturschutzes eingereicht. Ausgang ungewiss. Noch niemals zuvor hat ein Präsident den von seinen Vorgängern verfügten Status als National Monument wieder aufgehoben.