Samstag,
19.08.2017 - 00:00
5 min
Kanadas Sunshine-Coast in British Columbia

Von Ute Strunk
Reporterin Politik

Den Desolation Sound erkundet man am besten auf dem Wasserweg. Foto: Ute Strunk ( Foto: Ute Strunk)
Laut singend und klatschend stapfen wir durch den Wald – und kommen uns dabei ein wenig albern vor. Doch wir lärmen nicht ohne Grund: Im Wald leben Schwarzbären und denen wollen wir nicht begegnen. Obwohl das ja irgendwie paradox klingt. Kaum ist man in British Columbia angekommen, hält man ständig nach den wilden Tieren Ausschau. Alle wollen wenigstens einmal einen Bären in freier Natur sehen.
Wir haben das Glück am Vorabend unserer Wanderung. Auf dem Heimweg vom Abendessen zum Ferienresort stoppt der Fahrer plötzlich am Rand einer Siedlung. Dort, auf der anderen Seite eines Fußballplatzes, sucht eine Schwarzbärin mit ihrem etwa zwei Jahre alten Jungen nach Essbarem. Ganz vorsichtig steigen wir aus und beobachten andächtig die Tiere, die keine 100 Meter von uns entfernt durch das Gras streifen – mit dem Auto in unserem Rücken, in das wir uns zur Not in Sicherheit bringen können.
Von dem Glücksgefühl, das uns da noch beseelt hat, ist am nächsten Tag im Wald allerdings nicht mehr viel zu spüren. Kaum hat uns Wanderführer Eagle Walz den ersten Bärenhaufen auf dem Weg gezeigt, sehen wir eine tierische Ausscheidung nach der anderen. Nicht nur, dass sie stinken, nein, wo frischer Bärenmist liegt, ist vermutlich auch der Bär nicht weit. Und dem wollen wir so ganz ohne schützendes Auto dann doch nicht gegenüberstehen. Da nützt es auch nichts, dass uns Eagle Walz beruhigen will: „Schwarzbären fressen überwiegend Pflanzen, die haben gar kein Interesse an uns“, erklärt der Wanderführer, der schon hunderten von Bären auf seinen einsamen Streifzügen durch den Wald begegnet ist. Die gefährlichsten Tiere seien nicht Bären, sondern Bienen, sagt der 70-Jährige.
Eagle Walz ist der Begründer des Sunshine-Coast-Trails, der mit einer Länge von 180 Kilometern der längste Hütten-Wanderweg Kanadas ist. Er verläuft von Saltery Bay im Süden der Westküste bis nach Sarah Point im Desolation-Sound-Marine-Park im Norden. Insgesamt 14 Hütten stehen Wanderern entlang der Strecke für kostenlose Übernachtungen zur Verfügung.
Wer denkt, dass es die Sunshine-Coast (deutsch: Sonnenscheinküste) nur in Australien gibt, wird in Kanada eines Besseren belehrt. Auch im Süd-Westen British Columbias verläuft ein Küstenabschnitt mit gleichem Namen – wenn hier auch nicht immer die Sonne scheint. Dafür, dass es in der Region häufiger mal regnet, spricht schon das Vorhandensein eines Regenwaldes. Wer wenig Zeit hat und dennoch möglichst viel Natur in seinem Urlaub erleben möchte, ist an der kanadischen Sunshine-Coast richtig. Sie beginnt nur 45 Kilometer Luftlinie von der Großstadt Vancouver entfernt in Gibsons, ist allerdings ausschließlich mit der Fähre oder dem Wasserflugzeug zu erreichen. Kein Wunder, dass sich die Einwohner wie Insulaner fühlen, obwohl der Küstenabschnitt eigentlich zum Festland gehört.
REISE-CHECK: KANADA
Anreise: Zum Beispiel mit Condor von Frankfurt nach Vancouver ab 350 Euro. Weiter mit dem Mietwagen zum Horseshoe Bay Terminal und von dort mit der Autofähre nach Gibsons, www.bcferries.com.
Unterkunft: West-Coast-Wilderness-Lodge in Egmont, Suiten mit Meerblick ab 278 Dollar pro Nacht (186 Euro, Stand: August 2017), Zimmer mit Waldblick ab 149 Dollar, www.wcwl.com. In der Lodge kann man Touren buchen: z.B. die Kombi-Tour mit Boot und Wasserflugzeug ab 250 Dollar pro Person.
Aktivitäten: Touren mit Kajak oder Boot sowie geführte Wanderungen bietet Terracentric Adventure Tours in Lund an, www.terracentricadventures.com. Geführte Wandertouren bietet Funtastic Hikes and Tours in Gibsons an, www.hikesandtours.com.
Auskunft: Sunshine Coast Tourism, www.sunshinecoastcanada.com; Destination British Columbia, www.hellobc.com
Unterkunft: West-Coast-Wilderness-Lodge in Egmont, Suiten mit Meerblick ab 278 Dollar pro Nacht (186 Euro, Stand: August 2017), Zimmer mit Waldblick ab 149 Dollar, www.wcwl.com. In der Lodge kann man Touren buchen: z.B. die Kombi-Tour mit Boot und Wasserflugzeug ab 250 Dollar pro Person.
Aktivitäten: Touren mit Kajak oder Boot sowie geführte Wanderungen bietet Terracentric Adventure Tours in Lund an, www.terracentricadventures.com. Geführte Wandertouren bietet Funtastic Hikes and Tours in Gibsons an, www.hikesandtours.com.
Auskunft: Sunshine Coast Tourism, www.sunshinecoastcanada.com; Destination British Columbia, www.hellobc.com
Nur 40 Minuten dauert die Überfahrt mit der Fähre von der Horseshoe Bay nach Gibsons. Die Gemeinde ist mit rund 4400 Einwohnern der zweitgrößte Ort an der Sunshine-Coast. Berühmt wurde er durch die kanadische Fernsehserie „The Beachcombers“, die von 1972 bis 1990 lief. In Deutschland wurde die Serie unter dem Namen „Die Strandpiraten“ im ZDF gezeigt. Heute geht es in dem kleinen Küstenort beschaulich zu. Die Einwohner – darunter viele Künstler – sind recht entspannt. „Wir haben so viel Platz und sind außerdem gesegnet mit einem milden Klima“, preist die österreichische Auswandererin Sylvia Punguntzky die Vorzüge des Küstenstreifens. Im neu eröffneten Public-Market, in dem regionale Händler Fleisch, Gemüse, Fisch und vieles mehr anbieten, betreibt sie einen kleinen Shop und verkauft sogenannte „Art-Chocolate“: Die Label für ihre selbst gemachte Schokolade lässt sie von Künstlern aus der Region gestalten.
Trotz der klimatischen Vorzüge öffnet sich die Sunshine-Coast nur langsam dem Tourismus. Das mag daran liegen, dass hier viele Wohlhabende leben, denn die bleiben vielleicht lieber unter sich. So zumindest versucht es Wanderführer Markus Schellenberg zu erklären. Der Schweizer ist ebenfalls ein Auswanderer – er lebt mit seiner Familie seit acht Jahren in Gibsons. Uns begleitet er bei der ersten Wanderung unserer Reise durch British Columbia auf dem „Skookumchuck Trail“.
Weiterführende Links
Startpunkt ist die Skookumchuck-Bakery im kleinen Fischerort Egmont. In der Bäckerei gibt es fantastische Zimtschnecken – die perfekte Grundlage im Magen für eine Wanderung. Dabei ist der etwa vier Kilometer lange Wanderweg konditionell keine große Herausforderung. Durch den Regenwald mit seinen moosbewachsenen Zedern geht es zum eigentlichen Höhepunkt: den Skookumchuck-Narrows. Die Stromschnellen am Sechelt Inlet sind weltberühmt – zumindest bei Wildwasserkanufahrern und Surfern. Allein durch die Gezeiten entsteht hier bei Flut ein Tidenhub von bis zu drei Metern und das Wasser erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 32 Stundenkilometern. Wer sich nah ans Wasser herantraut, entdeckt auf den glitschigen Felsen dicke lilafarbene Seesterne. Am besten aber ist die Gezeitenstromschnelle von oben zu sehen – bei einem Rundflug mit dem Wasserflugzeug.
Eine solche Ausflugstour können Gäste der West-Coast-Wilderness-Lodge in Egmont buchen. Inhaber Paul Hansen hat sich einiges einfallen lassen, um seinen Kunden die Schönheit der Natur näher zu bringen. Und die ist hier wirklich zum Greifen nahe. Direkt am Meer gelegen, mit einem traumhaften Blick auf die Landschaft, die fast ein wenig an Norwegens Fjorde erinnert, kann man von der Terrasse der luxuriösen Lodge aus mit viel Glück sogar Killerwale sehen. Wir haben auch dieses Glück.
„Hier kommen die Orcas gerne hin und schnappen sich eine der Robben, die auf der kleinen Felseninsel liegen“, zeigt uns Kapitän Terry den Grund für den Walbesuch. Mit dem Boot fahren wir entlang der Küstenlinie zu den spektakulären „Chatterbox Falls“ – einem Wasserfall, der im Princess-Louisa-Marine-Park aus 37 Metern Höhe über die Klippen in die Tiefe rauscht. Hin und wieder drosselt der Kapitän den Motor und erzählt von den „First Nations“, die hier einst lebten. Ein Hinweis auf die kanadischen Ureinwohner sind zum Beispiel die roten Wandmalereien, die man an einigen Felsen sieht. Die bis zu 900 Jahre alten Piktogramme zeigen an, dass das Gewässer besonders fischreich ist.
Reich an Tierarten und landschaftlich reizvoll ist auch der Desolation Sound, eine Meeresstraße, die etwas weiter nördlich an der Sunshine-Coast beim kleinen Ort Lund liegt. Am besten erkundet man auch diese auf dem Wasserweg. Hier lebt Jan Römer, ein deutscher Auswanderer aus Hamburg. Er steuert mit seinem Zodiac-Schlauchboot das Herz des Sunds an. Die Haare wehen im Wind und das Wasser spritzt, wenn das Boot aufs Wasser klatscht. Der Guide zeigt uns Robben und Adler, sowie am Ufer die Villen der Reichen. Nicht weit von hier beginnt auch der Sunshine-Coast-Trail, den Eagle Walz 1992 ins Leben gerufen hat. „Damals haben alle immer aufs Wasser geschaut, nur die Holzfäller wussten, wie schön es im Wald ist“, sagt Walz, der ebenfalls ein deutscher Auswanderer ist und eigentlich Eddie heißt. Mit 16 Jahren kam er nach Kanada und fast 30 Jahre später sorgte er dafür, dass der Wald für Wanderer zugänglich gemacht wurde: „Damit alle sehen konnten, wie wunderbar er ist.“