In Griesheim überzeugt das "Leib und Seele" mit guter Küche, sehr fairen Preisen und speziellem Ambiente.
Von Wolfgang Weissgerber
Rustikal gibt sich der Gastraum des "Leib und Seele" in Griesheim.
(Foto: Andreas Kelm, Wolfgang Weissgerber)
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GRIESHEIM - Vor allem bei Auswärtigen hat Griesheim den Ruf einer gesichtslosen, langweiligen Schlafstadt. Dabei gibt es hier alles, was der Mensch so braucht. Vor allem gastronomisch hat sich in den vergangenen Jahren dort einiges getan. Und nein, wir haben keinen neuen Italiener entdeckt, sondern ein Lokal, das seit knapp einem halben Jahr „frisch und regional“ (Eigenwerbung) deutsche Küche mit Anleihen von Odenwälder Bodenständigkeit präsentiert.
Jetzt, im Spätsommer, kann das „Leib und Seele“ noch mit einer schönen Holzterrasse locken, auf der man unter luftigen Sonnensegeln sitzt und, nun ja, auf Griesheims pulsierende Hauptverkehrsstraße schaut. Haltestelle und Ampel sorgen jedoch zuverlässig dafür, dass der Verkehr gebremst wird und der Geräuschpegel erträglich bleibt. Drinnen hat sich ein Innenarchitekt so richtig ausgetobt und vielleicht hier und da ein Register zu viel gezogen. Zwei blecherne Rüstungen bewachen den mit Ziegel-Blendriemchen verzierten Rundbogen vom Vorraum zur Gaststube. Dort thront eine Andeutung von Rauputz-Kreuzgewölbe über wuchtigen, hochglanzlackierten Naturholztischen, auf die umlaufende schwarze Ledersitzbank sind kleine Felle drapiert. Holzbalken, Wandnischen und weitere Ziegelapplikationen schaffen eine Atmosphäre zwischen Alpenvorland und Ritterburg.
Beim Studium der kleinen Karte versuchen wir zunächst den Unterschied zwischen Aperol Spritz (mit Sekt) und Veneto Spritz (mit Weißwein) herauszuschmecken – er ist marginal (je 4,80 Euro). Für die erste Überraschung sorgt anschließend der "kleine" bunte Salatteller mit Balsamico-Dressing. Da schleppt der freundliche Service eine Riesenportion Blattsalate mit Gurkenscheiben, Paprikawürfeln und Tomatenachteln in mildem Dressing an, dazu frisches Baguette. Statt des Kampfpreises von 3,80 Euro laut Karte stehen dafür später allerdings angemessene 7,90 Euro auf der Rechnung. Reichlich und offensichtlich kein Instant-Produkt ist auch die „Klassische Rinder Kraftbrühe mit Gemüsestreifen und Markklößchen“ (6,90 Euro), der es außer dem Bindestrich an wirklich nichts fehlt. Das Einfache ist oft das Beste: klarer, kräftiger Geschmack, gut ausbalanciert und nicht etwa übersalzen. Das kräftige Bauernbrot mit Kräuterbutter und Schmand war wohl als Gruß aus der Küche gedacht, wurde aber mit den Vorspeisen serviert.
Visitenkarte
"Leib und Seele", Wilhelm-Leuschner-Straße 99, 64347 Griesheim, Telefon 06155- 3924, www.leibundseele-griesheim.de.
Öffnungszeiten: Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonntag von 12 bis 14.30 Uhr, Mittwoch bis Montag von 17 bis 23 Uhr, Dienstag Ruhetag.
Unsere Neugier weckt die Empfehlung „Leibgericht der Woche“: Forelle im Speckmantel mit Kartoffelecken, Karottengemüse und weißer Schoko-Mousse. Passt das? Es passt – denn das weiße Etwas, das die leicht knackigen Möhrenscheiben umhüllt, ist nur eine leichte Mehlschwitze, die Mousse gibt’s hinterher. Sie ist als luftiges Dessert im Supersparpreis von 12,90 Euro inbegriffen. Eine weitere Überraschung: Unter der Speckhülle – sie hält den Fisch saftig, muss aber nicht unbedingt gegessen werden – sind zwar noch Kopf und Schwanzflosse dran, aber die Gräten wurden bereits entfernt.
Eine Riesenportion sind auch die Ochsenbäckchen (18,50 Euro), laut Karte in Heu und Wacholder – was geschmacklich folgenlos bleibt – butterzart geschmort und in sämig-würziger Rotweinsoße serviert. Die Teigwaren aus dem kross gerösteten Schupfnudelgemüse dazu sind möglicherweise ein – ordentliches – Convenience-Produkt. Das ist auch beim Walnussparfait (7,50 Euro) nicht ganz auszuschließen, mit Himbeersoße und ganzen Früchten wird daraus jedoch eine aromatisch sinnvolle und hübsch dekorierte Kombination.
Die Weinkarte ist sehr übersichtlich – mit Spätburgunder und Grauburgunder aus der Pfalz (je 5,50 Euro) liegt man angesichts der Speisekarte aber immer richtig. Und weil die Straßenbahn direkt vor der Tür hält, nimmt man auch die Gratis-Spirituose gerne an.