Er ist wieder da und noch immer ein Star. Stadtkoch Johan Jorry, der bis vor einem Jahr in Darmstadt-Bessungen für angemeldete Gruppen gekocht hat, hat sich im alten Güterbahnhof von Traisa vergrößert.
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Von der Güterhalle zum Kulinar-Tempel: Das neue Domizil des Stadtkochs in Traisa. Foto: Claus Völker
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DARMSTADT - Stadtkoch, Landkoch, Festkoch: Johan Jorry bewirtet angemeldete Gruppen jetzt im alten Güterbahnhof in Mühltal-Traisa
Er ist wieder da und noch immer ein Star. Stadtkoch Johan Jorry, der bis vor einem Jahr in Darmstadt-Bessungen für angemeldete Gruppen gekocht hat, hat sich im alten Güterbahnhof von Traisa vergrößert.
Seit er sein Bessunger Domizil vor etwa einem Jahr verlassen hatte, wurde „Stadtkoch“ Johan Jorry von Liebhabern guter französischer Küche sehnlich vermisst. In der ehemaligen Güterhalle des alten Bahnhofs von Traisa hat er ein größeres, gleichfalls stimmungsvolles Domizil gefunden. Dass die Odenwaldbahn direkt am Lokal hält, ist ein gutes Zusammentreffen. Denn der Besuch ist unweigerlich mit der Verkostung handverlesener, speziell auf die Speisen abgestimmter Weine verbunden. Vom Crémant zum Apéro bis hin zum 17-prozentigen Dessertwein kommt da einiges zusammen. Jorry, der seinen Pariser Akzent pflegt, kennt „seine“ Winzer allesamt persönlich, und fast hat man den Eindruck, er kenne auch jeden Rebstock namentlich und habe bei der Ernte der Weintrauben selbst mitgeholfen.
Der Stadtkoch, der nun ja eigentlich ein Landkoch ist, könnte durchaus auch Festkoch heißen. Denn er kocht für spezielle Anlässe, vor allem aber für Gruppen. Auf Bestellung, fest reserviert. In der Regel Wochen im Voraus bucht man einen bestimmten Abend mit einem vorab festgelegten Menu zum festen Preis. Keine Speisekarte, keine Getränkekarte, kein langwieriges Auswählen von Gast zu Gast. Für Jorry hat das den Vorteil, ganz anders einkaufen, planen, kochen zu können. Trotzdem bleibt ein gewisser Surprise-Anteil für die Gäste gewahrt. Denn nicht immer kommt die geplante Barbe auch wirklich auf den Teller. Es kann auch ein „Poisson du jour“ sein, eine auf dem Frankfurter Fischmarkt frisch erstandene Alternative.
Geöffnet nur nach Reservierung für Gruppen von 15 bis 60 Personen. Menüs kosten zwischen 50 und 70 Euro, Getränke inklusive. Nur Barzahlung möglich.
Barrierefrei: ja, Raucherbereich: nein
Originelles Lokal mit guter französischer Küche, ausgesuchten Weinen und speziellem Käse-Assortiment.
Normalerweise kommt der „Dippegucker“ erst ein paar Wochen nach der Eröffnung. Diesmal bescherte der Zufall ihm eine Premierenvorstellung, und dass der Betrieb sich erst noch einspielen muss, ist keine Frage. Die Erwartungen waren hoch, und am neuen Ort hat sich der Stadtkoch noch einmal selbst übertroffen. Die alte Güterbahnhofshalle scheint wie für seine Zwecke geschaffen. Und er hat aus den Möglichkeiten, die einem solchen Ort innewohnen, das Beste herausgeholt. Wer glaubt, erstklassige Küche brauche neues Designer-Mobiliar, liegt falsch. Wo auch immer Jorry sein Inventar aufgetrieben haben mag – jedes Stück hat Geschichte. Auf den einfachen, unverwüstlichen Holzstühlen mit den robusten Metallrahmen haben früher womöglich französische Nachkriegsschüler die Schulbank gedrückt. Der alte Aktenschrank, auf dem nun der Wein dekantiert wird, könnte aus einem Rathaus in der Lorraine stammen. Die beiden wuchtigen schwarzen Bolleröfen sehen zwar alt aus, sind aber neu. Sie kommen aus Kanada und heizen die rund zwölf Meter hohe Halle so tüchtig ein, dass man Jacke und Rollkragenpullover getrost zuhause lassen kann. Jedes Element, jedes Accessoire wirkt inspiriert von einem Geist, der Zufälliges, Seltenes, Spezielles auf erfrischend-originelle Weise zusammengeführt hat.
Der Stadtkoch setzt auf innere Werte. Und beginnt bei sich selbst. Es ist der Macher, der Motor, das Herz des Ganzen. Deshalb taucht der Chef des Hauses auch nicht im feinen Zwirn mit Schlips und Kragen auf, sondern in Schlabberhose, ausgewaschenem T-Shirt und Schürze. Die Frisur verwuselt, im Gesicht ein echter Dreitagebart. Das ist keine Allüre, Jorry meint es wirklich so. Hier wird nur zwei Künsten gehuldigt: der Kunst des Kochens und der des Understatements.
Herzstück der Güterhalle ist eine chromglänzende Hightech-Kochstelle, die von allen Seiten einsehbar ist und wo all das frisch kreiert wird, was anschließend kredenzt wird. Unser sechsgängiges „Freundschaftsmenü“ beginnt mit einem Amuse bouche – winzigen windbeutelartigen Gaumenschmeichlern, von denen jeder zwei bekommt.
Gang zwei, ein winterlicher Gemüseflan, erweist sich als rund geformte Kürbisvorspeise, deren naturgemäß leicht süßer Beigeschmack durch einen sehr trockenen Weißwein aufgefangen wird. Der nun folgende Fisch ruht auf einer würzigen Tapenade aus Kapern und Polenta, begleitet von einem Côtes du Rhone blanc, der wie gemacht scheint für dieses zarte, luftig gedünstete Filet. Der nächste Gang, Hirsch im Wirsingmantel, entpuppt sich als kräftige Hauptspeise mit sehr zartem Fleisch, dessen dunkle Würze in den gebratenen Trauben einen genussvollen Widerklang findet. Für die Vegetarier zaubert Jorry den Hirschen weg und Frischkäse, Tomaten und Lauch hinein. „Fein, aber mächtig“, so das Urteil unserer Tischnachbarin. Es folgt Käse aus renommierten französischen Fromagerien und zum süßen Schluss ein Feuilleté mit schwarzer Schokolade.
Neuer Ort, neue Bedingungen, auf die sich der Stadtkoch noch einstellen muss: Bei unserem Premierenbesuch ist die alte Güterhalle mit etwa 60 Gästen voll besetzt. Jorry und seine dreiköpfige Crew haben alle Hände voll zu tun, die Kundschaft in einem angemessenen Rhythmus zu versorgen, auch die Versorgung mit Getränken stockt zwischendurch. Wohl dem, der inspirierende Tischnachbarn hat, denn die Wartezeiten zwischen den einzelnen Gängen sind zuweilen recht lang.
Gute fünf Stunden darf man für ein Sechs-Gang-Menü einplanen. Und wer mit richtig großem Hunger kommt, muss damit rechnen, dass sich daran in den ersten zwei Stunden erst einmal nicht viel ändert.