Streitfrage: Soll die EU die Freiheit der Medien sichern?

Die Halle 45 in Mainz.
© Halle 45

ARD, ZDF und Zeitungsverleger wehren sich dagegen, dass die EU in der Medienaufsicht mitmischen will. Ein Streit, der auf der Mainzer Medienmesse ConCon offen ausgetragen wird.

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Mainz. Es kommt nicht häufig vor, dass die Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Zeitungsverleger in das gleiche Horn stoßen. Zu sehr untergräbt die Strategie der ARD-Anstalten, im Netz immer mehr kostenlose Textangebote zu machen, das Bemühen der Zeitungen, Qualitätsjournalismus auch im digitalen Zeitalter kostenpflichtig und damit finanzierbar zu machen. Beim Schutz der Pressefreiheit ist man sich dagegen einig – und hat ausgerechnet die Europäische Union (EU) als gemeinsamen Gegner ausgemacht.

Das hätte kaum deutlicher werden können als auf der Mainzer Medienmesse Content Convention (ConCon), wo EU-Kommissarin Vera Jourova am Donnerstagnachmittag den von ihr erarbeiteten European Media Freedom Act verteidigen wollte. Eine Verordnung, mit der die EU die Medienfreiheit insbesondere in den Ländern sichern will, wo diese bereits jetzt unter die Räder zu geraten droht. Ungarn und Polen fallen hier immer wieder als Beispiele.

EU-Vorstoß besorgt Zeitungsverleger und Rundfunkmacher

Die EU hat offenbar Sorge, dass Schule machen könnte wie nationale Regierungen und Oligarchen die Medienlandschaft unter ihre Kontrolle bringen und so Meinungsvielfalt und Demokratie aushöhlen können. Zeitungsverleger und Rundfunkmacher in Ländern mit vorbildlicher Medienfreiheit sehen dagegen die Gefahr aufziehen, die EU könne die Medienfreiheit eher unterwandern, indem sie in dieses von der EU bisher nicht bestellte Feld beackern will.

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EU-Kommissarin Jourova ist mit dieser Kritik längst vertraut. Sie betrachtet sie schlicht als Missverständnis: „Wer hohe Standards hat, muss sich über das Einziehen von Mindeststandards keine Gedanken machen”, wirbt sie für ihre Verordnung. Auf der Messe am Medienstandort Mainz muss Jourova allerdings entschiedene Ablehnung aufseiten der Medienvertreter zur Kenntnis nehmen.

Am deutlichsten wird an diesem Nachmittag FAZ-Herausgeber Carsten Knop: „Wir halten den Vorstoß aus deutscher Sicht für überflüssig.” In Europa gelte das Subsidiaritätsprinzip. Wo etwas in Ordnung sei, dürfe keine weitere Kontrollinstanz eingezogen werden. Zuvor schon hatte der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) klargemacht, dass er durch eine Medienaufsicht, die der EU nicht zustehe, die verlegerische Freiheit bedroht sieht, die unabhängigen Journalismus in Europa erst möglich gemacht habe.

Verbindliche Verordnungen für alle Staaten

Der FAZ-Herausgeber fordert die Kommissarin auf, von einer für alle Staaten verbindlichen Verordnung zu lassen: „Greifen Sie in den Ländern mit Direktiven durch, wo Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit tatsächlich angegriffen werden.“ SWR-Intendant Kai Gniffke, der zum Jahreswechsel den ARD-Vorsitz übernimmt, gibt dem Zeitungsmann Schützenhilfe: „Wir brauchen keine Standards, die unter unseren liegen. Und wir brauchen keine Medienaufsicht durch die EU, die die Staatsferne der Öffentlich-Rechtlichen eher infrage stellt als schwächt.“

ZDF-Intendant Norbert Himmler nimmt die EU-Kommissarin einfach beim Wort: „Wer keine Standards absenken will, akzeptiert am besten die vorhandenen.“ In einer späteren Gesprächsrunde mit Journalisten zeigt sich die tschechische EU-Kommissarin allerdings wenig beeindruckt. Und macht am Beispiel Großbritannien deutlich, dass sie auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gefahr sieht. Dort habe die konservative Regierung schon mehrfach das Ziel ausgegeben, der BBC ihre Finanzierung durch Gebühren zu entziehen und sie auf eine Finanzierung durch freiwillige Beiträge zu beschneiden.

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„Wir brauchen aber eigentlich in allen europäischen Ländern einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der unabhängigen Qualitätsjournalismus garantiert“, gibt Jourova einen Einblick in ihre Agenda.

Bleibt die Frage, wie sich die deutsche Politik zum Vorstoß der EU stellt? Gefragt sind in diesem Fall die Ministerpräsidenten und nicht die Bundesregierung, weil Medien nach der Erfahrung durch die Gleichschaltung der Nazis Ländersache sind. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer schlägt sich als Quasi-Gastgeberin der ConCon vorsichtig auf die Seite der medienvertreter: „Wir glauben, dass eine dezentrale Aufsicht wirkungsvoller ist als eine zentrale.“ Dreyer, die in Medienangelegenheiten auch Sprecherin der SPD-regierten Länder ist, gibt allerdings nicht zu erkennen, dass sie sich grundsätzlich dagegen stellt, dass die EU das Thema Medienfreiheit durch eine Verordnung zu ihrem eigenen machen will.