Ein Jahr Ukraine-Krieg: Wie lässt sich Putin stoppen?

aus Krieg in der Ukraine

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15. April 2022, Ukraine, Lwiw: Der Ukrainer Nicolai steht am Bahnhof in Lwiw und verabschiedet sich von seiner Tochter Elina und seiner Frau Lolita, die mit einem Zug nach Polen fliehen.
© Emilio Morenatti/AP/dpa

Noch mehr Waffen für die Ukraine, fordern viele. Endlich verhandeln, mahnen andere. Ein Streitgespräch zwischen den Politikwissenschaftlern Nicole Deitelhoff und Wolfgang Merkel.

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Die Widerstandskraft der Ukraine hat alle überrascht

Frau Professor Deitelhoff, Herr Professor Merkel, wenn Sie an den Beginn des Krieges denken – welche Ihrer damaligen Annahmen haben sich bestätigt, was hat Sie überrascht, wo haben Sie sich geirrt?

Deitelhoff: Ich bin davon ausgegangen, dass der Krieg relativ schnell beendet sein würde. Wie viele andere habe ich die russischen Fähigkeiten überschätzt und die ukrainischen unterschätzt. Das ist die zentrale Korrektur. Als klar wurde, wie viel schlechter die russischen Streitkräfte in der Lage sind, den Krieg zu führen und wie stark die Unterstützung durch die EU-Staaten und die transatlantischen Partner ist, bin ich davon ausgegangen, dass wir einen sehr langen Konflikt haben werden. Das hat sich leider bestätigt.

Merkel: Auch ich habe nicht geglaubt, dass die Ukraine sich so erfolgreich verteidigen kann. Überrascht hat mich außerdem, wie sich die Grünen positioniert haben, also die große Einigkeit darin, dass man diesem Aggressor mit allen verfügbaren Mitteln und Waffen entgegentreten muss. Was mich nicht überrascht hat, ist die Erkenntnis, dass ein Diktator wie Putin nicht einfach aufgibt. Er glaubt fest daran, dass Russland nicht zu besiegen ist. Dieser Glaube beruht möglicherweise auf einer Fehleinschätzung der eigenen Stärke, von der Nicole gesprochen hat. Putin denkt offenbar, dass die Zeit für ihn arbeitet.

Deitelhoff: Bei der Position der Grünen möchte ich widersprechen. Immer, wenn sie Regierungsverantwortung hatten, standen sie bei einem klaren Bruch des Völkerrechts für ein robustes sicherheitspolitisches Vorgehen. Erinnere dich an den Jugoslawien-Konflikt und den damaligen Außenminister Joschka Fischer.

Haben sich Moskaus Kriegsziele im Ukraine-Krieg inzwischen geändert?

Was ist das Hauptziel Russlands in diesem Krieg, und hat es sich im Laufe seit dem 24. Februar 2022 geändert?

Merkel: Das wissen wir nicht so genau, Kriegsziele verändern sich. Klar ist wohl, dass Putin eine breite Verbindung zwischen dem Donbass im Osten der Ukraine und der Krim will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dieses Ziel aufgibt. Dass er immer noch die Idee hat, die Ukraine als Staat von der Landkarte zu wischen oder komplett unter russisches Protektorat zu stellen, glaube ich nicht. Dafür hat Russland zu viel Widerstand erfahren.

Deitelhoff: Das sehe ich nicht so. Gleich zu Beginn wurden vom Kreml als Kriegsziele „Denazifizierung“ und „Demilitarisierung“ der Ukraine ausgegeben, was zumindest auf einen Sturz der Regierung in Kiew hinausliefe. Das ist schon nah dran an einem russischen Protektorat. Mittlerweile ist man, getrieben durch die eigene Propaganda, bei neuen – imperialistischen – Maximalzielen angekommen. Putin hat die russischen Hardliner angefüttert und sich damit selbst gefesselt.

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Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin nach der Ukraine weitere Länder angreift?

Merkel: Ich glaube nicht, dass er noch weitere Fronten eröffnet oder gar so irrational handelt, ein Nato-Mitglied anzugreifen. Er müsste dann eine massive Antwort der USA befürchten. Aber wir wissen es nicht. Wir betreiben hier gerade Kreml-Astrologie wie zu Sowjetzeiten.

Deitelhoff: Putin mag jetzt keine weitere Front aufmachen, aber das Argument ist ja ein anderes: Wenn Putin in der Ukraine Erfolg hat, wird er den Eindruck gewinnen, er könne weitermachen. Etwa in Moldawien oder Georgien. Und was die Rationalität angeht: Viele haben gedacht, dass Putin bald aufgibt, wenn er nicht schnell zum Ziel kommt. Doch sind unsere Rationalitätsannahmen nicht eins zu eins auf diesen Mann übertragbar. Wie Wolfgang richtig gesagt hat: Putin kann sich nicht vorstellen, dass er verliert. Deshalb nimmt er massive Kosten in Kauf.

Merkel: Und deshalb bin ich skeptisch, dass Putin in einem klassischen Sinn besiegt werden kann. Sein eigenes Schicksal hängt daran, dass zu Hause nicht der Eindruck entsteht, er habe verloren. Sonst werden die Gewaltapparate der Armee und der Geheimdienste bis hin zum tschetschenischen Warlord Kadyrow eine Hardliner-Allianz bilden und ihn beseitigen.

Geht es im Ukraine-Krieg auch um Rache für alte Demütigungen?

Russland fühlt sich vom Westen gedemütigt, eingekreist. Das mag falsch sein. Aber haben wir Russland Argumente geliefert für diese Sichtweise?

Deitelhoff: Rückblickend kann man wohl sagen, dass Russland sich zu lange nicht ernst genommen gefühlt hat. Man hat bei der Nato wohl gedacht, „die werden sich schon wieder einkriegen“. Wenn man aber schaut, was wirklich auf dem Tisch lag, war da nichts, was gegen die Prinzipien der europäischen Sicherheitsordnung verstoßen hat. Es geht um gefühlte Verletzungen, nicht um faktische.

Merkel: Das mag so sein, aber Demütigung hat eine subjektive Komponente. Wenn US-Präsident Obama mit Blick auf Russland sagt, man habe es mit einer „Regionalmacht“ zu tun, bringt er den Phantomschmerz vom Verlust einstiger sowjetischer Größe auf den Begriff.

Deitelhoff: Allerdings war es nicht der Westen, der die Sicherheitsarchitektur immer wieder torpediert hat, sondern Russland – in Georgien, in Moldawien, in Syrien, auf der Krim und im Donbass.

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Waffen für die Ukraine – vom Sinn und Unsinn „roter Linien”

In Deutschland bestimmen die Waffenlieferungen die Diskussionen. Dabei ist viel die Rede von „roten Linien“. Welche ziehen Sie?

Deitelhoff: Als Bundesregierung würde ich öffentlich überhaupt keine „roten Linien“ ziehen. Wenn ich den Druck auf Putin maximal aufrechterhalten will, dann sollte ich ihn nicht wissen lassen, wo die Grenze meiner Unterstützung liegt.

Und was sagen Sie als Friedens- und Konfliktforscherin?

Deitelhoff: Für mich sind zwei Aspekte wichtig. Auf der einen Seite will ich Waffen liefern, um die Ukraine so weit zu stärken, dass Russland sich genötigt sieht, zu verhandeln. Ich will verhindern, dass Russland gewinnt. Auf der anderen Seite will ich aber auch verhindern, dass die Nato in eine direkte Konfrontation hineingezogen wird. Das ist die schwierige Ausgangslage.

Merkel: Es ist eben schwierig, für einzelne Waffengattungen „rote Linien“ zu ziehen. Für mich ist die zentrale „rote Linie“: keine direkte Einmischung der Nato. Ich kritisiere an der Debatte in Deutschland, dass man nicht in Szenarien denkt, sondern immer nur über einzelne Waffen redet, die angeblich die große Wende auf dem „Schlachtfeld“, wie man jetzt wieder gerne sagt, bringen sollen. Der in der deutschen Debatte liebevoll als „Leo“ bezeichnete Kampfpanzer Leopard wird nicht kriegsentscheidend.

Ist es richtig, deutsche Kampfpanzer zu liefern oder nicht?

Deitelhoff: Es ist richtig, weil die Ukraine sie dringend braucht. Russland führt einen Krieg, in dem es die eigenen Soldaten als Kanonenfutter nutzt, auf deren Leichen Gebietsfortschritte erzielt. Das ist fürchterlich, aber es funktioniert leider. Die Ukraine kann das nicht, sie hat sehr erschöpfte Truppen und wenig Nachschub. Sie braucht die Panzer, um sie zwischen sich und die Angreifer zu bringen, damit die Front nicht zusammenbricht.

Herr Merkel, Sie haben die Lieferung von schweren Waffen immer wieder kritisiert. Aber wie soll sich die Ukraine verteidigen?

Merkel: Als ich im Frühjahr 2022 den ersten Offenen Brief an Kanzler Scholz unterzeichnet habe, in dem gefordert wurde, weniger auf Waffen und mehr auf Verhandlungen zu setzen, war die militärische Lage noch eine andere. Ich sage heute völlig eindeutig: Die Ukraine braucht Waffen, um sich zu verteidigen, um nicht ausgelöscht zu werden. Dennoch bedeuten mehr Waffen immer auch mehr Eskalation und Tod. Wenn Außenministerin Baerbock beschönigend sagt, mit unseren Waffen werden Menschen gerettet, ist das nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist: Mit unseren Waffen werden Menschen getötet.

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Wie sieht es mit Kampfjets aus?

Deitelhoff: Hier ist für mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt so etwas wie eine „rote Linie“ erreicht. Wenn Jets sinnvoll eingesetzt werden sollen, müssen sie tief in russisches Gebiet fliegen, um dort Stellungen auszuschalten, die auf die Ukraine feuern. Damit könnten wir Putin das Gefühl geben, Russland werde in seinem Herzen angegriffen. So könnten wir eben doch in einen größeren Konflikt geraten. Deshalb: Jetzt keine Kampfjets.

Merkel: Ich stimme zu. Wenn Waffen tief in das russische Territorium eindringen können, machen sie die nächste Spiraldrehung in der Eskalationsdynamik wahrscheinlich. Und das bedeutet wieder mehr Unsicherheit in der Frage, was die andere Seite bereit ist, zu riskieren.

Das Dilemma der Unterstützer Kiews im Ukraine-Krieg

Müssen wir immer weitere Waffen liefern? Kann man diesen Krieg so überhaupt beenden? 

Deitelhoff: Natürlich müssen wir immer sorgfältig abwägen, wie die andere Seite reagiert, Stichwort: Eskalationsdynamik. Allerdings führt das dazu, dass wir zwar Waffen liefern, dies aber stets so verzögert tun, dass die Gefahr droht, dass die Ukraine am ausgestreckten Arm verhungert. Sie bekommt genug, um nicht aufgeben zu müssen, aber nicht genug, um gewinnen zu können. Das ist unser Problem: Wir können nicht „All-in“ oder „All-out“ gehen.

Jetzt sind wir beim Poker. Was meinen Sie damit?

Deitelhoff: All-in könnte bedeuten, dass wir – zum Beispiel durch die Lieferung von Kampfjets – einen entgrenzten Krieg bekommen. Das geht nicht, das Risiko ist einfach zu groß. All-out würde bedeuten, dass man keine Waffen mehr liefert und die Ukraine ausbluten lässt. Darauf läuft der Appell der Unterzeichner des „Manifests“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hinaus. Binnen weniger Wochen wäre die militärische Niederlage da. Ich verstehe nicht, wie irgendjemand davon ausgehen kann, dass Russland dann bereit wäre, faire Friedensverhandlungen zu führen.

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Die Frage ist: Wie schaffen wir es, die Ukraine so zu unterstützen, dass sie bestehen kann, ohne dass wir in einen langen, immer mehr Opfer fordernden Krieg hineingeraten?

Merkel: Das ist ein tatsächliches Dilemma. Weder können wir alles an Waffen liefern, was wir haben, noch dürfen wir Russland einen Sieg ermöglichen. Letzteres will auch keiner der Briefe-Unterzeichner. Wir brauchen einen dritten Weg zwischen Kapitulation und Eskalation. Und wir müssen immer bedenken, welche Kosten entstehen, wie viele Menschen in diesem Krieg sterben. Die Amerikaner sprechen von bisher 250.000 Toten. Das kommt mir in der deutschen Debatte zu kurz.

Herr Merkel, Sie haben das angesprochene Manifest nicht unterschrieben…

Deitelhoff: Das ist übrigens sehr wohltuend aufgefallen!

Merkel: Alles dir zuliebe, Nicole!

…warum haben Sie diesmal nicht unterschrieben?

Merkel: Ich halte es für inflationär, jetzt noch einen weiteren Brief hinterherzuschicken. Auch haben mir nicht alle Formulierungen gefallen. Und wenn man überall unterschreibt, wird man nicht mehr ernst genommen. Schließlich hatte das Ganze einen Hauch zu viel Personality-Show der beiden Frauen. Prinzipiell stimme ich aber mit ihren Zielen weiter überein.

Die 62-jährige Natalia Tsyukalo kniet vor Trümmern und demonstriert, welche Haltung sie in einem Schutzkeller während der russischen Invasion eingenommen hat. Tsyukalo und ihr Mann wurde am 5. März 2022 evakuiert und kehrten erst kürzlich in ihr teilweise zerstörtes Haus zurück.
15. April 2022, Ukraine, Lwiw: Der Ukrainer Nicolai steht am Bahnhof in Lwiw und verabschiedet sich von seiner Tochter Elina und seiner Frau Lolita, die mit einem Zug nach Polen fliehen.
15. September 2022, Ukraine, Isjum: Ein Blick auf nicht identifizierte Gräber von Zivilisten und ukrainischen Soldaten, die von russischen Streitkräften zu Beginn des Krieges getötet worden sein sollen, auf einem Friedhof in der zurückeroberten Stadt.
2. März 2022, Ukraine, Kiew: Menschen sitzen in der Kiewer U-Bahn und nutzen sie als Schutzraum.
Verheerender russischer Raketenangriff: Am 14. Januar wird in der Stadt Dnipro (Zentralukraine) ein Wohnblock getroffen.
Eine Frau nimmt an der Beerdigung eines Soldaten auf einem Friedhof teil. Der Soldat trat im März 2022 in die Armee ein und starb vor zwei Wochen in der Nähe von Bachmut.
Eine ältere Dame wird bei der Überquerung des Flusses Irpin unter einer zerstörten Brücke unterstützt, während Zivilisten aus der Stadt fliehen. Am 24. Februar 2023 jährt sich der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
15. Februar 2022, Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin (l) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind zu einem Treffen im Kreml zusammengekommen. Scholz traf den russischen Präsidenten zu Gesprächen über die Situation an der ukrainischen-russischen Grenze. Formal handelte es sich um einen Antrittsbesuch des Kanzlers. Nur wenige Tage danach startete Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, trifft sich mit Sergej Lawrow, Außenminister von Russland.
1. März 2022: Das Standbild aus der Video-Übertragung während der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments über die Invasion in der Ukraine zeigt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, mit erhobener Faust.
20. Februar 2023, Ukraine, Kupiansk: Eine Frau hält ein Stück Schrapnell im Hinterhof eines Hauses, das vor drei Tagen durch einen Angriff zerstört wurde.
Wolodymyr Selenskyj (l), Präsident der Ukraine, begrüßt am 10. Mai 2022 Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne, ). Baerbock ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew reiste.
Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.r., SPD) geht am 16. Juni 2022 mit Mario Draghi (3.v.r.), Ministerpräsident von Italien, Klaus Iohannis (3.v.l.), Präsident von Rumänien, und Emmanuel Macron (2.v.l.), Präsident von Frankreich, an zerstörten Gebäuden in Irpin im Großraum Kiew vorbei. Sie besuchten die ukrainische Hauptstadt, um mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj über weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land zu sprechen.
Wolodymyr Selenskyj (r), Präsident der Ukraine, begrüßt bei einem Besuch in Kiew Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) und Emmanuel Macron (M), Präsident von Frankreich.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) verabschiedet sich am 25. Oktober 2022 von Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, im Präsidentenpalast bei einer Pressekonferenz. Steinmeier hielt sich zu einem eintägigen Besuch in der Ukraine auf und machte sich vor Ort ein Bild von der Zerstörung durch den Angriffskrieg Russlands.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht am 25. August 2022 das Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten an dem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und geht an einem Gepard Panzer vorbei. Scholz sprach auf dem Truppenübungsplatz Putlos in Schleswig-Holstein mit den Soldaten sowie Industrie-Ausbildern der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann.

Wie bekommt man Putin an den Verhandlungstisch?

Merkel: Es geht nicht nur um Putin. Derzeit glauben beide Seiten, sie könnten diesen Krieg gewinnen. So lange das der Fall ist, wird es schwierig, sie an den Verhandlungstisch zu bringen. Ich glaube, dass der entscheidende Spieler die USA sind. Letztlich kann nur Washington auf den Autokraten in Moskau einwirken. Die USA müssten auch der Ukraine Garantien geben und dafür sorgen, dass nicht nur Maximalpositionen verhandelt werden. Darüber hinaus könnte – ich sage es nicht gerne – der türkische Präsident Erdogan eine Rolle spielen, ebenso China als Garantiemacht für einen Waffenstillstand. Man braucht Dritte, die nicht eindeutig Position bezogen haben.

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Die Furcht vor einem Atomkrieg, den der Ukraine-Krieg auslösen könnte

Kanzler Scholz hat sein Zögern bei Waffenlieferungen auch mit der Gefahr eines Atomkriegs begründet. Wie schätzen Sie diese Gefahr ein?

Merkel: Wir können das nicht ausschließen, und das weiß Putin auch. Für uns ist die Frage: Dürfen wir ein solches Risiko eingehen? Die USA achten peinlich darauf, es nicht zu tun. Sie müssten nämlich auf eine solche Eskalation massiv antworten, damit sie ihre nukleare Glaubwürdigkeit behalten. Offenbar wird das Risiko dort stärker gesehen als von vielen in Deutschland.

Deitelhoff: Das Risiko minimieren – ja. Aber nicht, indem man die Ukraine nicht mehr unterstützt. Bisher hieß es bei jeder neuen Waffenlieferung aus dem Kreml, das sei faktisch der Kriegseintritt der Nato. Dann ist aber nichts passiert. Es kann jedoch der Moment kommen, an dem das anders ist. Deshalb muss bei jeder Entscheidung sorgfältig abgewogen werden. Das Zögern des Kanzlers, das immer wieder kritisiert wird, ist die richtige Haltung – trotz der negativen Konsequenzen für die Ukraine, über die wir schon gesprochen haben.

Merkel: Was mich auf die Palme bringt, ist die Lässigkeit der Grünen in dieser Frage. Da wird einerseits gewarnt, dass ein Weiterbetrieb des AKW Neckarwestheim über März 2023 hinaus eine nukleare Havarie produzieren könnte, anderseits wird leichtfertig behauptet, dass Putins Drohung mit Atomwaffen nicht realistisch sei. Das größte Risiko für eine nukleare Eskalation besteht paradoxerweise dann, wenn Putin massiv auf der Verliererstraße ist. Weil es dann um die Existenz des Diktators geht.

Deitelhoff: Das ist aber auch der Zeitpunkt, an dem die Chance für Verhandlungen gekommen ist. Die Herausforderung ist, diesen Zeitpunkt rechtzeitig zu erkennen.

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Sprechen wir über die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“. Viel davon ist im Klein-Klein steckengeblieben. Ist bisher zu wenig passiert?

Deitelhoff: Das hat zwei Ebenen. Die „Zeitenwende“ ist schon im Diskurs angekommen. Die Bevölkerung beschäftigt sich mit Sicherheitspolitik. Da tut sich was. Defizite gibt es auf der politischen Ebene, im administrativen Apparat. Deshalb hat die Bundeswehr bisher kaum neues Material bekommen. Und das in einer Situation, wo wir sagen müssen, dass wir nur bedingt wehrfähig sind.

Merkel: Ich blicke anders auf diese „Zeitenwende“. Unsere Diskurse strotzen mittlerweile von Militärischem und der Sehnsucht nach Wehrhaftigkeit, und zwar auch nach innen. Ich entdecke einen illiberalen Strang dabei. Zugleich verschwinden andere zentrale Fragen: die soziale Ungleichheit, die Auflösung von gesellschaftlichem Zusammenhalt. Die geforderte neue Wehrhaftigkeit wird uns etwas kosten. Und wo kann man sparen? Im Sozialbereich. Das wird der SPD auf die Füße fallen.

Deitelhoff: Widerspruch! Auch wenn dieser Krieg beendet sein wird, werden wir es noch mit einem revisionistischen Russland zu tun haben. Die Sorge vor Angriffen wird uns die nächsten zehn bis 15 Jahre begleiten. Da ist es notwendig und zeugt von Verantwortungsgefühl, über Wehrhaftigkeit nachzudenken und in die Erhaltung unseres Friedens zu investieren. Wir müssen in Europa in der Lage sein, selbst für unsere Sicherheit zu sorgen. Dafür müssen wir Mittel in Richtung Wehretat verschieben.

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Zum Schluss die Frage: Worüber werden wir in einem Jahr reden?

Deitelhoff: Ob wir die Ukraine in der Nato haben wollen. Momentan ist das wahrscheinliche Szenario ein langer Konflikt, der zwischen eingefrorenen und heißen Phasen changiert. Das wird dazu führen, dass wir die Ukraine noch über Jahre massiv militärisch, wirtschaftlich, finanziell unterstützen müssen und auch ihre Westbindung zu einem vorrangigen Ziel werden wird.

Merkel: Ich glaube nicht, dass wir den Konflikt entschärfen werden, indem wir die Ukraine in die Nato einbeziehen. Ich sehe eine langjährige Unsicherheitsphase, die wahrscheinlich mit Aufrüstung verbunden sein wird. Meine Hoffnung ist, dass auch noch an Rüstungsbegrenzung und -kontrolle gedacht wird. Die neue Aufrüstungsspirale wird nur scheinbar mehr Sicherheit produzieren.