Kai Gniffke wird neuer Intendant des SWR

Kai Gniffke.  Foto: dpa

Zuerst sah es nach einem Riss innerhalb des Senders aus. Es drohte sogar ein Scheitern der Wahl. Doch im zweiten Versuch wählten die Gremien-Mitglieder Kai Gniffke,...

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STUTTGART / MAINZ. Der bisherige Tagesschau-Chef Kai Gniffke wird im Sommer neuer Intendant des SWR. Verwaltungsrat und Rundfunkrat haben ihn in einer gemeinsamen Sitzung im zweiten Wahlgang gewählt. Im ersten fehlte ihm die Unterstützung aus Baden-Württemberg. Gniffke will Jüngere als Zielgruppe gewinnen und den Sender im Internet besser aufstellen.

Am Ende hatte Tagesschau-Chef Gniffke eine gebrochene Stimme. Er bedankte sich für das Vertrauen und für den fairen Wahlkampf, den er mit Stefanie Schneider, der Landessenderdirektorin des SWR in Baden-Württemberg, geführt habe: „Ich habe jetzt sehr viel Lust auf diesen SWR.“ Seiner Wahl zum Intendanten war ein Wahlkrimi vorausgegangen.

Vertreter aus Baden-Württemberg wählten im ersten Wahlgang Stefanie Schneider, Rheinland-Pfälzer Gniffke

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46 von 88 Stimmberechtigten votierten im ersten Wahlgang für Stefanie Schneider. Und doch fehlten ihr neun Stimmen, um Nachfolgerin des SWR-Intendanten Peter Boudgoust zu werden. Das Wahlrecht will es so: Der Kandidat für die Intendanz muss nicht nur die Mehrheit aller Stimmen auf sich vereinen. Er muss auch in beiden Bundesländern jeweils mindestens die Hälfte der Gremienmitglieder überzeugen. Während die Vertreter aus Baden-Württemberg Schneider wählten, verhinderten die Rheinland-Pfälzer, dass erstmals eine Frau auf den Intendantenstuhl des SWR steigt: Mit 20 zu fünf votierten sie für Gniffke.

Dem SWR drohte in diesem Moment eine Blockade. Hätte sich das Ergebnis wiederholt, wäre ein dritter Wahlgang notwendig geworden. Der hätte frühestens Ende September stattgefunden. Und selbst dann hätte das gleiche Ergebnis dazu geführt, dass keiner der Kandidaten gewählt wird. Denn Schneider hätte dann immer noch ein Drittel der Stimmen aus Rheinland-Pfalz gebraucht. Was dann? Für so einen Fall hätte das Wahlrecht keine Lösung vorgesehen.

Es geschah, womit kaum zu rechnen war

Die Gremienmitglieder zogen sich für mehr als eine Stunde zurück. Und es geschah, womit kaum zu rechnen war: Den Vertretern aus Rheinland-Pfalz gelang es, die Baden-Württemberger umzustimmen. Jetzt stimmten 56 Mitglieder für Gniffke, davon 34 aus dem „Ländle“. Also hatte er alle nötigen Mehrheiten geholt.

Was sich hinter den Kulissen abgespielt hat? Dazu äußerte sich offiziell niemand. Einen Bruch zwischen beiden Bundesländern, der nach dem ersten Wahlgang nahe zu liegen schien, gab es eher nicht. Vielmehr warben Delegierte aus Rheinland-Pfalz erfolgreich für die Positionierung Gniffkes.

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Der hat es in inoffiziellen Gesprächen wie auch später in seiner offiziellen Vorstellung vermocht, visionärer und weltläufiger zu wirken als seine Konkurrentin. Wobei beide das gleiche Schwerpunktthema hatten: Der SWR müsse crossmedial noch stärker umgebaut werden. Das heißt, der Sender müsse im Netz die Bedeutung erhalten, die er im Radio und im Fernsehen schon habe.

Kommt neues Innovationszentrum in Baden-Baden?

Das bedeutet für Gniffke aber nicht nur, die Ausspielwege neu zu organisieren. Also Geld in anderen Feldern freizuschaufeln, um es ins Netz-Angebot investieren zu können. Der kommende Intendant will auch an die Inhalte ran: „Wir müssen neue Formate entwickeln.“ Dafür will er in Baden-Baden ein Innovationszentrum aufbauen. SWR-Leute sollen dort mit Studenten und StartUp-Unternehmer neue Programme fürs junge Publikum schaffen: „Vielleicht entwickeln wir endlich einmal eine der Serien, die mit Netflix konkurrieren können.“

Langfristig kann Gniffke sich auch vorstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender im Netz eine Plattform aufbauen, die sich mit YouTube messen kann. Der SWR könne die führende Kraft im System werden, wenn es darum geht, die ARD im Netz zu modernisieren. So verantworte der SWR schon jetzt das gemeinsame Jugendangebot „Funk“, das in Mainz sitzt.

Stärker als Schneider stellte Gniffke den „Kampf gegen Rechts“ in den Mittelpunkt. Ohne diesen beim Namen zu nennen: „Ich möchte auch mit denen reden, die uns sehr, sehr kritisch sehen. Sogar mit denen, die uns abschaffen wollen.“ Er meint damit Kritiker aus dem AfD-Umfeld. Die seien „nicht verloren“, wie der Journalist sagt: Zwar erhalte er aus dieser Gruppe viele hasserfüllte Zuschriften nach manchen Sendungen: „Aber das zeigt doch auch, dass sie die Tagesschau noch sehen.“

Von Mario Thurnes