Ahrflut: Innenminister Roger Lewentz tritt zurück

Malu Dreyer (SPD), rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, und Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch in der Staatskanzlei.  Foto: Sascha Kopp
© Sascha Kopp

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) zieht nach massiver Kritik die Konsequenzen.

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MAINZ. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) tritt zurück. Dies haben er und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am späten Mittwochvormittag bekanntgegeben. Seit Tagen war der Druck auf den Minister wegen seines Krisenmanagements am Abend und in der Nacht der Ahrflut gewachsen. Nachdem erst kürzlich Polizeihubschraubervideos und der Einsatzbericht aus der Flutnacht aufgetaucht waren, stand er massiv in der Kritik – seine bisherige Position, wonach er und sein Ministerium am Abend kein vollständiges Lagebild gehabt hätten, ist praktisch nicht mehr haltbar. Die Videoaufnahmen zeigen Menschen in höchster Not im Hochwasser und eine flächendeckende Katastrophe an der Ahr. Die Frage nach persönlichen Konsequenzen und einem möglichen Rücktritt stand seither im Raum. Am Mittwochmorgen hatten er und Dreyer dann kurzfristig zu einer Erklärung in die Staatskanzlei eingeladen.

In seiner Erklärung wandte sich Lewentz zunächst an die Menschen im Ahrtal. „Sie haben Schreckliches durchleben müssen“, sagte er. Das Ausmaß der Katastrophe habe sich niemand vorstellen können, auch ihm sei die Dimension erst am nächsten Morgen klar geworden. Nach der Flut sei er über Wochen fast täglich vor Ort gewesen. Er blieb dabei, dass er die Hubschraubervideos erst jetzt, rund 14 Monate nach der Flut, gesehen habe. Wenn er mit seinen Äußerungen zu den Videos in den vergangenen Tagen die Menschen an der Ahr verletzt habe, dann tue ihm dieser Eindruck „sehr, sehr leid“: „Ich wollte die Gefühle dieser Menschen nicht verletzen.“ Und: „Es tut mir weh, im Zusammenhang mit dieser Flutkatastrophe als gefühlskalt bezeichnet zu werden.“

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Dreyer: „Schwerer Tag für uns als Landesregierung“

Dass dem Untersuchungsausschuss des Landtags über viele Monate Dokumente vorenthalten worden seien, „bedaure ich sehr“. Die Polizei hatte bereits eingeräumt, die Filme wegen eines internen Dokumentationsfehlers zu spät an die Staatsanwaltschaft und den Untersuchungsausschuss übermittelt zu haben. Auch das Ministerium hatte zuletzt erklärt, dass der Einsatzbericht des Hubschrauberfluges früher dem Ausschuss hätte vorgelegt werden müssen. Angesichts der Diskussionen und Kritik der vergangenen Tage habe er nun gesehen, sagte Lewentz, „dass ich als Minister öffentlich nicht mehr durchdringe“, sagte er: „Ich übernehme für die in meinem Verantwortungsbereich gemachten Fehler die politische Verantwortung.“

Ministerpräsidentin Dreyer, die Lewentz für die jahrelange Zusammenarbeit persönlich dankte, sprach von einem „schweren Tag für uns als Landesregierung“. Lewentz sei immer im Einsatz gewesen, „auch jetzt stellt er sich vor die Polizei und die Mitarbeiter in seinem Ministerium“, sagte Dreyer. „Dafür hat er meinen ganzen Respekt.“ Sie will nun bald die Nachfolge für Lewentz bekanntgeben. „Er bleibt geschäftsführend noch für ein paar Tage im Amt“, sagte sie. „Sie können davon ausgehen, dass ich in den nächsten Tagen öffentlich machen werde, wer Roger Lewentz folgt.“ Der 59-jährige Lewentz ist zugleich Landesvorsitzender seiner Partei, von diesem Amt trat er zunächst nicht zurück. Er sei gewählt bis zum nächsten Parteitag im Jahr 2023. „Ich nehme mir jetzt eine Auszeit und werde das dann mit den Gremien beraten“, sagte er.

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Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch in der Staatskanzlei.  Foto: Sascha Kopp
Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch in der Staatskanzlei.
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Im Mittelpunkt der Kritik an Lewentz stand zuletzt die Frage, wann der Minister in der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021 genügend Informationen hatte, um das katastrophale Geschehen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. In der Sturzflut, die am Abend am Oberlauf der Ahr einsetzte und die Mündung in den Rhein am frühen Morgen erreichte, kamen in Rheinland-Pfalz mindestens 134 Menschen ums Leben. Seit knapp einem Jahr untersucht ein Untersuchungsausschuss die Vorgänge. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler und den damaligen ehrenamtliche Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen.

Im April dieses Jahres war bereits Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) zurückgetreten, die zum Zeitpunkt der Flut Umweltministerin in Rheinland-Pfalz war. Auch ihr wurden massive Fehler im Umgang mit der Katastrophe vorgeworfen worden. An diesem Mittwochmittag war auf Antrag aus der Opposition (CDU und Freie Wähler) ursprünglich eine Sondersitzung des Landtags geplant (ab ca. 15.15 Uhr), um über das Verhalten von Lewentz während der Flutkatastrophe im Ahrtal zu diskutieren. Die Debatte wurde nach dem Rücktritt aber abgesagt.